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Schweigeminute „Ein Mann des Friedens“: Bundestag gedenkt Gorbatschow

Er war der letzte Präsident der Sowjetunion. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigte ihn als „Wegbereiter der Wiedervereinigung“ und bedauerte, dass Russland unter Putin von Gorbatschows Weg der Gewaltlosigkeit abgekommen sei.

Junger Mann legt rote Blumen vor eine große Büste von Michail Gorbatschow

Blumen für den Verstorbenen: am Denkmal „Väter der Einheit“ in Berlin. © picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Vielleicht habt ihr es in den letzten Tagen in den Medien mitbekommen: Am 30. August ist der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow gestorben. Vor Beginn der Generaldebatte heute morgen würdigte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas den Verstorbenen, der für die Geschichte der deutschen Wiedervereinigung eine wichtige Rolle spielte. Denn er half nach Ende des Zweiten Weltkriegs dabei, den sogenannten Kalten Krieg friedlich zu beenden.

Zum Hintergrund: Deutsche Teilung und Wiedervereinigung

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland von den vier Siegermächten – Frankreich, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion – in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden. Die drei westlichen Besatzungsmächte schlossen ihre Zonen 1949 zur demokratischen Bundesrepublik Deutschland (BRD) zusammen. Die Sowjetunion dagegen verordnete ihrer Zone ein nur pseudo-demokratisches System, die „Volksdemokratie“. So entstand, ebenfalls 1949, die Deutsche Demokratische Republik (DDR). In Wahrheit war es eine kommunistische Diktatur, die sicherstellen sollte, dass der östliche Teil Deutschlands von der Sowjetunion abhängig blieb.

Zur Erläuterung: Zur Sowjetunion, auch UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) genannt, gehörten neben Russland auch mehrere Länder in Osteuropa und Nordasien.

In der DDR regte sich zunehmend Protest unter den Bürgern. 1989 gingen immer mehr Menschen auf die Straßen und forderten Freiheit. Diese Proteste, die sogenannten Montagsdemonstrationen, blieben friedlich – deshalb spricht man auch von der "Friedlichen Revolution" – und wurden nicht niedergeschlagen. Sie führten schließlich zum Fall der Mauer, die DDR und BRD getrennt hatte. 1990 folgte die Wiedervereinigung.

Wer war Michail Gorbatschow?

Gorbatschow war von März 1985 bis August 1991 Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Von März 1990 bis Dezember 1991 war er der letzte Staatspräsident der Sowjetunion, die sich dann auflöste – die einzelnen Mitgliedsländer wurden unabhängig.

Gorbatschow setzte in der sowjetischen Politik neue Akzente. Mit Reformen wollte er das Leben der Menschen verbessern, die Sowjetunion modernisieren. Er trat für Meinungsfreiheit ein und setzte auf Abrüstung. So leitete er das Ende des sogenannten Kalten Krieges ein und bereitete damit den Weg für die Friedliche Revolution in Deutschland und letztlich auch für das Ende der Sowjetunion, was ihm im heutigen Russland von manchen immer noch vorgeworfen wird.

1990 erhielt Gorbatschow den Friedensnobelpreis. Nun starb er im Alter von 91 Jahren.

Bundestagspräsidentin: „Wir Deutschen haben Michail Gorbatschow viel zu verdanken“

„Präsident Gorbatschow war ein Mann des Friedens“, sagte Bundestagspräsidentin Bas in ihrer Rede. „Er veränderte die Welt. Zum Besseren.“

Mit seiner „Politik des erklärten Gewaltverzichts“ habe Gorbatschow den „Menschen in der DDR Mut gemacht, sich selbst zu ermächtigen“, und so „die Geschichte unseres Landes und das Leben von Millionen Menschen verändert“. Er sei ein „Wegbereiter der Wiedervereinigung“ gewesen, so Bas. „Wir Deutschen haben Michail Gorbatschow viel zu verdanken“, betonte sie.

Unsere Beziehung zu Russland: Blick in Gegenwart und Zukunft

Die Zukunft der deutsch-sowjetischen Beziehungen seien Gorbatschow immer ein wichtiges Anliegen geblieben, sagte Bas. „Und auch wir in Deutschland haben uns eine vertrauensvolle Partnerschaft mit Russland gewünscht. Ich sage mit großem Bedauern, dass eine Partnerschaft mit Russland derzeit nicht möglich ist.“

„Gerade wir Deutschen haben zu lange Gorbatschows Streben nach Verständigung, Frieden und Partnerschaft als Grundlage unserer Beziehungen mit Russland vorausgesetzt“, mahnte die Bundestagspräsidentin. „Dabei haben wir übersehen oder nicht wahrhaben wollen, dass sich Russland unter Putin längst und radikal von Gorbatschows Zielen abgewandt hatte.“

Gorbatschow habe geglaubt, dass die Zukunft Russlands nur Demokratie bedeuten könne. Unter Putin habe Russland „mit diesem Geist gebrochen“. „Das ist ein tragischer Fehler“, meinte Bas. „Es ist Russland, das die Ukraine angreift und mit Waffengewalt die europäische Friedensordnung zerstört.“ Gorbatschow dagegen sei „ein Mann des Friedens“ gewesen, der immer wieder zur atomaren Abrüstung gemahnt und vor einem neuen Krieg gewarnt habe.

Die Parlamentspräsidentin schloss ihre Rede zuversichtlich: „Die Welt muss nicht bleiben, wie sie ist. Auch nicht nach diesem brutalen Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Es kann ein besseres Morgen und Übermorgen geben. Aber der Weg dahin wird lang und steinig.“ Gorbatschows Mut könne uns „in diesen dunklen Stunden Zuversicht vermitteln für die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen“.

Im Anschluss an die Würdigung gedachten alle Abgeordneten in einer Schweigeminute des Toten – die Flaggen am Deutschen Bundestag bleiben heute auf Halbmast.

(jk)

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