Experten zu Corona Was tun gegen eine vierte Welle?
Krisenvorräte anlegen, die Arbeitsbedingungen für Ärzte und Pfleger verbessern, digitaler aufstellen – das empfehlen Experten, um für künftige Pandemien gewappnet zu sein.
Steht uns eine vierte Corona-Welle bevor? Und wie soll sich Deutschland vorbereiten? Diese Fragen treiben auch die Abgeordneten des Bundestages um. Einige von ihnen sitzen im „Parlamentarischen Begleitgremium Covid-19-Pandemie“. Das Gremium traf sich kurz vor der Sommerpause Anfang des vergangenen Monats, um Fachleute zu befragen.
In einer öffentlichen Anhörung waren sich die geladenen Experten und Expertinnen sicher: Das Gesundheitssystem muss auf allen Ebenen verbessert werden. Mehr zu den Vorschlägen, wie man künftigen Pandemien oder einer möglichen vierten Corona-Welle besser begegnen kann, lest ihr hier.
Was ist das Covid-Begleitgremium?
21 Mitglieder des Gesundheitsausschusses sowie anderer Fachausschüsse bilden das „Parlamentarische Begleitgremium Covid-19-Pandemie“. Seine Arbeit umfasst drei Schwerpunkte:
Pandemiebekämpfung, auch weltweit, durch Erforschung der Viren und die Digitalisierung
Impfungen und Impfstoffzulassungen
Gesellschaftliche Auswirkungen und Kontaktbeschränkungen
Dazu spricht das Gremium regelmäßig mit Experten und wird zudem von der Bundesregierung über die aktuelle Infektionslage informiert.
Was empfahlen die Experten?
Rudolf Henke (CDU/CSU), der Vorsitzende des Covid-Gremiums sagte: „Wir sind erst auf der sicheren Seite, wenn alle auf der sicheren Seite sind.“ Damit meinte er nicht nur Deutschland und Europa, sondern auch die Situation weltweit.
Ob Masken, Schutzausrüstung oder etwa Desinfektionsmittel: Eine „nationale Gesundheitsreserve“ empfahl Prof. Wolfgang Greiner von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Es brauche Lagerkapazitäten und die Politik müsse entscheiden, welche Produkte wie lange angeschafft werden müssten. Greiner machte auf ein ethisches Problem aufmerksam, wenn Produkte wegen der Haltbarkeitsgrenzen laufend ausgetauscht und entsorgt werden müssten.
Ärzte, Pflegekräfte und Gesundheitsämter stärken
Dr. Susanne Johna vom Marburger Bund sprach sich dafür aus, Ärzte und Pflegekräfte besser zu bezahlen. Denn: „65 Millionen Überstunden leisten unsere Krankenhausärzte im Normalfall pro Jahr. Im stationären Bereich haben wir einen realen Ärztemangel.“ Es müssten jetzt mehr Medizinstudienplätze und „bessere Arbeitsbedingungen“ für Ärzte und Pflegekräfte geschaffen werden.
Bessere Arbeitsbedingungen, insbesondere für Pflegekräfte in Senioreneinrichtungen, forderte auch Annemarie Fajardo, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats.
Das Präventionsmanagement der Gesundheitsämter müsse verbessert werden, mahnte Prof. Raimund Geene von der Berlin School of Public Health (BSPH) an. Prävention bedeutet Vorbeugung oder Verhütung. Gesundheitsämter seien „zu schwach aufgestellt“.
Wie wird der Herbst?
Ein weiterer starker Anstieg – vor allem bei Patienten, die Intensivbetten belegen oder gar beatmet werden müssen – sei nicht mehr zu erwarten, prognostizierte Prof. Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Grund dafür sei, dass die meisten über 60-Jährigen nun geimpft seien.
Wie hoch eine mögliche vierte Welle bei den Infektionszahlen werden könne, hänge nun von der Impfquote ab, so Karagiannidis. Doch selbst bei hoher Impfquote könnten sich sehr viele Menschen infizieren, weshalb er sich für weitere „sinnvolle Kontaktbeschränkungen“ aussprach.
Bessere Daten erforderlich
Von freien Krankenhausbetten über Intensivbehandlungen bis hin zu Corona-Fallzahlen: Tom Lausen, Informatiker und Datenanalyst, mahnte an, die Daten darüber zu verbessern. Konkret ging es ihm um das sogenannte Divi-Intensivregister. Divi steht für die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Im Divi-Register werden Daten aus Krankenhäusern gespeichert. Lausen bemängelte, dass die daraus abgeleiteten Prognosen schlecht seien und „dauernd nachgeschärft werden“ mussten.
Das Divi-Intensivregister sei ein „äußerst primitives System“, viel zu undifferenziert und bedürfe „dringend“ der Überarbeitung, kritisierte Lausen. Er verwies auf die Forderung vieler Mediziner, dass nicht sie selbst die Zahlen in die Datenbank pflegen müssen, sondern sich darum die Krankenhausverwaltung kümmern sollte, also „Profis, die sich nur mit Zahlen beschäftigen“.
Luca-App sei ein Erfolg
Für die Gesundheitswirtschaft legte Sebastian Zilch ein gutes Wort ein. Der Staat müsse die Branche stärker fördern, die Gesellschaft ihre Innovationsskepsis ablegen und digitalen Anwendungen mehr Vertrauen entgegenbringen, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Gesundheits-IT. Bester Beweis dafür, dass die Gesundheitswirtschaft schnell reagieren könne, sei die Luca-App zur Kontaktverfolgung, mit der man den Gesundheitsämtern zur Hilfe geeilt sei.
Zilch plädierte für ein neues „Datennutzungsgesetz“ mit mehr Möglichkeiten, um „hochwertige“ Daten erheben zu können.
Die gesamte Anhörung könnt ihr wie immer auf bundestag.de nachlesen und euch hier im Video anschauen.
(loh)