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Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) „Bundesregierung vertrödelt Zeit“

Durch den Krieg sind weite Teile der Ukraine zerstört worden. Die Bundesregierung sei zu zögerlich, wenn es um Unterstützung der Ukraine gehe, insbesondere beim Thema Wiederaufbau, findet Wolfang Stefinger (CDU/CSU).

Porträt von Wolfgang Stefinger

„Wir sollten ganz klar kommunizieren, wie wir die Ukraine in Zukunft unterstützen wollen“, sagt Wolfgang Stefinger (CDU/CSU). Er wünsche sich, dass die Bundesregierung zügig agiere. © Nils Schwarz

Der russische Angriff auf die Ukraine hat bereits viele Menschen das Leben gekostet und das Land in weiten Teilen zerstört. Der Krieg ist aber noch nicht vorbei. Kann man trotzdem an Wiederaufbau denken?

Der grausame Angriffskrieg hat weite Teile des Landes in Schutt und Asche gelegt. Und er hat sehr viele unschuldige Opfer gefordert. Zum Jahrestag des Krieges im Februar hat die Europäische Investitionsbank den gesamten Schaden auf 1,1 Billionen US-Dollar beziffert.

Es wurden Wohnblöcke, Schulen, Krankenhäuser, landwirtschaftliche Betriebe und zuletzt auch ein Staudamm zerstört. Deswegen geht es vor allem auch darum, diese entscheidende Infrastruktur wieder aufzubauen – gerade im Hinblick auf Wasser- und Energieversorgung. Wir dürfen uns an dieser Stelle keiner Illusion hingeben. Die Menschen in der Ukraine leisten jeden Tag großartige Arbeit und bauen mit allem, was sie haben, zerstörte Dinge wieder auf. Diese Arbeit unterstützen wir finanziell und materiell. Aber natürlich kann ein echter Wiederaufbau – ohne die Angst vor erneuter Zerstörung – nur gelingen, wenn der Krieg vorbei ist.

Ihre Fraktion hat einen Antrag gestellt, in dem es darum geht, den Wiederaufbau der Ukraine zu fördern. Eine wichtige Rolle soll die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft spielen. Können Sie uns erklären, welche Funktion die DEG haben soll?

In Deutschland gibt es die Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz KfW. Das ist eine staatliche Förderbank, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, deshalb kommt auch der Begriff „Wiederaufbau“ im Namen vor: Die Bank sollte damals den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft unterstützen.

Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) ist eine Tochtergesellschaft der KfW-Gruppe und eine der größten Entwicklungsbanken weltweit. Die Aufgabe der DEG besteht darin, vor allem private Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländer zu fördern. Das heißt, die DEG finanziert, fördert und begleitet bestimmte Unternehmen in diesen Ländern und bietet Finanz- und Beratungsdienstleistungen an. Sie ist dabei in verschiedene Sektoren tätig, beispielsweise in der Landwirtschaft, in der Gesundheitsversorgung oder im Bereich Infrastruktur und erneuerbare Energien – also in den Bereichen, in denen der Wiederaufbau in der Ukraine dringend ist.

Meine Fraktion fordert deshalb, dass die Bundesregierung den Gewährleistungsrahmen für private Investitionen ausweiten soll. Das würde bedeuten, dass die Bundesregierung Investitionen in größerem Rahmen als bisher absichert. Denn eines ist klar: Nur mit staatlichen Geldern wird man das Land nicht wieder aufbauen können. Wir brauchen also private Geldgeber, nur dann kann auch ein entsprechender Wiederaufbau funktionieren.

Welche Bedeutung hat der wirtschaftliche Wiederaufbau der Ukraine für die deutsche und europäische Wirtschaft?

Grundsätzlich geht es beim Wiederaufbau der Ukraine um weit mehr als die deutsche oder europäische Wirtschaft. Es geht in erster Linie darum, der Ukraine und ihrer Bevölkerung zur Seite zu stehen. Ich bin davon überzeugt, dass Wirtschaft und Wohlstand in direktem Zusammenhang mit Demokratie stehen. Und Putin bekämpft die Demokratie. Auch deshalb ist es für uns alle wichtig, die Ukraine zu unterstützen.

Darüber hinaus war die Ukraine vor dem Krieg einer der größten Getreideexporteure der Welt. Seit dem Angriffskrieg hat auch der Hunger weltweit wieder zugenommen hat. Daran erkennen wir, welche Bedeutung die Ukraine nicht nur für Deutschland oder Europa, sondern auch global – beispielsweise für Entwicklungsländer in Afrika und deren Ernährungssicherheit – hat.

In der Bundestagsdebatte zu dem Thema haben Sie kritisiert, dass die Bundesregierung in den vergangenen Monaten „gezaudert und gezögert“ habe. Was haben Sie damit gemeint?

Wir erinnern uns alle, dass der Bundeskanzler direkt nach dem Angriff auf die Ukraine von einer „Zeitenwende“ gesprochen hat. Dann wurde das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgesetzt. Aber von diesem Sondervermögen ist bisher noch kein Euro in Form von tatsächlichen Investitionen ausgegeben. Durch die aktuelle Inflation und durch Zinszahlungen, die angefallen sind, ist das Vermögen allerdings bereits geschrumpft.

In den vergangenen Monaten wurde sehr deutlich, dass die Bundesregierung heillos zerstritten ist – auch wenn es um die Frage ging, wie man die Ukraine noch unterstützen kann. Insbesondere wenn ich an das Thema Waffenlieferungen denke und daran, dass die ukrainische Regierung uns um Waffen gebeten hat, dann wurde hier gezögert und gezaudert. Man hat außerdem meines Erachtens verschlafen, einen passenden Finanzrahmen aufzusetzen, um die entsprechenden Wiederaufbaumaßnahmen voranzubringen. Hier ist einfach viel Zeit vertrödelt worden und deshalb habe ich die Regierung in der Debatte kritisiert.

Was wünschen Sie sich stattdessen von der Bundesregierung?

Ich wünsche mir, dass die Regierung zügig agiert, zum Beispiel, indem sie den Handlungsrahmen der DEG ausweitet, damit Investitionen von privaten Unternehmen abgesichert werden können und somit möglich werden. Wir müssen uns nochmal vergegenwärtigen, dass Unternehmen in der Ukraine nicht im großen Stil Investieren werden, solange dort Krieg herrscht. Die Risiken sind einfach zu hoch. Wir können also warten bis der Krieg vorbei ist. Oder – und das ist meine Meinung – wir tun beides: Wir unterstützen die Ukraine militärisch und versuchen bereits jetzt gerade landwirtschaftliche Unternehmen in der Ukraine zu unterstützen. Das reicht von der Mienenräumung auf Ackerland, über die Wiedererrichtung der Hafeninfrastruktur zum Verschiffen des Getreides bis hin zu landwirtschaftlichen Maschinen. Hier würde ich mir von der Regierung einen klaren Plan wünschen, der mit unseren europäischen Partnern abgestimmt ist.

Das Vereinigte Königreich hat kürzlich gemeinsam mit der Ukraine zu einer internationalen Wiederaufbaukonferenz eingeladen. Zu welchen Ergebnissen ist man dort gekommen?

Die Europäische Union war durch die EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen vertreten und hat der Ukraine Unterstützung in Höhe von 50 Milliarden bis 2027 in Aussicht gestellt. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika und weitere Staaten haben entsprechende finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau versprochen. Und viele Unternehmen haben an der Wiederaufbau-Konferenz teilgenommen. Mehr als 400 Unternehmen aus ungefähr 38 Ländern haben sich in diesem Rahmen verpflichtet, in der Ukraine zu investieren.

Ich bin froh, dass das Vereinigte Königreich zu dieser Konferenz eingeladen hat und ein deutliches Signal in Richtung der Ukraine gesendet hat: Es gibt eine breite Unterstützung für den Wiederaufbau des Landes.

Zur Person

Wolfgang Stefinger

Wolfgang Stefinger wurde 1985 in München geboren. Nach der Schule studierte er Betriebswirtschaftslehre. Er war zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, promovierte 2011 und arbeitete als Referent im Gesundheitswesen. Seit 2013 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung und Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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