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Lage in Israel „Nichts, aber auch gar nichts, rechtfertigt den Terror der Hamas“

Naomi Webster-Grundl und Jasmin Nimmrich

Die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel erschüttern die Welt. Der Deutsche Bundestag setzt sich in dieser Woche, auch aufgrund der besonderen historischen Verantwortung gegenüber dem israelischen Staat, intensiv mit der angespannten Lage im Nahen Osten auseinander. Bundeskanzler Scholz gab dazu eine Regierungserklärung ab.

Die Abgeordneten erheben sich für eine Schweigeminute im Plenarsaal des Bundestages.

Eine Schweigeminute im Deutschen Bundestag für die Opfer in Israel. © Kira Hofmann / phtotothek / Deutscher Bundestag

Am Samstagmorgen, den 7. Oktober 2023, hat die Terrororganisation Hamas einen brutalen Großangriff auf Israel gestartet. Dabei richtete sich die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung von Israel: Menschen, die gerade auf einem Musik-Festival gefeiert haben, wurden ermordet, Zivilisten verschleppt, ganze Familien ausgelöscht. Israel reagiert seitdem mit massiven Gegenschlägen und hat die Wasser-, Lebensmittel- und Stromlieferung nach Gaza eingestellt. Es sind bereits tausende Menschen getötet worden und die gewalttätigen Auseinandersetzungen dauern an. 

Mit Unterstützung und Solidarität

Als Reaktion auf den Terror der Hamas gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag, den 12. Oktober 2023, eine Regierungserklärung im Plenum zur aktuellen Lage in Israel ab: „Israel ist am 7. Oktober in einem Alptraum aufgewacht.“ Er sprach in Anwesenheit des israelische Botschafters Ron Prosor dem Staat Israel die volle Solidarität Deutschlands aus und verurteilte die Gewalt der terroristischen Hamas aufs Schärfste. Besonders angesichts der deutschen Geschichte und der damit einhergehenden Verantwortung für die Opfer des Holocaust sieht der Bundeskanzler die Bundesrepublik fest an der Seite Israels.

Scholz blickte in seiner Ansprache jedoch nicht nur nach Israel. Er kritisierte auch die Unterstützung des Irans für die Terrororganisation Hamas. Teheran zeige mit der monetären und militärischen Unterstützung der radikalislamischen Palästinenserorganisation sein wahres Gesicht. Und auch andere Entwicklungen in der Region beobachtet der Bundeskanzler mit Sorge. Die Hisbollah im Libanon dürfe auf keinen Fall in Israel eingreifen, die Auswirkungen wären sowohl für den Libanon selbst, als auch für den gesamten Nahen und Mittleren Osten verheerend.

Auch auf die Rolle der palästinensischen Führung ging Scholz ein und sagte an diese gerichtet: „Wo bleibt die klare Verurteilung der terroristischen Gewalt durch die Autonomiebehörde und ihren Präsidenten Mahmud Abbas? Ich sage: Ihr Schweigen ist beschämend." Die Bundesregierung stellt als Reaktion auf dieses Schweigen nun die Zusammenarbeit mit Palästina auf den Prüfstand. Der Maßstab der Überprüfung werde sein, ob die jeweiligen Projekte den Frieden in der Region unterstützen und der Sicherheit Israels dienen.

Zuletzt thematisierte der Bundeskanzler die Lage im eigenen Land und lobte solidarische Demonstrationen: „Die blau-weißen Fahnen mit dem Davidstern haben vor dem Brandenburger Tor für ein friedliches und solidarisches Bild gesorgt.“ Demgegenüber stünden aber auch vereinzelte Kundgebungen für den Terror der Hamas durch palästinensische Unterstützer. „Das ist abscheulich, das ist menschenverachtend und widerspricht allen Werten, denen wir in unserem Land verpflichtet sind. Hass und Hetze nehmen wir nicht tatenlos hin”, so das Urteil des Bundeskanzlers. „Nichts, aber auch gar nichts, rechtfertigt den Terror der Hamas.“ Jedes „Ja, aber…“ sei aufgrund der Brutalität der Terroristen völlig fehl am Platz. Als Reaktion auf antisemitische Demonstrationen gelte nun Nulltoleranz durch die deutschen Sicherheitsbehörden. Als Zeichen dafür kündigte Olaf Scholz auch ein Betätigungsverbot für die Hamas in Deutschland und ein Verbot des pro-palästinensischen Vereins Samidoun an.

Einstimmigkeit im Plenarsaal

Auf die Regierungserklärung folgte eine 90-minütige Debatte zur Lage in Israel und im Nahen Osten sowie den daraus resultierenden Erwartungen an die Bundesregierung. Den Anfang machte Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der dem Bundeskanzler für seine Erklärung dankte und der Regierungskoalition die Unterstützung seiner Fraktion im Kampf gegen den Antisemitismus anbot. „Unser demokratischer Staat darf solche Zustände nicht dulden, und er muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unseres Rechtsstaates sicherstellen, dass jede Form antisemitischer Gewaltverherrlichung unterbunden wird.“ Deshalb begrüßte Friedrich Merz ausdrücklich die ausgesprochene Nulltoleranz-Linie des Bundeskanzlers und den Zusammenhalt aller Fraktionen im Kampf gegen den Antisemitismus, der sich auch in dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ausdrückte, mit dem der Terror der Hamas als „Kriegsverbrechen bis hin zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt wurde. Im Anschluss an die Debatte stimmten auch die Fraktionen der Linken und der AfD dem Entschließungsantrag zu. Damit steht der Bundestag geschlossen an der Seite Israels.

Katharina Dröge, Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, bekundete ebenfalls Solidarität mit den Menschen in Israel. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels seien und bleiben deutsche Staatsräson. Um den Frieden und die Stabilität in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens zu wahren, rief sie dazu auf, an diplomatischen Bemühungen festzuhalten. Geschähe dies nicht, würden die Terroristen ihrem Ziel einen Schritt näher kommen. Dröge wandte sich auch an die Bevölkerung jüdischen Glaubens in Deutschland: „Euer Schutz ist unsere Verpflichtung. Wir werden alles dafür tun, um jüdische Einrichtungen, um jüdische Institutionen, aber auch das Leben auf deutschen Straßen für jüdische Menschen, so gut wir können, zu schützen und zu sichern.“

Dr. Alexander Gauland trat für die AfD-Fraktion ans Rednerpult und hielt der Bundesregierung die Solidaritätsbekundungen als Lippenbekenntnisse vor. Die reine Anteilnahme würden weder den Israelis helfen, noch einen Eindruck bei den Terroristen der Hamas hinterlassen. „Man muss den Terror an seinem Lebensnerv treffen, am Geld.“ Auch deshalb sei es ein „unglaublicher Skandal“, dass deutsche Steuergelder an antisemitische Hilfsorganisationen flössen und somit unter Umständen einen Teil der Waffen der islamistischen Hamas finanzieren würden.

Für die Fraktion der FDP sprach ihr Fraktionsvorsitzender Christian Dürr von einem „kaum fassbaren Ausmaß des Bösen“. Die Terrorangriffe der Hamas verdeutlichten, dass die Distanz zwischen Wort und Tat in den vergangenen Jahren maßgeblich unterschätzt und den Drohungen der Hamas in den vergangenen Jahren nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte zudem eine Kursänderung in der Iranpolitik, sowohl für Deutschland als auch für die Europäische Union. Die Islamische Revolutionsgarde müsse auf die Terrorliste gesetzt werden.

Auch der Fraktionschef der Linken, Dr. Dietmar Bartsch, bestärkte die Forderung nach einem neuen Kurs in der Iranpolitik. Der Iran wolle Israel zerstören. Der Export von Wissen und Technologie an den Iran müsse deshalb augenblicklich gestoppt werden. Bartsch wies außerdem auf die Schicksale der Menschen im Gaza-Streifen hin, die weiterhin von der Hamas unterdrückt und terrorisiert werden. „Wenn wir weiterhin solidarisch mit Israel sein wollen, müssen wir aufhören, islamistische Gruppierungen und Regierungen für geopolitische Interessen des Westens zu nutzen.“

„Nie wieder, nie wieder schauen wir weg, nie wieder schweigen wir, wenn jüdisches Leben bedroht ist.“ An dieses Versprechen erinnerte der Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil. Auf Worte müssten deshalb nun gemeinsame Taten folgen. Ein richtiger Schritt sei dabei schon der Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der die Einigkeit des deutschen Parlamentes in dieser Angelegenheit verdeutliche. Die Haltung des „Nie wieder“ und der Kampf gegen den Antisemitismus dürfe nie aufgegeben werden. „Israel ist ein Partner und Freund Deutschlands.“ Diesem Freund müsse Deutschland nun zur Seite stehen.

Kein Platz für Antisemitismus

Bereits als der Bundestag am Mittwoch, den 11. Oktober 2023, zusammenkam, hielt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vor der Eröffnung der Plenarsitzung eine Rede. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Botschafter Ron Prosor waren anwesend. Bärbel Bas bezeichnete den Angriff der Hamas auf Israel als beispiellosen und perfiden Terror. „Diese menschenverachtende Brutalität erschüttert uns zutiefst.“ Sie betonte außerdem, dass es nicht akzeptiert werden könne, wenn diese Taten in Deutschland auf den Straßen oder im Netz gefeiert werden. „Wir akzeptieren keine Israelfeindlichkeit und keinen Antisemitismus in Deutschland“, so die Bundestagspräsidentin. 

„In diesen dunklen Stunden sind unsere Gedanken bei den Angehörigen aller Opfer, bei den Verletzten und bei den verschleppten Geiseln, die als menschliche Schutzschilde missbraucht werden“, schloss Bärbel Bas. Anschließend erhoben sich alle Anwesenden im vollen Plenarsaal für eine Schweigeminute, um der Opfer des grausamen Angriffs zu gedenken.

Im Anschluss wurde die Tagesordnung mit der Regierungsbefragung eröffnet. Bevor sie sich den Fragen der Abgeordneten stellte, äußerte sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) zur Lage in Israel. Sie erklärte, der 7. Oktober 2023 werde als der blutigste Tag in die Geschichte des Landes Israel eingehen. Man müsse alles tun, damit das perfide Drehbuch des Terrors nicht aufgehe. Gerade weil dieses terroristische Kalkül mit Menschenleben auf beiden Seiten spiele - in Israel und in Gaza - sei es wichtig, die humanitäre Versorgung für die palästinensische Zivilbevölkerung nicht einzustellen. 

Viele Abgeordnete hatten Fragen an die Bundesaußenministerin zur Lage in Israel: Warum konnte erst am Dienstag verkündet werden, dass es Sonderflüge von Israel nach Deutschland geben werde? Wie schätzt sie die Gefahr ein, dass der bewaffnete Konflikt auf andere Länder übergreifen könnte? Sieht sie eine Chance, in die Verhandlungen zum Geiselaustausch unterstützend einzugreifen? Wie wird überprüft, dass das Geld wirklich für humanitäre Hilfe verwendet wird? Die Antworten der Außenministerin auf diese und weitere Fragen könnt ihr hier anschauen.

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