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Bundeskanzler „Jede Ukrainerin, jeder Ukrainer wünscht sich Frieden“

Vor einem Jahr rief Bundeskanzler Olaf Scholz angesichts des Angriffs Russlands auf die Ukraine eine „Zeitenwende“ aus. Gestern bekräftigte er die Unterstützung für die Ukraine. Aus der Opposition gab es teils heftige Kritik am Kurs der Bundesregierung.

Schild 'Stop War' mit Friedenstaube und in Blau-Gelb auf einer Demonstration

Tausende Menschen bekundeten am vergangenen Wochenende in vielen deutschen Städten ihre Solidarität mit der Ukraine. © picture alliance/Pacific Press/Simone Kuhlmey

Bundeskanzler: „Putins Imperialismus darf sich nicht durchsetzen“

Zu Beginn seiner Regierungserklärung stellte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) klar: „Jede Ukrainerin, jeder Ukrainer wünscht sich Frieden.“ Der Weg zu diesem Frieden erfordere „tapferes Handeln“. Deutschland und die Welt müssten „sich Aggression und Unrecht klar entgegensetzen“. Auch die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wünsche sich das.

Dennoch fürchteten manche verständlicherweise eine Eskalation des Konflikts. Ein Ende der Waffenlieferungen in der Ukraine würde aber keinen Frieden bringen, stellte Scholz klar: „Würde die Ukraine aufgeben, wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine.“ Ein „Diktatfrieden gegen den Willen der Opfer“, ein Frieden nach Russlands Bedingungen also, verbiete sich. Denn: „Putins Imperialismus darf sich nicht durchsetzen.“

Bei der letzten UN-Generalversammlung hätten 141 Staaten Putin aufgefordert, diesen Krieg sofort zu beenden: „Das Ergebnis ist eine klare Botschaft der Weltgemeinschaft an Putin: Ziehen Sie Ihre Truppen zurück, dann ist dieser Krieg augenblicklich vorbei!“ Es sei wichtig, dass Putin verstehe, dass die Weltgemeinschaft sein Vorgehen nicht dulden werde.

Er verstehe, dass Waffenlieferungen an andere Länder für die Menschen in Deutschland „ungewohnt“ seien, versicherte Scholz. Die Bundesregierung mache sich diese Entscheidung nicht leicht. Sie achte zudem darauf, dass die Nato nicht zur Kriegspartei werde. Darin sei sie sich mit Partnern wie der EU und den USA einig, mit denen Deutschland „enger und vertrauter denn je“ zusammenarbeite.

Die Nato, die EU und auch Deutschland seien „im Licht dieser Zeitenwende widerstandsfähiger geworden“, so der Kanzler. Man habe sich gewappnet, nicht nur gegen militärische Angriffe, sondern etwa auch gegen Cyber-Angriffe und Desinformationskampagnen. Und man habe sich „im Zeitraffer“ von der Energie-Abhängigkeit von Russland gelöst.

Union: „Zynisch, menschenverachtend, beschämend“

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, kritisierte heftig die Demonstration, die die Linkenabgeordnete Sahra Wagenknecht gemeinsam mit Frauenrechtlerin Alice Schwarzer am 25. Februar in Berlin organisiert hatte. Wagenknecht fordert, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen und stattdessen nach einer diplomatischen Lösung zu suchen. Merz warf ihr vor, „vorsätzlich“ Täter und Opfer zu verwechseln. Das sei „zynisch, menschenverachtend, niederträchtig, beschämend“.

„Dies ist und bleibt ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg Russlands“, betonte Merz. Putin allein sei dafür verantwortlich. Der Krieg in der Ukraine stehe stellvertretend für die „Absicht vieler Autokraten dieser Welt, politische Dominanz mit militärischer Gewalt durchzusetzen“.

In Richtung Scholz kritisierte der Oppositionsführer, dass der Verteidigungsetat in diesem Jahr gesunken sei. Das „Sondervermögen“ für die Bundeswehr sei nur teilweise ausgegeben worden, „weitere Bestellungen lassen auf sich warten“. Es brauche aber tatkräftige Entscheidungen, wenn man wehrhaft sein und bleiben wolle. Merz behauptete, ohne die Hilfe der Amerikaner sei „Kyjiw längst in russischer Hand“. Die Europäer alleine wären „zu schwach“ gewesen, um das zu verhindern.

Zu den wirtschaftspolitischen Folgen des Krieges sagte Merz, dass Deutschland „gut durch den Winter gekommen“ sei, liege daran, dass es ein milder Winter gewesen sei, private Haushalte gespart hätten und die Industrie Produktionen stillgelegt habe – was nicht gut für die Industrie und für Deutschland sei. Die Regierung, so Merz‘ Fazit, bleibe weit hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück. „Das muss in den kommenden Monaten besser werden“, forderte er.

Grüne: „Die Ukraine lebt und die Ukraine wehrt sich“

Auch Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte in Richtung Linksfraktion: „Ich kann es nicht mehr hören! Dieser Gegensatz, der von Ihnen konstruiert wird – Diplomatie oder Waffen – der ist falsch. Und Sie wissen, welche Geister Sie damit rufen.“ Die Linke mache sich gemein mit „den Rechten hier im Haus und da draußen im Land“. Das sei „unverantwortlich“.

„Putin ist es, der der Aggressor ist“, stellte Haßelmann klar. „Putin kann diesen Krieg sofort beenden.“ Er verschulde „Flucht, Vertreibung, Tod, Leid, Vergewaltigung und die Verschleppung von Kindern“. Und dennoch: „Die Botschaft in dieser schrecklichen Lage ist heute: Die Ukraine lebt und die Ukraine wehrt sich.“ Davor habe sie höchsten Respekt.

AfD: „Sie setzen alles daran, unsere Gesellschaft weiter zu spalten“

AfD-Fraktionsvorsitzender Tino Chrupalla befand: „Aus diesem Krieg geht die Ukraine genauso als Verlierer hervor wie Russland.“ Der einzige Gewinner heiße USA. Dem Bundeskanzler warf Chrupalla vor, er mache sich „zum Spielball Dritter“, statt die deutschen Interessen im Blick zu haben.

Die Politik der Bundesregierung sei „kopflos, unvernünftig und kurzsichtig“ und belaste die deutsche Wirtschaft, die kaum noch konkurrenzfähig sei. „Sie betreiben eine Politik, die Deutschland immer mehr deindustrialisieren wird“, sagte Chrupalla. Statt sich aber um die eigenen Probleme zu kümmern, wolle Scholz „arrogant und überheblich“ die „ganze Welt beraten“. Wer nicht seiner Meinung sei, den mache er „mundtot“; damit mache er sich zum „Totengräber unseres Grundgesetzes“. „Sie setzen alles daran, unsere Gesellschaft weiter zu spalten“, warf Chrupalla dem Bundeskanzler vor.

FDP: „Zeitenwende heißt auch, Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“

Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Fraktion, zählte ebenfalls zu den Kritikern der Wagenknecht-Veranstaltung: „Die Märchenerzählung, es gehe ausschließlich um militärische Maßnahmen, ist schlicht falsch.“ Deutschland und seine Partner leisteten in der Ukraine finanzielle, humanitäre und auch juristische Hilfe: „Das Ziel muss sein, dass diese Kriegsverbrechen Russlands am Ende auch geahndet werden.“

Deutschlands Wirtschaftspolitik sei in der Vergangenheit zu sehr auf autokratische Staaten konzentriert gewesen, kritisierte Dürr. „Wir standen vor einem Scherbenhaufen und diese Bundesregierung hat den Hebel umgelegt.“ Die „Umsteuerung im energiepolitischen Bereich“ sei richtig und wichtig. „Zeitenwende heißt auch, Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“, so Dürr. Das werde die Bundesregierung weiter tun, in Zusammenarbeit mit den liberalen Demokratien der Welt.

Linke: „Unsägliche Verengung des Meinungskorridors“

Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion, forderte: „Es muss alles, alles dafür getan werden, dass Russland diesen Krieg endlich beendet.“ Das sei die gemeinsame Haltung seiner Fraktion. Bartsch verwehrte sich gegen die Kritik in Richtung seiner Fraktion und betonte, die Erklärung von Sahra Wagenknecht hätten mehr Unions- und SPD-Abgeordnete als Mitglieder der Linksfraktion unterschrieben.

„Wer den Krieg beenden will, ist kein Friedensschwurbler und kein Putin-Versteher“, empörte sich Bartsch. Es dürften nicht länger Menschen „diffamiert“ werden, die gegen Panzerlieferungen und für Friedensgespräche sein. Das sei „eine unsägliche Verengung des Meinungskorridors“ und schade der Demokratie.

„Ich empfehle uns allen hier etwas mehr Nachdenklichkeit“, mahnte der Linkenabgeordnete. Natürlich dürfe nicht „über die Köpfe der Ukrainer hinweg verhandelt werden“. Ein „Wettrüsten“ sei aber auch nicht die Lösung. „Wir brauchen eine europäische Friedensinitiative jetzt“, forderte Bartsch.

Hier seht ihr die Regierungserklärung und die anschließende Aussprache im Video:

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