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Abrüstungsbericht Sorge vor neuer Aufrüstungsspirale

Russlands Angriffskrieg, aber auch die nuklearen Bestrebungen von Nordkorea, Iran und China seien besorgniserregend – so lautet das Fazit des Abrüstungsberichts 2022, der letzte Woche im Bundestag debattiert wurde.

Atomrakete in der Luft

Das Bild zeigt einen Test russischer Atomwaffen 2022. Das russische Verteidigungsministerium hat es selbst veröffentlicht. © picture alliance/newscom/Russian Defense Ministry Press O

Russland: Krieg, nukleare Drohungen und Cyberattacken

Russlands Angriff auf die Ukraine bedeute einen schweren Rückschlag für die internationalen Bemühungen um Abrüstung, schreibt die Bundesregierung in ihrem Jahresabrüstungsbericht 2022. Dabei gehe es sowohl um die Abrüstung sogenannter konventioneller Waffen als auch um die Vermeidung einer atomaren Aufrüstung: „Seit dem 24. Februar 2022 hat Moskau wiederholt unverantwortliche nukleare Drohungen ausgesprochen“, heißt es im Bericht.

Parallel zum Kriegsgeschehen habe Russland zudem Cyberattacken und Desinformationskampagnen in nie dagewesenem Umfang durchgeführt. „Dies gefährdet Frieden und Sicherheit in Europa und darüber hinaus. Es wirft europäische und internationale Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung um Jahre zurück.“

Unter diesen neuen Umständen betrachte die Bundesregierung Rüstungskontrolle noch stärker als wichtigen Teil der Sicherheitspolitik. Die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen Russland zu unterstützen, stehe nicht im Widerspruch dazu, sich für Rüstungskontrolle in Europa und darüber hinaus einzusetzen.

Iran, Nordkorea und China: Sorge wegen Nuklearprogrammen

Auch in Richtung Iran und Nordkorea blickt die Bundesregierung im Bericht sehr sorgenvoll.

Iran habe sein Nuklearprogramm ungeachtet aller diplomatischen Anstrengungen ausgebaut. Nordkorea habe seine Trägersysteme weiterentwickelt und angekündigt, sein Nuklearwaffenarsenal erheblich auszuweiten. Es habe 2022 mehrere Raketentypen getestet und dadurch angrenzende Länder in Sorge versetzt.

Beunruhigend sei auch der schnelle Aufwuchs des chinesischen Nuklearwaffenarsenals. „Er verändert die Sicherheitslage in Asien mit Auswirkungen weit über die Region hinaus“, schreibt die Bundesregierung.

Grüne: „Jetzt erst recht“

Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen) fragte zu Beginn seiner Rede: „Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um über Abrüstung zu sprechen?“ Seine Antwort angesichts Putins nuklearer Drohungen: „Jetzt erst recht!“

„Die Welt befindet sich inmitten einer gefährlichen Aufrüstungsspirale“, sagte Lucks. Deshalb sei es wichtig und richtig, dass Deutschland zum Beispiel weltweit Minen räume und entschärfe und sich für die Regulierung autonomer Waffensysteme engagiere, laut Lucks „eine der größten Herausforderung für die Menschenrechte heute“.

Union: „Jahr der Realität”

Peter Aumer (CDU/CSU) konstatierte, die atomare Aufrüstung spiele leider wieder eine Rolle in internationalen Beziehungen. Das sei ein „herber Rückschlag“. Es sei „nicht auszuschließen, dass bald noch mehr Länder atomare Waffen besitzen“, die auch bereit seien, sie in regionalen Konflikten einzusetzen.

Das Jahr 2022, mit dem der Bericht sich befasst, nannte Aumer das „Jahr der Realität“. Denn es zeige die „weltweiten Bestrebungen zur atomaren Aufrüstung“ auf, die nicht erst mit dem Krieg in der Ukraine, sondern lange vorher eingesetzt hätten. Der Bundesregierung würde „mehr Realpolitik“ guttun, kritisierte Aumer.

SPD: „Es darf keinen neuen Rüstungswettlauf geben“

Ralf Stegner (SPD) sagte, man könne den Eindruck bekommen, der Begriff Abrüstung sei der Politik in der Zeitenwende abhanden gekommen. Dabei brauche es gerade in der aktuellen Situation eine „Politik der Deeskalation, der selbstbewussten Diplomatie, der langfristigen Stärkung der Abrüstung“.

„Es darf keinen neuen Rüstungswettlauf geben“, mahnte Stegner. Dennoch sei es sinnvoll, Geld in die „bestmögliche Ausrüstung“ der Bundeswehr zu investieren, damit diese verteidigungsfähig sei. Zudem brauche es angesichts ganz neuer Bedrohungen wie etwa Cyber-Angriffen eine „zeitgemäße Abrüstungspolitik“.

AfD: „Unfähig und unwillig“

Gerold Otten (AfD) bezeichnete den Abrüstungsbericht als „überaus traurigen Bericht“ und fragte: „Wie konnte es zu dieser fatalen und hochgefährlichen Situation kommen?“ Russland werde von der Bundesregierung verantwortlich gemacht, dabei trage es durchaus nicht die alleinige Schuld.

Abrüstung sei zweifellos ein wichtiger Bestandteil von Sicherheitspolitik, meinte Otten. Deutschland aber werde „seit mehr als zwei Jahrzenten“ von Politikern geführt, die „unfähig und unwillig sind, die nationalen Sicherheitsinteressen stringent zu definieren und das Denken und Handeln anderer Staaten zu antizipieren“. In Sachen Abrüstung dagegen sei Deutschland ein „Musterknabe“, mit dem Erfolg, dass die Bundeswehr heute nicht verteidigungsfähig sei.

FDP: „Tiefpunkt der internationalen Rüstungskontrolle“

Alexander Müller (FDP) zog eine finstere Bilanz des Jahres 2022: Ende des Jahres habe es 86 nukleare Sprengköpfe mehr gegeben als zu Beginn. „Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt: Wir sind am Tiefpunkt der internationalen Rüstungskontrolle angelangt“, konstatierte Müller. Alle internationalen Abrüstungsprogramme seien ausgesetzt.

Müller plädierte dafür, das „Dogma ‚keine Rüstungsexporte‘“ zu überdenken. Schließlich habe das Jahr 2022 auch gezeigt: „Ohne westliche Waffen gäbe es heute die Ukraine nicht mehr.“ Es sei also keine Lösung, einfach keine Waffen zu exportieren. Das führe im Gegenteil zu vielschichtigen Problemen: „Wir treiben mit unserem Dogma die Inder in die Arme der Russen, weil wir sie nicht beliefern“, befand Müller.

Linke: „Unterzeichnen Sie den Atomwaffenverbotsvertrag!“

Gregor Gysi (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, im Bericht über ihre Abrüstungsziele zu schreiben, in Wirklichkeit aber „das Gegenteil“ zu tun. „Deutschland ist der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt“, kritisierte Gysi. Das sei angesichts der Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg „geschichtsvergessen“.

Wir lebten in einem der gefährlichsten Zeitalter der Menschheit, meinte Gysi und warf der Bundesregierung vor: „Und Sie tun nichts dagegen, dass das aufhört!“ Zum Schluss seiner Rede forderte er: „Unterzeichnen Sie den Atomwaffenverbotsvertrag!“

Zur Erklärung: Der Atomwaffenverbotsvertrag ist eine internationale Vereinbarung, die die Entwicklung, den Erwerb und die Lagerung von Atomwaffen sowie die Drohung damit verbietet. Der Vertrag wurde von 91 Ländern unterzeichnet, unter denen aber keine der Atommächte und auch bis auf die Niederlande kein Nato-Staat ist.

Hier seht ihr die Debatte im Video:

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