Justizminister „Eine Kriegsführung, die verbrecherisch ist“
Regelmäßig befragen Bundestagsabgeordnete Mitglieder der Regierung. Gestern war Justizminister Marco Buschmann (FDP) an der Reihe. Es ging um den Krieg in der Ukraine, aber auch um das gesetzliche Erlauben von Cannabis und gleichgeschlechtliche Familien.
Von dem „blutigen Krieg“ in der Ukraine, der „schlimme Ausstrahlungswirkungen“ auf alle Politikbereiche habe, sprach der Justizminister in seiner Rede zu Beginn der Regierungsbefragung. „Wir haben es nicht nur mit einem völkerrechtswidrigen Angriff zu tun, sondern auch mit einer Kriegsführung, die verbrecherisch ist.“
Zur Erklärung: Das Völkerrecht ist international verbindliches, besonders zwischenstaatliches Recht. Es legt fest, wie Staaten miteinander umzugehen haben. Es besteht aus einer ganzen Reihe von Verträgen und wird unterteilt in Friedensrecht und Kriegsrecht. Hier ist genau beschrieben, welche Rechte und Pflichten die Staaten im Frieden und im Krieg haben.
Deutschland habe eine besondere historische Verantwortung für das Völkerrecht, erklärte Marco Buschmann (FDP). Was er damit meint: Da Nazi-Deutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen und den Massenmord an Jüdinnen und Juden verübt hat, muss es heute seiner Meinung nach politisch besonders handeln. Dieser historischen Verantwortung werde man gerecht, so Buschmann weiter, indem man sowohl den internationalen Strafgerichtshof unterstütze als auch der Generalbundesanwalt (das ist Deutschlands oberster Staatsanwalt) zu den Kriegsverbrechen in der Ukraine ermittle.
„Das ist nicht nur ein territorialer Konflikt“, schloss Marco Buschmann, „sondern auch eine Auseinandersetzung zwischen Autokratie und liberaler Demokratie“. Zur Erklärung: Autokratie bezeichnet Regierungsformen, bei denen alle Staatsgewalt unkontrolliert in den Händen eines Herrschers (oder: Autokraten) liegt und von diesem selbstherrlich ausgeübt wird. Die Autokratie ist Russland mit seinem Präsidenten Wladimir Putin, die Ukraine ist eine liberale Demokratie.
Fragen zu Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg
Buschmann betonte, die Lieferung von schweren Waffen mache Deutschland nicht zur Kriegspartei, das sei „völkerrechtlich klar geregelt“.
Dieser Haltung widersprach die AfD-Fraktion. Stephan Brandner (AfD) sagte, die Tatsache, dass Deutschland nicht nur Waffen liefere, sondern auch ukrainische Soldaten an diesen Waffen ausbilde, könne die Lage ändern. „Das ändert die Lage nicht“, antwortete der Justizminister. Und fügte hinzu: „Extrem namhafte Völkerrechtler bestätigen meine Haltung.“
Carsten Müller (CDU/CSU) fragte, ob Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das genauso sehe wie Buschmann. Das bejahte dieser: „Wir sind uns einig.“ Müller fragte weiter, ob der Generalbundesanwalt nicht besser ausgestattet werden müsse, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Darauf sagte der Justizminister, er könne und wolle den Haushaltsverhandlungen im Bundestag nicht vorausgreifen, die darüber entscheiden würden. Er zeigte sich aber optimistisch, dass der Generalbundesanwalt „gestärkt“ aus den Verhandlungen hervorgehen werde.
Kriegsverbrechen in der Ukraine
Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) wollte wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreife, um Beweise für Kriegsverbrechen in der Ukraine zu sammeln. Buschmann erwiderte, es sei „sehr wichtig, jetzt schnell Beweise zu sammeln und Zeugenaussagen aufzunehmen“. Dafür sei Deutschland in engem Austausch mit den anderen EU-Ländern. Er selbst plane außerdem eine Reise in die USA, um sich dort mit den Strafgerichtsbehörden auszutauschen.
Robert Farle (AfD) fragte nach Kriegsverbrechen seitens ukrainischer Soldaten. Darauf antwortete Buschmann, es werde in alle Richtungen ermittelt, „sollte es Beweise dafür geben“. Er formuliere das bewusst vorsichtig, da Russland in der Vergangenheit schon Bilder solcher angeblichen Vorfälle gefälscht habe.
Ein Pakt für den Rechtsstaat
Johannes Fechner (SPD) brachte den „Pakt für den Rechtsstaat“ zur Sprache, der über 2.000 Richterinnen und Richter zusätzlich in den Dienst gebracht habe, um den „erheblichen Personalbedarf“ zu decken. Buschmann betonte, der Pakt sei ein „parteiübergreifender Erfolg“. Die Regierung wolle ihn fortsetzen und mit einen „Digitalpakt Justiz“ verbinden.
Verfolgung von Kinder-Pornographie
Günter Krings (CDU/CSU) sprach die Verfolgung von Kinder-Pornographie im Internet an und fragte, warum das Justizministerium die Speicherung von IP-Adressen auch in diesem Fall ablehne. Zur Erklärung: Eine IP-Adresse ist eine individuelle Adresse, die ein Gerät im Internet oder auf einem lokalen Netzwerk identifiziert. Buschmann stellte klar, sein Ministerium kämpfe „engagiert gegen diese schlimmen Verbrechen an“. Die Vorratsdatenspeicherung sei aber ein „juristischer Zombie“. Er wolle den Ermittlungsbehörden „rechtssichere Instrumente“ an die Hand geben, daran arbeite das Justizministerium.
Manuel Höferlin (FDP) ergänzte, im Dark Net würden die IP-Adressen ohnehin verschleiert. Zur Erklärung: Das Darknet ist ein Teil des Internets. Es ist nicht auf herkömmliche Weise auffindbar, die Kommunikation wird verschlüsselt und die Urheber der Inhalte sowie seine Besucher oder Konsumenten wollen möglichst anonym bleiben.
Kinder in gleichgeschlechtlichen Familien
Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) brachte ein, zwar habe die letzte Bundesregierung die Ehe für alle möglich gemacht, dabei aber „versäumt, auch das Abstammungsrecht anzupassen“. Damit ist Folgendes gemeint: Wenn in einer heterosexuellen Ehe ein Kind geboren wird, gilt der Mann automatisch als Vater. Bei homosexuellen Paaren ist das nicht so. Wenn zwei verheiratete Frauen ein Kind bekommen, muss die zweite Mutter das Kind erst adoptieren – für Limburg eine „Ungleichbehandlung“.
Der Minister gab ihm recht. Die Regierung plane, in einem ersten Schritt bei den „unproblematischeren Fällen“ voranzugehen. Als Beispiel nannte er Samenspenden. Hier gebe es keinen Vater, es sei also unproblematisch, den zweiten Elternteil – also beispielsweise die Ehefrau der Mutter – anzuerkennen. In einem zweiten Schritt werde man sich mit den schwierigeren „Dreiecksverhältnissen“ befassen, in denen es einen biologischen Vater gebe, der in die Erziehung einbezogen werden wolle und dessen Rechte auch gewahrt werden müssten.
Daran knüpfte Andrea Lindholz (CDU/CSU) an. Ob die biologische Vaterschaft „zugunsten einer sozialen Elternschaft“ aufgehoben werden sollte, fragte sie. „Natürlich haben auch Väter Rechte“, antwortete Buschmann. Er habe noch keine „perfekte Blaupause“ für solche Fälle, arbeite aber an einer Lösung, die „für einen vernünftigen Ausgleich in diesem Dreieck sorgen“. Dabei sei „der oberste Maßstab“ immer das Kindeswohl.
Katrin Helling-Plahr (FDP) wollte wissen, was die Idee hinter der sogenannten Verantwortungsgemeinschaft sei. Buschmann erläuterte, es gebe immer mehr ältere Menschen ohne Partner, immer mehr alleinerziehende Eltern, die einander unterstützen wollten, allerdings ohne herkömmliche Modelle wie Ehe oder Adoption: „Denen bieten wir die Verantwortungsgemeinschaft an.“
Gesetzliches Erlauben von Cannabis
Ates Gürpinar (Linke) fragte nach der geplanten Legalisierung (also dem gesetzlichen Erlauben) von Cannabis, die Die Linke „sehr begrüßt“. Er wollte insbesondere wissen, ob geplant sei, schon vor der Legalisierung Verfahren gegen Menschen einzustellen, die mit Cannabis erwischt worden seien. Buschmann antwortete, Ziel der Bundesregierung sei, durch „qualifizierte Verkaufsstellen“ Konsumenten hochwertiges Cannabis zugänglich zu machen und gleichzeitig. „Dealer arbeitslos zu machen“. Sein persönliches Ziel sei, „dass wir nächstes Jahr den ersten legalen Joint verkaufen“. Allerdings könne er als Justizminister nicht einfach die aktuelle Rechtslage verändern: „Die Regierung sucht sich nicht aus, an welche Gesetze sie sich hält, und das ist auch gut so.“
Tobias Peterka (AfD) wandte ein, das „Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe“ der Vereinten Nationen erkläre die Legalisierung von Cannabis für unzulässig. Das sei, so Buschmann, das Ergebnis einer „jahrzehntelang verfehlten Drogenpolitik“, die in vielen Staaten zu falschen Ansichten geführt habe. Allerdings gebe es „vorbildliche Nationen“ wie die Niederlande oder Kanada, die „einen guten Weg hinbekommen“ hätten. „Wenn die das schaffen, kriegen wir das auch hin“, sagte der Minister.
Hier seht ihr die Regierungsbefragung im Video:
(jk)