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Medien Experten warnen: Pressefreiheit in Gefahr

Immer wieder werden Journalistinnen und Journalisten beleidigt, bedroht oder sogar angegriffen – auf der ganzen Welt und auch in Deutschland. Im Ausschuss für Kultur und Medien erklärten Experten, warum das gefährlich ist.

Demonstration, bei der ein Demonstrant ein Schild mit einem Bild von Shireen Abu Akleh hochhält

58 Journalistinnen und Journalisten wurden 2022 getötet, darunter die palästinensisch-amerikanische Reporterin Shireen Abu Akleh, an die ein Demonstrant hier erinnert. © picture alliance/dpa/Ilia Yefimovich

„Zunehmend bedroht und eingeschränkt“

Als Erster sprach im Ausschuss Vito Cecere vom Auswärtigen Amt. Seit Jahren sei zu beobachten, sagte er, wie die Arbeit der Presse „zunehmend bedroht und eingeschränkt“ werde, in manchen Ländern durch „staatliche Repressionen“, aber auch durch „gesellschaftliche Angriffe“. Das Auswärtige Amt betrachte diese Entwicklung mit großer Sorge.

2022 seien 58 Journalistinnen und Journalisten im Kontext ihrer Arbeit getötet worden, so Cecere. Auch in Deutschland sei die Zahl der Angriffe so hoch wie nie. Krisen wie die Pandemie oder der Krieg in der Ukraine führten zu einer aufgeheizten Stimmung, die für Medienschaffende gefährlich sei.

Weil freie Medien aber „essenziell“ seien, sei ein neues Referat für internationale Medienfreiheit gegründet worden, das verschiedene Programme koordiniere. Unter anderem ermögliche die neu gegründete Hannah-Arendt-Initiative bedrohten Journalistinnen und Journalisten aus dem Ausland, ihre Arbeit weiter zu machen.

„Das sollte uns wirklich sehr zu denken geben“

Jan Ole Püschel vertrat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Er sagte, die staatliche Journalismus-Förderung sei eine sensible Angelegenheit, da es für die Pressefreiheit wichtig sei, dass der Staat sich in die Berichterstattung nicht einmische. Deshalb fördere die Bundesregierung den Journalismus strukturell, zum Beispiel durch das Projekt „Journalismus macht Schule“.

Es sei aber leider notwendig, so Püschel, sich mit der Pressefreiheit auch hierzulande zu beschäftigen. Er verwies auf die „Rangliste der Pressefreiheit“, die die Organisation Reporter ohne Grenzen jährlich veröffentlicht. Auf der aktuellen Liste sei Deutschland nicht mehr unter den Top 20. „Das sollte uns wirklich sehr zu denken geben“, mahnte Püschel.

„Bedrohlich, bedrückend, gefährlich“

Mika Beuster vom Deutschen Journalisten-Verband erklärte, die Platzierung Deutschlands auf der „Rangliste der Pressefreiheit“ spiegele das, was viele seiner Kolleginnen und Kollegen täglich erlebten: Morddrohungen, Vergewaltigungsfantasien und Hatespeech in den sozialen Medien, aber auch tätliche Angriffe. 103 körperliche Angriffe habe es im vergangenen Jahr gegen Journalistinnen und Journalisten gegeben. Das sei „bedrohlich, bedrückend, gefährlich“, weil viele Medienschaffende inzwischen Angst davor hätten, frei zu schreiben. „Pressefreiheit ist ein Menschenrecht“, betonte Beuster eindringlich.

„Demonstrationen sind der gefährlichste Arbeitsort für Medienschaffende“

Ähnlich klangen die Schilderungen von Lutz Kinkel vom Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit. Auch nach dem Abebben der Corona-Proteste sei das „Niveau der Gewalt gegen Medienschaffende weiterhin hoch“, mahnte er. Das hänge mit der „weiten Verbreitung von Verschwörungserzählungen“ zusammen, die die Presse als Feind konstituierten.

Die Folge seien Beleidigungen, Bedrohungen und Einschüchterungen, ganz besonders auf Demos. „Demonstrationen sind und bleiben der gefährlichste Arbeitsort für Medienschaffende“, erklärte Kinkel. 80 Prozent der tätigen Angriffe fänden dort statt. „Kann man was dagegen tun?“, fragte er – und gab sich gleich selbst die Antwort: „Na klar!“ Er forderte, Polizei und Medien müssten besser zusammenarbeiten. Außerdem müssten Medienhäuser ihre Angestellten schützen. Aufgabe der Politik sei es unter anderem, die Medienkompetenz zu fördern und so Verschwörungserzählungen entgegenzuwirken.

„86 Prozent der Verbrechen gegen Journalisten bleiben straflos“

Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen erklärte, seine Organisation untersuche für die erwähnte Rangliste weltweit 180 Länder. In 70 Prozent dieser Länder sei die Lage für Medienschaffende „besorgniserregend“. In Europa könnten Journalistinnen und Journalisten zwar nach wie vor weltweit am freisten berichten. Allerdings gebe es „gravierende Unterschiede“ zwischen den europäischen Ländern.

Ein großes Problem sei, dass Angriffe auf Medienschaffende in vielen Ländern nicht geahndet würden. „86 Prozent der Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten bleiben straflos“, so Mihr.

Beispiel Türkei: „Pressefreiheit in den letzten 20 Jahren komplett zerstört“

Der Journalist Bernd Niebrügge, der für die ARD unter anderem aus der Türkei berichtet, erzählte beispielhaft von den Zuständen dort. Pressefreiheit und Medienvielfalt seien in der Türkei in den letzten 20 Jahren „komplett zerstört“ worden. Es gebe „koordinierte Razzien“ gegen Medienschaffende, die festgenommen, kriminalisiert und eingesperrt würden.

Eine Reihe von Gesetzen schränkten Journalistinnen und Journalisten massiv in ihrer Arbeit ein. Sie liefen wegen dieser Gesetze quasi ständig Gefahr, sich etwa der Beleidigung, der Täuschung oder des Terrorverdachts schuldig zu machen. Deshalb werde über manche Themen gar nicht mehr berichtet, beispielsweise über Korruption oder die LGBTQ-Gemeinde.

Hier seht ihr das gesamte Fachgespräch im Video:

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