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Volkstrauertag 2023 Singen für das Gedenken

Jasmin Nimmrich

Es ist Tradition: In der Gedenkstunde zum Volkstrauertag tritt im Bundestag ein deutscher Jugendchor gemeinsam mit dem Musikkorps der Bundeswehr auf. In diesem Jahr war fiel die Wahl auf den Jugendchor des Schweriner Goethe-Gymnasiums. Wir haben uns mit dem Chorleiter Daniel Ortuno-Stuehring über die Vorbereitungen auf den großen Auftritt am 19. November unterhalten.

Eine 70-köpfige Gruppe junger Menschen in dunkelblauen Hoodies mit der weißen Aufschrift Jugendchor.

Der Jugendchor des Goethe-Gymnasiums Schwerin besteht aus 70 Sängerinnen und Sängern. © Jugendchor Goethe-Gymnasium Schwerin

Wie wurde der Jugendchor des Schweriner Goethegymnasiums für den Auftritt anlässlich des Volkstrauertages ausgewählt?

Jedes Jahr tritt zum Festakt am 19. November ein Schulchor im Bundestag auf. Dabei wechselt immer das Bundesland, das den Chor entsendet, entsprechend dem aktuellen Bundesratsvorsitz. In unserem Fall also Mecklenburg-Vorpommern. Und dann wurden wir schlichtweg nur gefragt, ob wir die Zeit hätten, uns auf den Auftritt im November vorzubereiten. Die erste Anfrage erhielten wir, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, vor knapp einem Jahr, die endgültige Zusage kam dann Anfang Mai diesen Jahres. 

Der Chor

Den Jugendchor des Goethe-Gymnasiums Schwerin gibt es bereits seit 1959. Aktuell zählt der Chor 70 Sängerinnen und Sänger aus den Jahrgangsstufen sieben bis zwölf mit einem Altersdurchschnitt von 15,8 Jahren. Die Schülerinnen und Schüler erhalten am Goethe-Gymnasium eine musikalische Ausbildung, die beispielsweise die Stimmbildung sowie den Unterricht an einem Musikinstrument beinhaltet. 

Was hat die Zusage für Ihren Auftritt zur Gedenkveranstaltung im Bundestag für Reaktionen ausgelöst? 

Es war und ist für uns alle weiterhin eine riesige Ehre, für diesen Auftritt angefragt worden zu sein und sich bis hierhin auf diesen vorbereiten zu dürfen. Im Bundestag singen zu dürfen, das ist eine einmalige Gelegenheit und der gesamte Chor ist erfüllt von Vorfreude. Die eigentliche Zusage für unseren Auftritt hat uns aber mitten in den Vorbereitungen auf den Deutschen Chorwettbewerb erreicht. Da waren alle eher erschöpft und die Jubelschreie, mit denen ich gerechnet hatte, blieben aus. Auch die mediale Aufmerksamkeit, die wir im Rahmen des Auftritts zum Volkstrauertag erhalten, ist für uns alle neu. Das war, ist und bleibt alles ganz schön aufregend. 

Und inwieweit macht sich diese Aufregung in den Vorbereitungen bemerkbar? 

Bei jeder Probe merke ich, wie wichtig allen Chormitgliedern ist, dass wir am 19. November den bestmöglichen Auftritt hinlegen. Die Konzentration, die die Sängerinnen und Sänger an den Tag legen, ist enorm, und allen ist es wichtig, dass alles sitzt, schließlich singen wir das Programm auch auswendig. Uns ist bewusst, dass dieser Auftritt staatstragend und die Bühne, die uns der Bundestag bietet, etwas sehr besonderes ist. Vor dem Auftritt, aber auch vor dem Publikum, das uns im Plenarsaal zuhören wird, haben wir auf jeden Fall Respekt. 

Wie wurde entschieden, welche Lieder der Chor singen wird?

Ab dem Moment der Zusage habe ich als Chorleiter angefangen zu überlegen, welche Lieder für unseren Chor geeignet, aber auch dem Anlass des Volkstrauertages entsprechend sind. Die erste Idee war, verschiedene Jahrhunderte zu beleuchten, also ein Stück aus der Romantik, eines aus der Renaissance und auch etwas Modernes. Dann kristallisierte sich aber heraus, dass die schwedische Kronprinzessin im Rahmen der diesjährigen deutsch-schwedischen Partnerschaft an der Gedenkstunde teilnehmen wird. Daher sollte sich der Schweden-Bezug der Veranstaltung auch in der Auswahl der Stücke wiederfinden. Mit „Biskop Thomas Frihetssång" werden wir diesem hoffentlich gerecht. Außerdem erreichten mich von verschiedenen Stellen auch Wünsche, so vom Volksbund der Deutschen Kriegsgräberfürsorge den Titel „I’m Dreaming of Home" aus dem Film „Joyeux Noël” in das Programm aufzunehmen. Diesen mussten wir dann erst noch für einen sechsstimmigen Chor arrangieren. 

Und von Ihren ersten Ideen sind wie viele Stücke übrig geblieben? 

Mit „Peace, I leave with you" von Martin Åsander ist nur ein Stück von meinen Ursprungs-Überlegung im finalen Programm enthalten. Aber das Programm ist jetzt viel politischer und wird dem Anlass des Gedenkens und den Anwesenden mit Sicherheit sehr gerecht. So wird der Chor, in Anbetracht des anhaltenden Krieges in der Ukraine, auch eine Strophe auf Ukrainisch singen. Dafür haben wir die Unterstützung der Großmutter von einer unserer Sängerinnen erhalten, die selbst vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet ist. 

Damit setzen Sie wirklich einige politische Zeichen. In welcher Form hat es diese politische Bedeutung in den Probesaal geschafft?

Teil unseres Programms, das wir zusammen mit dem Musikkorps der Bundeswehr aufführen werden, wird auch die Deutsche Nationalhymne sein. Und da fängt es für manche Sängerinnen und Sänger schon an, dass sich dieser Auftritt von anderen unterscheidet. Da stellen sich dann beispielsweise Fragen, ob während des Singens der Hymne auch die Hand aufs Herz gelegt oder zum Anlass des Volkstrauertages den gesamten Auftritt über traurig geguckt werden muss. Über diesen Beispielen schweben dann natürlich auch Fragen, wem denn am Volkstrauertag überhaupt gedacht wird und wer der Verband Deutsche Kriegsgräberfürsorge genau ist. Über all das haben wir im Rahmen der Vorbereitungen ausführlich aufgeklärt. 

Wie politisch ist der Schweriner Schulchor generell?

Für politische Veranstaltungen relevant geworden ist unser Chor wahrscheinlich durch einen vergangenen Auftritt zum 9. November, bei dem wir Werke von jüdischen Komponisten aus Mecklenburg-Vorpommern gesungen haben. Seitdem werden wir immer mal wieder zum Singen eingeladen. So haben wir im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern bereits für eine Europakonferenz gesungen und bald wird uns die Bildungsministerin aus Schwerin für ein Konzert besuchen. 

Nun sind es nur noch ein paar Tage hin. Wie wird das Wochenende rund um den Volkstrauertag für den Chor ablaufen?

Wir werden schon am Freitag nach Schulende anreisen und im Jugendgästehaus der Bundesregierung übernachten. Und ab da ist das Wochenende straff getaktet. Einen Großteil der Zeit werden die Proben, auch zusammen mit dem Orchester der Bundeswehr, einnehmen. Außerdem werden wir einen Vortrag vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge zu deren Arbeit erhalten, ein paar Probeaufnahmen machen und eigentlich nur zum Schlafen zurück in die Herberge fahren. Nach Ende der Gedenkveranstaltungen geht es dann für uns gleich wieder zurück nach Schwerin und am Montag fängt die Schule wieder an. Also ein Wochenende lang volles Programm!

Der Gesprächspartner

Daniel Ortuno-Stuehring ist gelernter Kirchenmusiker und Musikwissenschaftler und Leiter des Jugendchores des Schweriner Goethe-Gymnasiums. Neben dem Chor ist er Fachreferent für Musik im Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern. 

Die Gedenkveranstaltung am 19. November 2023

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