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Im Plenum Debatte zum Tod von Alexej Nawalny

Naomi Webster-Grundl

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist in einem sibirischen Straflager gestorben. Welche Rolle spielte Putin dabei? Und welche Konsequenzen sollte Deutschland ziehen? Darüber diskutierten die Abgeordneten im Plenum.

Ein Schwarz-Weiß-Foto von Alexej Nawalny umringt von Blumen.

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist am 16. Februar 2024 in einem sibirischen Straflager gestorben. © IMAGO/GE-Foto

Nach Angaben der russischen Justiz ist der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny am Freitag, den 16. Februar 2024, in einem sibirischen Straflager gestorben. Diese Nachricht erschütterte Menschen auf der ganzen Welt. Nachdem Nawalny 2020 einen Giftanschlag überlebt hatte und sich davon in Berlin erholt, kehrte er 2021 nach Russland zurück, obwohl er dort zur Fahndung ausgeschrieben war. Seitdem befand er sich in Haft. Im Dezember 2023 war der 47-Jährige in das sibirische Straflager verlegt worden, das für seine drastischen Haftbedingungen berüchtigt ist. Angaben zu einer genauen Todesursache oder offizielle Obduktionsberichte gibt es bislang nicht. Auch unklar ist, wo sich Nawalnys Leichnam befindet.

Der Bundestag hat am 21. Februar 2024 auf Verlangen der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in einer Aktuellen Stunde über das Thema „Repressionen, Verfolgung, Willkürjustiz – Folgen aus dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny“ debattiert.

Bündnis 90/Die Grünen: „Angst ist das Geschäftsmodell des Kremls“

Omid Nouripour, Außenpolitiker und Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, erklärte in seiner Rede: „Angst ist das Geschäftsmodell des Kremls, Mut ist der natürliche Feind.“ Alexej Nawalny sei im Fadenkreuz gestanden, weil er den Mut hatte, einen Kampf gegen Korruption zu führen und die Schwächen der russischen Diktatur darzustellen. Trotz Lebensgefahr sei er nach Russland zurückgekehrt, weil er seine Arbeit fortführen wollte. Doch diese Arbeit Nawalnys sei eine zu große Gefahr für Putin und sein System gewesen. „Deshalb wurde er politischer Gefangener und deswegen trägt Putin mindestens politisch vollumfänglich die Verantwortung für die Ermordung von Alexej Nawalny“, so Nouripour. Putin lasse nicht nur in Russland politische Gegner verfolgen, unterdrücken und einsperren und bekämpfe seine eigene Bevölkerung. Er sei dankbar, dass sich Außenministerin Annalena Baerbock für neue Sanktionen einsetze, erklärte er. „Wir sind verpflichtet, der demokratischen Zivilgesellschaft Russlands beizustehen!“ Das Vermächtnis von Nawalnys Mut habe er an seine Frau Julija Nawalnaja weitergegeben: Der Kampf gehe weiter. Nouripour schloss seine Rede mit dem Gedenken an alle, die mit ihrem Mut ein Mahnmal im Kampf gegen die Diktatur gesetzt hätten.

CDU/CSU: „Nawalny blieb auch eingesperrt der gefährlichste Mann für Putin“

Für die CDU/CSU-Fraktion sprach Norbert Röttgen, der ordentliches Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist. „Nawalny ist in einem russischen Straflager grausam ermordet worden. Diese Ermordung war selbstverständlich Chefsache, Putin ist der Täter dieses Mordes. Nawalny blieb für Putin der gefährlichste Mann, auch als er ihn in ein Loch in einem sibirischen Straflager gesteckt hatte“, erklärte Röttgen zu Beginn seiner Rede. Er drückte seine Bewunderung für den Mut und die Opferbereitschaft Nawalnys aus. Doch er erklärte auch, dass Widerstandskämpfer wie Nawalny mehr als Bewunderung und Worte verdienten, denn Worte würden Putin nicht beeindrucken. Als Nawalny 2020 vergiftet wurde, sei die Betroffenheit auch groß gewesen, aber es sei nichts passiert. Auch die Einbestellung des russischen Botschafters, wie es jetzt passiert sei, beeindrucke Putin nicht annähernd. Anschließend machte Röttgen Vorschläge für Konsequenzen, die aus seiner Sicht einen wirklichen Effekt auf Putin hätten: Deutschland müsse es als politisches Ziel benennen, dass Putin den Krieg in der Ukraine verlieren müsse. Die Unterstützung der Ukraine mit Munition und Waffen müsse jetzt hochgefahren werden. Die Lücken und Löcher im europäischen Sanktionssystem müssten geschlossen werden. Und die westlichen Länder sollten das eingefrorene russische Staatsvermögen von 300 Milliarden Dollar einziehen und für die Verteidigung und den Wiederaufbau der Ukraine verwenden. Dies sei eine Frage von elementarer Gerechtigkeit. Die Gesetze, die man für diesen Vorgang erlassen müsste, sollten „Nawalny-Gesetze“ genannt werden.

SPD: „Der Mörder heißt Wladimir Putin“

Frank Schwabe, Sprecher der SPD-Fraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, erklärte: „Alexej Nawalny wurde ermordet und der Mörder heißt Wladimir Putin.“  Er sprach Nawalnys Witwe Julija Nawalnaja sein Mitgefühl aus und betonte seinen Respekt für die Lebensleistung ihres Mannes. Er empfahl das Buch „Mord im Tiergarten: Putins Staatsterror in Europa“ und wies darauf hin, dass Putin schon viele andere Regime-Gegner habe umbringen oder gefangen nehmen lassen. „Auch wenn wir Russland aus guten Gründen aus dem Europarat geworfen haben, ist Russland verpflichtet die Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen und das heißt, all diese politischen Gefangenen freizulassen“, so Schwabe. Er forderte weitere Sanktionen gegen das russische Regime und dass alles getan werden müsse, um der Ukraine zum Sieg zu verhelfen. An seinen Vorredner Norbert Röttgen gewandt, wies er darauf hin, dass Deutschland eine führende Rolle bei der Unterstützung der Ukraine einnehme. Er mahnte auch innenpolitisch zur Verantwortung: „Wir müssen unsere Sicherheitsbehörden anhalten, wachsam zu sein, weil russische Geheimdienste auch in Deutschland unterwegs sind.“ Außerdem müsse Deutschland alles tun, damit Mutige, die gegen das russische Regime aufstehen, hier auch sicher Asyl bekämen.

AfD: „Der Kern einer jeden Demokratie ist die Opposition“

Der menschenrechtspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Jürgen Braun, erklärte in seiner Rede: „Der Kern einer jeden Demokratie ist die Opposition, nicht die Regierung.“ Denn Regierungen gebe es auch in Ländern wie China, Nordkorea oder dem Iran, aber Oppositionen gebe es nur in Demokratien. Russland sei mit dem Tod Nawalnys seines wichtigsten Oppositionellen beraubt worden. „Für seinen Kampf musste er zuerst mit seiner Gesundheit, dann mit seiner Freiheit und schließlich mit seinem Leben bezahlen“, so Braun. Er erklärte außerdem, ihm erscheine die Anteilnahme der Ampelparteien und der Union am Tod Nawalnys mehr als fragwürdig, da dieser Patriot gewesen sei, der gegen Korruption und die Erosion des Rechtsstaates, aber auch gegen Überfremdung gekämpft und illegale Einwanderung und die Ausbreitung des Islam auf russischem Boden kritisiert habe. Aber natürlich solle man sich für jemanden einsetzen, der unrechtmäßig verfolgt oder in Haft ist, auch wenn man dessen Überzeugungen nicht teile.

FDP: „Im heutigen Russland gibt es keine Menschenrechte mehr“

Für die FDP sprach Renata Alt, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Sie erklärte: „Mit Nawalnys Tod stirbt auch die Hoffnung auf ein wundervolles Russland der Zukunft, an das er geglaubt und das er zu schaffen versucht hat.“ Im heutigen Russland sei kein Platz für prodemokratische Zivilgesellschaft, denn Putins Regime bringe diesen Menschen nichts als Hass und Gewalt entgegen. „Nicht mal Trauer um Alexej Nawalny ist in Russland möglich: Wer Blumen niederlegen will, wird verhaftet und für mehrere Tage eingekerkert“, so Alt. „Im heutigen Russland gibt es keine Menschenrechte mehr, jeder Kritiker wird zum Schweigen gebracht. Das Schlimmste ist: Es war abzusehen.“ Deutschland dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Auf Putins Verbrechen sei nie mit wirksamen Konsequenzen reagiert worden. „Die Naivität Deutschlands und der EU im Umgang mit Putins Russland hat Leben gekostet, das darf sich nie wiederholen.“ Sie forderte unter anderem, dass es im Zusammenhang mit der von Nawalny aufgedeckten Korruption zu mehr personenbezogenen Sanktionen durch die EU kommen müsse und die Ukraine mit allen Kräften unterstützt werden müsse. „An der ukrainischen Front entscheidet sich das Schicksal der Freiheit in ganz Europa.“ Alt schloss ihre Rede mit folgenden Worten: „Heute will ich den Anhängern von Alexej Nawalny, mutigen russischen Oppositionellen, Journalistinnen und Journalisten zurufen: Verliert nicht die Hoffnung, gebt nicht auf – Russland wird frei sein.“


Die Debatte in voller Länge könnt ihr euch in der Mediathek des Bundestages anschauen.

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