Zum Inhalt springen

Damals mit 15... „Eine zauberhafte Zeit“

Uli Grötsch (SPD) war 15, als Deutschland wiedervereinigt wurde. Damals hat er zum ersten Mal gespürt, was Politik bewirken kann. Hier erinnert er sich an seine ersten Kontakte zu Tschechien nach der Grenzöffnung.

Abgeordneter Uli Grötsch im Porträt

„Wir sind ein Land und wollen es bleiben – so sollten wir auch miteinander umgehen“, sagt Uli Grötsch (SPD). Foto: Susie Knoll

Am 3. Oktober 1990 waren Sie 15 Jahre alt. Wie haben Sie die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt?

Das war eine ganz zauberhafte Zeit. Ich habe damals zum ersten Mal Weltpolitik so richtig gespürt. Vorher hatte ich mich nicht für Politik interessiert. Wahrscheinlich waren die Ereignisse damals einer der Auslöser für mich zu erkennen, was Politik bewirken kann. Dass Politik auch die unterschiedlichsten Weltanschauungen und Systeme zueinander bringen kann. Willy Brandt hat es damals so ausgedrückt: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.“ So habe ich es auch empfunden.

Sie kommen aus Ostbayern, das grenzt an Tschechien. Welche Rolle hat diese Nachbarschaft damals gespielt?

In meiner Kindheit gar keine. Das war einfach der „Eiserne Vorhang“, genau so haben wir ihn wahrgenommen. Aber dann wurde er durchtrennt, die Grenzen wurden geöffnet. Zu diesem Anlass kam der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu uns ins Dorf. Ich habe damals im Orchester gespielt und wir haben ihn mit Musik begrüßt – das war das Jahrhundertereignis in meiner Heimatgemeinde.

Und dann war die Grenze offen. Man ist rübergefahren, hat das Land erkundet, hat die ersten Tschechen kennengelernt, es haben sich Freundschaften gebildet. Und man hat festgestellt, dass man gar nicht so weit voneinander entfernt ist – nicht nur mit Blick auf die geografische Lage, sondern auch was die ganze Art zu leben angeht.

Was hat sich in Ihrer Heimat in den letzten 30 Jahren verändert?

Es ist selbstverständlich geworden, dass Tschechen bei uns arbeiten – und umgekehrt. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, in der Tschechien Mitglied der EU wurde. Damals, 2004, hatten bei uns alle Angst, dass die tschechischen Arbeitnehmer unseren Arbeitsmarkt überschwemmen. Nach ein paar Jahren hat man dann festgestellt, dass das überhaupt nichts Bedrohliches hat, sondern dass sich das super ergänzt. So sind wir eine Region geworden.

Was denken Sie: Wie weit ist die Deutsche Einheit vollzogen?

Solange wir noch „die neuen Bundesländer“ sagen, so lange ist die Deutsche Einheit nicht vollzogen. Wenn Sie mich 1990 danach gefragt hätten, wie der Zustand der Deutschen Einheit 2020 sein würde, hätte ich sicher ein rosigeres Bild gemalt. Aber es sieht so aus, als bräuchte dieses Projekt Generationen.

Aber immerhin, ich erkenne eine Entwicklung: Meine Töchter sind 13 und 15, und die reden von „Sachsen-Anhalt“ oder „Thüringen“ im gleichen Ton wie sie „Schleswig-Holstein“ oder „Nordrhein-Westfahlen“ sagen.

Was haben wir noch vor uns? Und was ist Ihnen dabei wichtig?

Ich glaube schon, dass es da noch ganz viel zu tun gibt. In Bundesländern wie Sachsen sind quasi ganze Landstriche leergefegt worden durch die massive Abwanderung. Dagegen müssen wir etwas tun.

Wir müssen außerdem den Menschen in den östlichen Bundesländern das Gefühl geben, dass sie genauso dazu gehören wie alle anderen. Vor allem die älteren Menschen haben die DDR ja als ihr Land gesehen, das man ihnen dann weggenommen hat.

Was werden Sie am 3. Oktober machen?

Ich gehe auf eine Einheitsveranstaltung in meiner Heimatstadt. Ich hoffe, dass ich dort auch ein paar Sätze sagen darf. Darin werde ich dafür werben, dass man die Menschen aus den östlichen Bundesländern nicht als ‚die Neuen‘ sieht. Wir sind ein Land und wollen es bleiben – so sollten wir auch miteinander umgehen.

Über Uli Grötsch

Uli Grötsch, 45, hat nach der Schule eine Ausbildung zum Polizeibeamten. Er arbeitete als Polizist in Bayern, unter anderem an der Grenze zu Tschechien, bevor er für die SPD in den Bundestag einzog. Dort ist er Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat und im Parlamentarischen Kontrollgremium. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

Mehr zum Thema