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EU-Wahlen Angriff aus dem Cyberspace

Wen interessieren eigentlich Wahlplakate? Sie werden oft beschmiert oder abgerissen. Die Einflussnahme über soziale Medien ist da viel effektiver. Wer steckt dahinter? Darum ging es – mit Blick auf die Europawahl am 26. Mai – im Ausschuss Digitale Agenda.

Handy fotografiert Zeitung.

Fake oder Fakten - nicht immer leicht zu erkennen © picture alliance/Bildagentur-online

Keine Angst vor schweren Wörtern

"Resilienz von Demokratien im Kontext der im Mai anstehenden Europawahlen". Das war Thema im Ausschuss Digitale Agenda. Was zunächst schwer klingt, ist eigentlich nicht so kompliziert und spannend noch dazu. Resilienz ist (in der Soziologie) die Fähigkeit von Gesellschaften, externe Störungen zu verkraften. Gemeint ist also die Widerstandsfähigkeit gegen Falschnachrichten und Propagandakampagnen zum Beispiel im Vorfeld von Wahlen, wie jetzt der Europawahl im Mai. Denn "Meinungsbildung und Meinungsmanipulation liegen oft eng beieinander", sagte Hansjörg Durz (CDU/CSU), der Vorsitzende des Ausschusses.

Wirkung wird überschätzt

Dr. Simon Hegelich (Hochschule für Politik München) war einer von sechs geladenen Experten bei dem Fachgespräch am 10. April. Er erinnerte daran, dass es auch vor der letzten Bundestagswahl 2017 in den sozialen Medien Desinformationskampagnen gegeben habe. Damals war man darauf schlecht vorbereitet und das Ausmaß der Kampagnen war höher als gedacht. "Es sind koordinierte Kampagnen, in denen über unterschiedliche Strategien versucht wird, Verunsicherung zu schüren oder das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben", erklärte der Wissenschaftler. Gleichzeitig werde die Wirkung aber auch überschätzt. Denn: Damit solch eine Kampagne erfolgreich sein kann, braucht es erstmal genug Follower und zwar über die verschiedenen Plattformen hinweg.

Problematisch sei allerdings, dass die Kampagnen weder eindeutig am Inhalt zu erkennen seien noch an den benutzten Accounts oder den handelnden Personen. Wirksam seien solche Manipulationskampagnen am ehesten dann, wenn es um Themen gehe, bei denen viele meinen, mitreden zu können: Anti-Political-Correctness, Migration und Religion.

Daten für die Forschung

Prof. Dr. Martin Emmer vom Deutschen Internet-Institut meinte, wichtig sei, dass die Bürger ihre digitalen Kompetenzen ausbauten, um manipulative Kampagnen erkennen zu können. Er beklagte aber auch den aktuell dürftigen Forschungsstand in Bezug auf das noch recht neue Phänomen. Um das zu ändern, müssten sich die Plattformen verpflichten, bestimmte Daten für die Forschung offenzulegen.

Keine fremden Mächte am Werk

Lisa-Maria Neudert vom Oxford Internet Institute schaute auf die Absender: "Die Quellen politischer Desinformation in Deutschland sind nicht fremde Mächte, sondern heimische Outlets, die aus politischen und wirtschaftlichen Motiven handeln." Aber auch russische staatliche Medien seien mit hunderttausenden Abonnenten in Deutschland sehr stark vertreten. Eine weitere Gefahr stellten Social Bots dar, die Debatten weiter anheizten. Eine Forschung sei mit den zur Verfügung stehenden Daten nur schwer möglich, sagte Neudert, und Sorgen mache ihr die Abwanderung von Desinformation in Netzwerke, die privat sind, also zum Beispiel WhatsApp.

Abrüstung im Cyber-War

Dr. Sandro Gaycken, Direktor des Digital Society Institute (ESMT Berlin), betonte hingegen, dass soziale Netzwerke nachweislich für Manipulation genutzt würden. Oftmals gehe es darum, die Legitimität, also Rechtmäßigkeit, demokratischer Prozesse anzugreifen und Uneinigkeit zu erzeugen. "Die Wahlen in Europa sind technisch angreifbar", sagte Gaycken. Hilfreich könne es auch sein, die Quellen für Falschinformationen eindeutig zu benennen, denn das mögen die entsprechenden Akteure gar nicht. Allerdings sei das nicht immer so einfach.

Medienkompetenz fördern

Karolin Schwarz, freie Journalistin und Fact-Checkerin, erklärte: "Irreführenden Meldungen kursieren schon seit dem Sommer 2015, und Manipulationskampagnen kommen nicht nur vor dem Urnengang vor, sondern sind oftmals auch eine langfristige Beeinflussung." Eine einzelne Lösung gebe es daher nicht, sagte sie und warnte davor, dass Anti-Fake-News-Gesetze zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen könnten. Auch Schwarzer sprach sich dafür aus, die Medienkompetenz der Bevölkerung zu fördern – nicht nur in der Schule. Und sie sprach sich für mehr Transparenz in der Politik aus, das diene der "Stärkung der digitalen Zivilgesellschaft und Zivilcourage".

Verstehe das Internet!

Alexander Sängerlaub von der Stiftung Neue Verantwortung e.V. findet es ebenfalls gut, wenn die Leute mehr Ahnung haben. "Die Bürger müssen ermutigt werden, neue Kompetenzen und Skills zu lernen. Zu verstehen, wo eine Quelle herkommt". Das Desinformationsproblem werde nicht verschwinden, doch es gebe Aspekte bei dem Thema, die die Demokratie noch resilienter, also widerstandsfähiger machen könnten, sagte Sängerlaub weiter.

Wer noch mal so richtig in das Thema eintauchen möchte, sollte sich den Video-Mitschnitt des Fachgesprächs anschauen.

(DBT/ah)

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