Zum Inhalt springen

Serie: Kunst im Büro Bild vom Feuermelder

Aus der Kunstsammlung des Bundestages hat Cem Özdemir sich nicht bedient. Dafür hat er Wahlplakate der Grünen und Gemälde von Ex-WG-Mitbewohnern in seinem Büro hängen. Was er damit verbindet, lest ihr hier.

Das Plakat des Berliner Theaters Ballhaus Naunynstraße erregt häufig Aufmerksamkeit bei Özdemirs Gästen. © Lina Verschwele

Welche Werke haben Sie in Ihrem Büro aufgehängt?

Da ist zum einen ein Wahlplakat der Grünen, das der Künstler Joseph Beuys entworfen hat. Zum anderen Bilder von Menschen, mit denen mich etwas verbindet: Mit Nedim Sönmez zum Beispiel wohnte ich in Tübingen in einer WG. Oder Hanefi Yeter, er hat wie ich eine Migrationsgeschichte und verarbeitet das auch in seiner Kunst.

Gegenüber von meinem Schreibtisch hängt immer ein Bild von Mahmut Celayir. So sehe ich, dass es noch etwas anderes gibt als Akten und Papier. Es zeigt eine Landschaft in der Türkei, aus dem Grau sprießen die Farben. Das Bild erinnert an Krieg und Unterdrückung, aber auch daran, dass zwischen der kargen Erde wieder etwas wächst. Das macht mir Hoffnung.

Wie sind Sie auf dieses Bild gekommen?

Celayir lebte in Stuttgart und wir kannten uns schon, bevor ich das erste Mal gewählt wurde. Damals sagte ich: Wenn ich in den Bundestag einziehe, kaufe ich ein Bild von dir. Er war dann einer der ersten, der mir gratulierte und fragte: Wann holst du dein Bild ab? Seit 1994 hat es immer in meinen Büros gehangen. Es ist eine Erinnerung an meinen Wahlkreis Stuttgart, obwohl es die Türkei darstellt.

Wie reagieren Kollegen und Freunde auf die Bilder in Ihrem Büro?

Am spannendsten ist das beim Plakat des Ballhaus‘ Naunynstraße. Es zeigt ein geschächtetes Schaf und eine Frau, die sich damit leicht bedeckt. Mir gefällt es, weil es mit Vorurteilen spielt und beiden Seiten den Spiegel vorhält. Einerseits kritisiert es Rassismus. Andererseits aber auch eine Macho-Kultur und veraltete Vorstellungen in der Religion. Oft sitze ich ein paar Meter daneben, die Blicke der Gäste hängen aber an diesem Plakat.

Auch auf den Fluren im Bundestag gibt es viele Kunstwerke. Was halten Sie von denen?

Ich finde viele toll und zeige sie gern Besuchern. Manchmal mache ich mir einen Spaß daraus, zum Beispiel beim Werk von Christian Boltanski. Dort haben alle Abgeordneten bis 1999 eine Kiste mit ihren Namen darauf. Also auch ich, weil ich ja 1994 das erste Mal gewählt wurde. Manchen Gästen erzähle ich dann, jeder Abgeordnete könne sich am Ende dort in seiner Kiste bestatten lassen. Das sei für mich als Schwabe eine günstige Alternative. Bislang haben mir alle geglaubt. Natürlich decke ich den Scherz hinterher auch wieder auf. So kommt man jedenfalls gut ins Gespräch über dieses Werk und die Kunst insgesamt.

Welche Rolle spielt Kunst für Sie allgemein?

"Kunst ist erst dann interessant, wenn wir vor irgendetwas stehen, das wir nicht gleich restlos erklären können", hat der Aktionskünstler Christoph Schlingensief gesagt. Das trifft es gut, finde ich.

Wann haben Sie Kunst für sich entdeckt?

Als ich noch in der Realschule war, haben wir mal einen Ausflug in die Staatsgalerie in Stuttgart gemacht. Dort sollte sich jeder ein Kunstobjekt aussuchen und das abmalen. Es gab zum Beispiel Bilder des berühmten Malers René Magritte. Ich habe aber den Feuermelder abgemalt. Warum? Weil mein Vater damals bei der Firma gearbeitet hat, die diese Feuermelder herstellte. Trotzdem war die Lehrerin außer sich vor Wut. Sie hatte wohl noch nie etwas von der Kunstrichtung des Realismus gehört (lacht).

Zur Person:

Cem Özdemir, 53, saß von 1994 bis 2002 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Nach Jahren in den USA und in Brüssel kehrte er 2008 ins Parlament zurück. Er wurde 1965 in Bad Urach geboren, in der Nähe seines heutigen Wahlkreises Stuttgart. Özdemir ist im Bundestag Mitglied im Verkehrsausschuss.

Mehr zum Thema