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Regierungsbefragung Brexit, Putin und G20

Eine Stunde lang ließ sich Bundeskanzlerin Merkel im Bundestag von Abgeordneten befragen. Dabei ging es vor allem um die große Weltpolitik. Und um BEPS.

Angela Merkel bei einer Rede

Merkel nahm zum zweiten Mal in diesem Jahr an einer Regierungsbefragung teil. Damit ist sie ganz weit vorn: Frühere Bundeskanzler hatten das gar nicht getan. © picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa

Große Weltpolitik

Brexit, Putin, das Verhältnis zu den USA – am 12. Dezember wurde im Bundestag am ganz großen Rad gedreht. Anlass war eine Regierungsbefragung, bei der auch die Kanzlerin Rede und Antwort stehen musste. Ebenfalls mit dabei: BEPS. Was ist das denn? Erklären wir auch gleich. Aber erst mal der Reihe nach.

Ein "gewisses Maß an Zufriedenheit"

In ihrem Statement zu Beginn der 60-minütigen Befragung im Bundestag berichtete Dr. Angela Merkel (CDU) zunächst über die Ergebnisse des G20-Gipfeltreffens, das kürzlich in Buenos Aires, Argentinien stattgefunden hat. G20 sind die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt. Wichtig sind sie, weil sie wirtschaftlich einigermaßen bedeutend sind. Deshalb ist auch die Abschlusserklärung eines solchen Gipfels bedeutend und Merkel zeigte sich erleichtert, dass es überhaupt eine gibt: "Die Verhandlungen waren extrem schwierig und extrem lang", sagte Merkel im Rückblick auf den 50-stündigen Verhandlungsmarathon. Über das Ergebnis gebe es ein "gewisses Maß an Zufriedenheit", erklärte die Kanzlerin.

Kein prima Klima

In der Erklärung haben sich die Staaten unter anderem dazu verpflichtet, gemeinsam eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) voranzutreiben. "Wir haben es zudem geschafft, eine gemeinsame Erklärung von 19 Staaten zum Klimaschutz zu fassen", so die Kanzlerin. Dies geschah im Vorfeld der UN-Klimakonferenz von Katowice, die morgen endet.

Dort ist unter anderem die Frage strittig, ob die Weltgemeinschaft die Erde um zwei Grad oder "nur" um 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Durchschnittswert erwärmen soll. Der Unterschied klingt geringfügig, hätte aber einen gigantischen Mehraufwand an Klimaschutzmaßnahmen zur Folge. Anerkannte Forscher warnen aber, dass zwei Grad bereits katastrophale Folgen haben könnten. Zudem sind die USA gerade aus dem Klimaschutzabkommen ausgestiegen.

Brexit is coming

Neben der Welt- und Klimapolitik sprach Merkel auch über das bevorstehende Treffen des Europäischen Rates am 13. und 14. Dezember 2018 in Brüssel. Abgesehen vom Brexit würden sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder vor allem mit der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion befassen. Letzteres machte den Abgeordneten aber erst mal weniger Sorgen als der Brexit, also der geplante Austritt Großbritanniens aus der EU.

Bei diesem Austrittsprozess geht es gerade drunter und drüber. Die britische Premierministerin Theresa May hat die Abstimmung in ihrem Parlament über ein Austrittsabkommen gerade verschoben, weil das diesem Deal wohl nicht zustimmen würde. Die EU ist andererseits nicht bereit, dem Königreich weiter entgegenzukommen, wie Merkel im Bundestag erläuterte.

"Hass und Zwietracht"?

Das wiederum findet Markus Frohnmaier (AfD) unfair. Er warf der Kanzlerin vor, mit dem Austrittsabkommen das "britische Volk" für seine "demokratische Entscheidung zu bestrafen". So müssten die Briten zum Beispiel "39 Milliarden Pfund" an Beiträgen zahlen, ohne noch EU-Mitglied zu sein. "Das Abkommen streut Hass und Zwietracht im Vereinigten Königreich – sieht so ein europäisches Friedensprojekt aus?" Merkel hielt ihm entgegen, seine Anschuldigungen seien sachlich falsch. In der Übergangsphase bis Ende 2020 müsse Großbritannien eben noch ein paar gemeinsame Regeln befolgen und für die Zeit danach sei ein "fairer Ausgleich" gefunden worden.

Geordnet oder ungeordnet?

Alexander Graf Lambsdorff (FDP) hat Angst vor einem ungeordneten Brexit (also vor einem Austritt ohne Austrittsabkommen) und forderte eine Regierungserklärung Merkels zu dieser Gefahr, um "so mehr Ruhe und Sicherheit in der Debatte" zu schaffen. Das fand die Kanzlerin Quatsch, denn: "Wir berichten doch regelmäßig, wie der Stand der Dinge ist." Die Bundesregierung setze weiterhin auf einen geordneten Austritt, müsse sich aber auch auf einen ungeordneten Austritts Großbritanniens einrichten.

Wie weiter in Syrien

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, macht sich ganz andere Sorgen. Er erkundigte sich, ob die Kanzlerin beim G20-Gipfel die Gelegenheit genutzt habe, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin an seine Zusagen in Bezug auf einen Friedensprozess in Syrien zu erinnern. Russland hatte im Syrienkrieg dem dortigen Diktator Assad quasi zurück an die Macht verholfen und soll nun dabei helfen, in Syrien eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Die Kanzlerin sagte, sie habe mit Putin diesbezüglich telefoniert, aber leider laufe die Sache schleppend. Es gebe aber "eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Besetzung bis Ende des Jahres abgeschlossen ist. Das wäre ein großer Fortschritt."

Maßnahmen gegen BEPS

Kommen wir nun endlich zu BEPS. Das bedeutet BEPS "Base Erosion and Profit Shifting", auf Deutsch etwa Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung. Dies beschreibt also die gängige Praxis, mit der amerikanische Konzerne wie Amazon, Google oder Apple Europa um fällige Steuern betrügen.

Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) wollte von der Kanzlerin wissen, was die Bundesregierung – angesichts des in der G20-Abschlusserklärung thematisierten weltweit fairen Steuersystems – bislang konkret unternommen habe, damit diese Konzerne in Europa und weltweit "endlich fair und gerecht" besteuert würden. Hier verwies Merkel auf das "BEPS-Regime", das nun "schrittweise" eingeführt werde. Dieses führe zu mehr "Transparenz bei der Steuerzahlung und zu mehr Steuergerechtigkeit", so die Kanzlerin. Innerhalb der G20 müsse man nun einfach dranbleiben. "Wir wollen bis 2020 eine internationale Regelung in Kombination mit BEPS erreichen", so Merkel.

Jede Menge Arbeit

Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) hakte hier ein und kritisierte die Europa-Politik der Bundesregierung scharf: "Sie verkaufen Trippelschritte als große Antworten", hielt die europapolitische Sprecherin der Grünen Merkel vor. "Glauben Sie wirklich, dass das, was Sie hier beschreiben, ausreicht angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa steht? Warum nutzen Sie nicht die Chance, gemeinsam mit Frankreich ambitioniert nach vorne zu gehen?"

Merkel entgegnete, dass Deutschland sehr wohl mit Frankreich zusammen "ambitioniert nach vorne gehe". Auf dem kommenden EU-Gipfel stünden "wegweisende Entscheidungen" an, so die Kanzlerin, die aber auch durchblicken ließ, dass hier noch ein bisschen was zu tun ist: "Innerhalb der einen Minute, die mir hier zur Beantwortung der Frage zur Verfügung steht, kann ich bestenfalls ein halbes Prozent unserer Arbeit darstellen." Wir erinnern uns mal wieder daran: Politik braucht viel Geduld.

(DBT/ah)

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