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Enkel-Oma Gespräch zur Rente „Ich habe großes Glück gehabt“

Hanna Kazmirowski

Hannas Oma ist seit 20 Jahren in Rente. Wie kommt sie zurecht, was denkt sie über die geplante Grundrente und Altersarmut? Hanna hat sie befragt und einige überraschende Antworten bekommen.

Porträt einer Oma mit ihrer Enkelin.

„Der Begriff Altersarmut ist mir zu schwammig“, sagt Hannas Oma Marianne. © privat

Oma, du hast im Jahr 2000 aufgehört zu arbeiten. Wie denkst du seitdem über das Thema Rente?

Ich kann nur aus Sicht einer Ostdeutschen mit DDR-Vergangenheit etwas über die Rente sagen, denn im Westen habe ich nie gelebt. Ich hole mal ein bisschen aus: Meine Generation, also die über 80-Jährigen, hatte in der DDR nur eingeschränkt die Möglichkeit, eine höhere Bildung zu erlangen. Damals ging die Grundschule bis zum 8. Schuljahr und Gymnasien – die hießen damals noch Oberschulen – gab es nur wenige. Die meisten aus meiner Klasse, zumindest die Mädchen, haben kein Abitur gemacht, sondern sind Schneiderinnen, Verkäuferinnen oder Sachbearbeiterinnen. Das sind alles Berufe, die sehr schlecht bezahlt wurden. Wer so eine Arbeit hatte, bekommt jetzt natürlich eine sehr kleine Rente.

Aber du warst ja eine der wenigen, die das Abitur gemacht hat und studieren konnte. Du bist sogar Ärztin geworden. Hattest du da nicht von Anfang an eine günstige Ausgangssituation?

Naja, als Ärztin habe ich in den ersten Jahren noch nicht viel verdient. Das Gehalt damals ist gar nicht vergleichbar mit dem heutigen. Es stieg dann aber nach und nach an.

Wie erklärst du dir Altersarmut in Deutschland? Nicht jede wurde ja Schneiderin oder Verkäuferin. Und arme männliche Rentner gibt es ja auch.

Früher sind viele Frauen gar nicht arbeiten gegangen. Das war in der Gesellschaft einfach noch nicht so üblich, viele haben sich zu Hause um Kinder und Haushalt gekümmert. Und auch viele Männer haben keine gut bezahlten Berufe gehabt. Dein Opa auch nicht, obwohl er ein Akademiker war. Denn zu DDR-Zeiten verdiente man generell nicht viel. Und dann folgten um die Wendejahre 1989/1990 herum auch noch viele Kündigungen und Betriebsschließungen, weshalb die Menschen auch wieder weniger verdienten. Wenn man in seinen Arbeitsjahren wenig Gehalt bekommt, kann man natürlich auch nur wenig in die Rentenkasse einzahlen und hat dann dementsprechend im Alter wenig finanziellen Spielraum.

Findest du die Grundrente also eine gute Idee?

Ja, es ist sehr gut, dass zum Beispiel die, die zu DDR-Zeiten trotz 35 Jahren Arbeit so wenig verdient haben, eine aufgestockte Rente bekommen sollen. Die haben so eine finanzielle Hilfe verdient. Aber ich kann auch nicht pauschal sagen, dass ich die Grundrente für jeden, der sich arm fühlt, angemessen finde. Überhaupt stellt sich mir die Frage, was genau Altersarmut ist. Der Armutsbegriff ist für mich sehr schwammig, denn er bezieht sich auf eine Zahl, die aus Durchschnittswerten errechnet wird, die ändert sich ja auch mit der Zeit.

Was meinst du damit genau?

Richtig arm waren die Menschen meiner Meinung nach in den Jahren nach 1945. Trotzdem hat da keiner gesagt, er sei arm, denn da hatten ja alle nichts. Jetzt sind die Ansprüche viel höher geworden: Man kann in die ganze Welt reisen, sich schicke Kleidung kaufen und noch viel mehr. Ich denke, es kommt ganz auf den Lebensstil des Einzelnen an. Bescheidener reisen, einkaufen und essen, das geht ja auch. Essen gehen ist zum Beispiel teuer. Sich selbst essen zu kochen ist dagegen preiswert. Je nachdem, was man als Lebensstandard erwartet, würden sich manche als arm bezeichnen und andere, die finanziell ähnlich gestellt sind, meinen, dass sie gut zurechtkommen. Manche haben nicht viel Geld und sagen trotzdem „Ich bin doch nicht arm!“ Insofern ist das mit der Rente und der Altersarmut ein äußerst schwieriges Thema. Es ist sehr individuell, wer sich arm fühlt und wer nicht.

Aber es gibt doch auch Menschen, die in Mülleimern nach Pfandflaschen suchen. Die sind doch wirklich arm dran.

Schon. Aber man weiß ja auch nie, ob Armut nicht teilweise selbst verschuldet ist. Vielleicht bekommen manche Leute ja sogar ausreichend Geld zum Leben, aber geben es nicht klug aus. Wenn man Geld verschwendet, hat man eine Grundrente nicht unbedingt verdient, für meine Begriffe. Aber hier stellt sich natürlich dann die Frage, wo man die Grenze zur Verschwendung zieht.

Ich sehe das auch so wie du: Sein Geld jahrelang unbedacht auszugeben und dann mehr Geld zu beanspruchen, das von den Steuern bezahlt wird, ist ungerecht den anderen gegenüber. Aber es wäre unfair, alle armen Senioren in einen Topf zu werfen.

Dass ich zu dieser Armutsfrage eine so entschiedene Meinung habe, liegt daran, dass ich nach dem Krieg in meinen Jugendjahren wirkliche Armut kennengelernt habe. Deshalb bin ich etwas gehemmt, heutzutage jemanden „arm“ zu nennen. Die Relation ist einfach eine ganz andere. Heute fühlen sich Kinder vielleicht arm, weil sie sich keine Markenkleidung kaufen können. Früher war man arm, weil man sich gar keine Kleidung leisten konnte.

Kommen wir mal auf dich persönlich zu sprechen: Wie würdest du denn deine finanzielle Lage als Rentnerin einschätzen?

Mir geht es, was die Rente betrifft, sehr gut. Opa und ich haben das große Glück gehabt, dank unseres Alters nach der Wende noch zehn Jahre, also bis 2000, arbeiten zu können. In den Jahren im neuen System ging es besser als zuvor und da haben wir auch mehr verdient als zu DDR-Zeiten. Außerdem bekamen Ärzte in der DDR einen sogenannten „Intelligenz-Bonus“. Dadurch ist meine Rente zum Glück ausreichend.

Kennst du Senioren in deinem Umfeld, die sehr auf ihre Ausgaben achten müssen und die für die Grundrente in Frage kommen würden?

Eigentlich nicht. Meine Bekannten sind alle in einer privilegierten Lage. Die haben alle ein Auto, können sich kulturelle Veranstaltungen leisten und manche besitzen ein eigenes Haus. Wobei ich ein Ehepaar kenne, das vielleicht noch am ehesten zu den eher ärmeren Senioren gezählt werden könnte. Da muss man aber auch dazusagen, dass die beiden eine Eigentumswohnung besitzen. Das ist natürlich ein großer Vorteil, da kann man auch mit einer geringeren Rente auskommen. Man sollte also vor der Auszahlung der Grundrente die Bedürftigkeit überprüfen, denn das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Faktor.

Das Alter des Renteneintritts wird ja immer höher. Du bist mit 63 Jahren pensioniert worden, ich muss später vielleicht noch bis 68 oder sogar 70 arbeiten. Das scheint ziemlich lang. Findest du das besorgniserregend, wenn du an meine Generation denkst?

Wenn ich sehe, wie im Laufe der Jahrzehnte die Lebenserwartung steigt, dann glaube ich, dass es möglich ist, noch ein paar Jahre länger zu arbeiten. Die Lebenserwartung von Frauen liegt zurzeit bei 83 Jahren, die von Männern beträgt etwa 79. Es sei denn, man hat einen körperlich sehr fordernden Beruf, wie etwa im handwerklichen und sozialen Bereich, dann ist das Arbeiten mit 70 bestimmt nicht mehr möglich.

Ich hoffe jedenfalls, dass ich so ein Glück haben werde wie du und mich im Alter nicht um Geld sorgen muss. Ich habe nämlich vor, als Seniorin noch so viel wie möglich zu erleben.

Hannas Oma

Oma Marianne wurde im März 1937 in Görlitz geboren. Sie studierte in Berlin Medizin und wurde dann Kinderärztin in Radebeul, einer Kleinstadt nahe Dresden. Ihr Mann war Chemiker und arbeitete in der Arzneimittelforschung.

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Hanna Kazmirowski

Hanna Kazmirowski studiert Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle und Paris und hat ein Faible für Französisch und Englisch. Wenn sie mal keine Texte schreibt, Podcasts hört oder mit Leuten spricht, macht sie gerne Sport, Fotos oder Musik. Sie freut sich über alle kleinen und großen Dinge, die sie in der Welt und im Alltag neu entdeckt und lernt.

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