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Pro und Contra Impfpflicht – ja oder nein?

Sollen alle, die Schulen oder Kindergärten besuchen, zur Masern-Impfung verpflichtet werden? Eric sagt ja, Gloria ist dagegen.

Pro-Contra-Daumen mit Autoren

Ist Impfen Privatsache? mitmischen-Autoren diskutieren. © shutterstock.om/Roman Bykhalets

Pro

Eric (20): Freiwilligkeit reicht nicht aus

Impfgegner stehen auf einer Stufe mit tödlichen Krankheiten wie Krebs, Aids oder Ebola. Warum ich einen so drastischen Vergleich ziehe? Weil das nicht nur meine Meinung ist, sondern auch die der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die WHO hat im Januar dieses Jahres eine Liste mit den zehn derzeit größten globalen Gesundheitsrisiken veröffentlicht. Neben den bereits erwähnten Krankheiten und Gesundheitsbedrohungen werden dort auch Menschen genannt, die Impfungen verzögern oder eben bewusst verweigern. Bei einer solchen Gefahr ist es die Aufgabe jedes einzelnen Staates, dem entgegenzuwirken – wenn nötig, auch durch Zwang.

Jeder hat Pflichten

Jeder Mensch in Deutschland hat neben seinen Rechten auch Pflichten. Egal ob im Straßenverkehr, in der Schule oder auch im Berufsleben: In allen Bereichen muss man sich an Regeln halten, um so ein friedliches Zusammenleben der über 80 Millionen Menschen in Deutschland gewährleisten zu können. Warum sollte dieser so wichtige Grundsatz und das gegenseitige Pflichtbewusstsein für das Impfwesen nicht gelten?

Masern sind eine hoch infektiöse Krankheit, die, entgegen häufiger Behauptungen, nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene und besonders für alte Menschen sehr gefährlich sein kann und manchmal gar zum Tode führt.

Was wiegt mehr?

Viele Impfgegner berufen sich auf das Selbstbestimmungsrecht und sprechen davon, dass es doch ihre freie und höchstpersönliche Entscheidung sei, ob sie sich und ihre Kinder impfen lassen wollen. Sie behaupten, dass das ansonsten niemanden etwas angehe, da es ja nur ihre eigene Gesundheit betreffe. Das aber stimmt so nicht, da es eine Vielzahl von Menschen gibt, die sich auf Grund ihres Gesundheitszustandes oder ihres Alters nicht gegen Masern impfen lassen können und somit von Impfgegnern infiziert werden könnten.

Somit stehen sich auf der einen Seite das Selbstbestimmungsrecht und auf der anderen Seite das Recht auf Leben und Gesundheit gegenüber. Was sollte nun mehr wiegen? Für mich gibt es keinen Zweifel: Nichts auf der Welt ist kostbarer als die Gesundheit jedes einzelnen Menschen.

Andere haben längst eine Impflicht

Ich finde es ohnehin schwer nachvollziehbar, weshalb dieses von der Bundesregierung initiierte Gesetzesvorhaben ein so großes mediales Echo ausgelöst hat. Unsere französischen Nachbarn haben die Impfpflicht im Jahre 2018 eingeführt, Italien hat sie seit 2017 und sowohl Polen als auch Ungarn verpflichten ihre Bürger sogar schon seit den 60er Jahren. Selbst in Teilen Deutschlands, nämlich in Brandenburg, wurde die Impfpflicht bei Masern vom Landtag bereits beschlossen.

Umfragen zu Folge befürwortet die große Mehrheit der Deutschen eine Impfpflicht. Auf mich wirkt es teilweise so, als würden sich Impfgegner in sektenartigen Gemeinschaften zusammenschließen, um entgegen der wissenschaftlichen Beweise Unwahrheiten zu verbreiten und die Gesellschaft zu verunsichern.

95 Prozent

Eines der elementaren Ziele unseres politischen Systems ist es doch, dass der Staat explizit dort eingreifen und verbessern soll, wo gerade etwas schiefläuft und eine mögliche Gefahr für die Bürger drohen könnte. Genau das ist hier der Fall: Eine Masernepidemie, also eine Massenerkrankung, kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn mindestens 95 Prozent der Bevölkerung sowohl die erste als auch die zweite Impfung erhalten haben. Der aktuelle Wert in Deutschland aber liegt bei rund 92 Prozent.

Das heißt, dass durch Freiwilligkeit der Bürger das Ziel zur Ausrottung der Masern bisher nicht erreicht werden konnte. Wenn gesellschaftliche Herausforderungen auf freiwilliger Basis nicht mehr gelöst werden können, dann muss der Staat in vereinzelten Fällen eben handeln und dies gesetzlich verankern. In diesem Falle ist das dann ein Impfzwang einzelner – zum Wohle aller.

Contra

Gloria (17): Wo bleibt die Freiheit?

Immer wieder werden Forderungen nach einer Pflicht für Impfungen gegen Masern – und auch gegen andere Infektionskrankheiten – laut. Aktuell wird im Bundestag ein Gesetzentwurf diskutiert, der vorsieht, Kinder, die Gemeinschaftseinrichtungen besuchen, und die dortigen Mitarbeiter zur Impfung zu verpflichten.

Gefahr für die Freiheit

Aus rein medizinischer Perspektive könnte eine Impfpflicht durchaus sinnvoll sein: Der sogenannte Herdenschutz gewährleistet, dass Krankheiten besiegt werden. Das heißt: Wenn eine bestimmte Anzahl an Menschen geimpft wäre, würden die Masern nicht mehr ausbrechen. Auch ungeimpfte Menschen wären also geschützt.

Allerdings stellt eine Impfpflicht auch eine nicht unerhebliche Gefahr für die im Grundgesetz verankerte Freiheit jedes Bürgers, jedes Menschen dar. Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Millionen von Bürgern wäre verfassungsrechtlich sehr bedenklich, denn „jeder […] hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit.“ So steht es im Grundgesetz Artikel 2.

Dammbruch für weitere Eingriffe des Staates?

In diese Freiheit darf zwar auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden, ein solches sollte jedoch nicht leichtfertig beschlossen werden. Eine prophylaktische medizinische Zwangsmaßnahme wie die Impfpflicht könnte ein Dammbruch sein für weitere staatliche Eingriffe in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger.

Auf ein Gesetz, das sich über die „Freedom of Choice“ des Individuums hinwegsetzt, könnten weitere staatliche Zwangsmaßnahmen folgen. Jeglicher staatliche Zwang ließe sich rechtfertigen, wenn zum Beispiel medizinische, ökologische oder ökonomische Indikationen über die individuelle Freiheit gestellt würden.

Fleisch, Fliegen, Zigaretten

Sollten zum Beispiel der übermäßige Fleischkonsum, das Autofahren, das Fliegen, der Konsum von Alkohol und Zigaretten, risikoreiche Sportarten und ähnliches verboten werden, weil diese Dinge aus objektiver, rationaler Perspektive schädlich sind? Sollten Migranten-Familien dazu gezwungen werden, zuhause Deutsch zu sprechen, weil ansonsten die schulische Entwicklung ihrer Kinder gefährdet wäre?

Wie viel hätte eine solche Politik noch mit einem freiheitlichen, demokratischen Staat zu tun? Wenig. Ich denke, ein freiheitlicher, demokratischer Staat sollte nicht in diesem Maß mit Zwangsmaßnahmen arbeiten.

Aufklärung statt Zwang

Zwischen 2000 und 2010 sind die Impfquoten für zweimalige Impfung bei Einschulungskindern von 19 auf 92 Prozent angestiegen. Nicht durch Zwangsmaßnahmen, sondern durch sachliche Aufklärung über die individuellen und die gesamtgesellschaftlichen Vorteile einer Impfung sowie der möglichen Nebenwirkungen und Risiken.

Wenn wir eine bessere Impfquote wollen, sollten wir auf Aufklärung und Vertrauen in den Staat und das Gesundheitssystem setzen. Die Forderung nach einer Impfpflicht dagegen schafft genau das Gegenteil. Sie fördert Misstrauen und Zweifel.

Obwohl also die grundsätzliche Motivation hinter dem Ruf nach einer Impfpflicht nachvollziehbar und eine niedrige Impfbereitschaft natürlich ein Problem ist, sehe ich die vorgeschlagene staatliche Zwangsmaßnahme sehr kritisch.

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