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Abgeordneten-Interview „Konkrete Hilfe in der Corona-Krise“

Etwa 550 Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks sind aktuell im Corona-Einsatz. André Hahn (Die Linke) erklärt, was sie leisten, wie der Bundestag sie noch besser unterstützen will und wie Jugendliche sich einbringen können.

Porträt des Abgeordneten André Hahn.

„Engagiert euch gerne!“ Über 15.000 Kinder und Jugendliche sind beim THW aktiv, sagt André Hahn von der Linken. Foto: Olaf Krostitz

Das Technische Hilfswerk wurde eingerichtet, um Menschen in Not zu helfen. Was tut das THW zum Beispiel aktuell gegen die Corona-Pandemie?

Wenn es das THW nicht schon gäbe, müsste man es jetzt erfinden. Denn es kann mit seiner Technik in Katastrophen-Fällen ganze Gemeinden und Städte unterstützen. Auch in der Corona-Krise leistet das THW ganz konkrete Hilfe: Gegenwärtig sind etwa 550 THW-Helfer im Einsatz. Sie haben zum Beispiel mobile Stationen errichtet, an denen medizinische Tests durchgeführt werden können.

In Landau konnte mit Hilfe des THW ein Behelfskrankenhaus aufgebaut werden. Es gehört auch zu den Aufgaben des THW, Strom und Beleuchtung bereitzustellen, beispielsweise für Grenzkontrollen oder die sogenannten Drive-In-Abstrich-Plätze, wo Autofahrer direkt in ihrem Auto getestet werden können. Nicht zuletzt geht es auch um den Transport von Proben, Schutzausrüstung und anderen Materialien, die jetzt wichtig sind.

Wer darf das THW um Hilfe bitten? Und wer bezahlt die Einsätze?

Das dürfen verschiedene Institutionen und Behörden, die Kommunen etwa, die Bundesländer oder auch die Polizei. Aktuell sind es verstärkt die Landratsämter, die für die Gesundheitsversorgung zuständig sind. Es gibt beim THW eine Leitstelle, die die verschiedenen Anfragen und Einsätze koordiniert.

Das mit der Abrechnung ist eine etwas schwierige Sache. Darüber wurde jahrelang gestritten. In der Regel war es bisher so, dass derjenige, der das THW angefordert hatte, auch für die Kosten aufkommen musste. Und die waren oft vorab gar nicht überschaubar. Das heißt, wenn eine Kommune das THW um Hilfe bat, dann bekam sie am Ende eine Rechnung, von der sie vorher noch gar nicht wissen konnte, wie hoch sie sein würde. Das war ein großes Problem für viele und hat dazu geführt, dass das THW manchmal nicht angeforderte wurde, obwohl es hätte helfen können.

Was wird sich daran in Zukunft ändern?

Wir haben im Bundestag am 13. März beschlossen, dass der Bund verstärkt die Kosten übernehmen soll. Ich denke, das war ein ganz wichtiger Schritt, damit Kommunen die Hilfe des THW zukünftig anfordern können, ohne Angst haben zu müssen, am Ende auf einem Schuldenberg sitzen zu bleiben.

80.000 Menschen arbeiten beim THW, die allermeisten ehrenamtlich. Können auch Jugendliche mitmachen und wenn ja wie?

Unbedingt: Engagiert euch gerne! Ähnlich wie bei der Freiwilligen Feuerwehr gibt es auch beim THW eine eigene Jugendgruppe. Mehr als 15.000 Jugendliche und auch Kinder schon ab sechs Jahren machen da mit. Sie üben zum Beispiel den Bau von Behelfsbrücken, das Ausleuchten von Einsatzstellen oder den Transport von Verletzten. Es gibt Umweltschutzaktionen und so weiter. Da leistet das THW einen ganz wichtigen Beitrag zur Vermittlung von Toleranz und Hilfsbereitschaft. Und wenn man dann das 17. Lebensjahr vollendet hat, kann man in den aktiven Dienst eines Ortsverbandes eintreten und an richtigen Einsätzen teilnehmen.

Nur ein bis zwei Prozent der THW-Helfer sind hauptamtlich angestellt. Ist das angesichts der großen Aufgaben und Verantwortung der Organisation angemessen?

Die Hauptamtlichen wurden ja in den letzten Jahren schon aufgestockt – in absoluten Zahlen sind es gar nicht so wenige. Es ist natürlich wichtig, dass es genug Hauptamtliche gibt, die die Freiwilligen anleiten, unterstützen und koordinieren. So funktioniert es augenscheinlich sehr gut und es spricht sicher für das THW, dass so viele Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen dort aktiv und verwurzelt sind.

Wie kann man die Freiwilligen noch besser unterstützen?

Unterstützung ist wichtig und betrifft nicht nur die ehrenamtlichen THW-Helfer, sondern viele Freiwillige in den sogenannten Blaulicht-Bereichen, etwa die Freiwilligen Feuerwehren, das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen. Es gibt in Deutschland etwa 1,8 Millionen freiwillige Helfer. Ohne ihr Engagement wäre es schlichtweg undenkbar, den Katastrophenschutz zu gewährleisten. Deshalb muss man immer wieder fragen: Wie kann ich die Engagierten unterstützen und motivieren?

Haben Sie Ideen?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel Ehrenamtskarten, die zu vergünstigten Eintritten etwa in Museen oder zur kostenfreien Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs berechtigen. Es wird auch immer wieder diskutiert, ob Menschen, die über viele Jahre ehrenamtlich tätig waren, dafür zusätzliche Renten-Punkte bekommen sollten.

Im Zuge des neuen THW-Gesetzes erleichtern wir es den Freiwilligen jetzt, eine Freistellung von ihrer Arbeit zu bekommen. Bisher war es so, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter für dringend notwendige Einsätze in tatsächlichen Notsituationen freistellen mussten. Das galt aber für Übungen oder Fortbildungen nicht automatisch. Jetzt soll es in solchen Fällen mehr Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer und auch für die Arbeitgeber geben.

Ursprünglich wurde das THW hauptsächlich eingerichtet, um bei Naturkatastrophen zu helfen. Vor welchen neuen Herausforderungen steht es heute?

Es ist die originäre Aufgabe des THW, technische Hilfe im Zivilschutz zu leisten. Da ging es zunächst darum, mögliche Angriffe im Kriegsfall mit abzuwehren und die Folgen zu mildern. Aktuell haben wir zwar weder eine kriegerische Auseinandersetzung noch eine klassische Naturkatastrophe wie ein Erdbeben, aber das THW ist mit seiner Technik in der Lage, Beräumungen durchzuführen, die Strom- und Wasserversorgung aufrecht zu erhalten und so weiter. Insofern sehen wir, dass es auch auf eine neuartige Notsituation wie eine Pandemie durchaus vorbereitet ist.

Womit rechnen Sie in den nächsten Wochen?

Es wird sicher zu mehr und umfangreicheren Einsätzen kommen. Berlin plant zum Beispiel ein Krankenhaus für bis zu 1.000 Covid-19-Patienten auf dem Messe-Gelände. Der Projektleiter ist der ehemalige Präsident des THW. Insofern geht die Arbeit dem THW nicht aus – und ohne das THW hätten wir es aktuell wesentlich schwerer in Deutschland.

Über André Hahn

André Hahn, 56, aus Sachsen sitzt seit 2013 für Die Linke im Bundestag. Er ist Mitglied des Ausschusses für Inneres und Heimat, des Sportausschusses und des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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