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Faire Klamotten Teuer erkaufte Billigshirts

Anita Schedler

Damit wir preiswerte Kleidung kaufen können, schuften viele Menschen unter miesen Bedingungen und für wenig Geld. Ob es weit genug geht, wenn einige Textil-Unternehmen sich freiwillig zu fairer Produktion verpflichten, war unter den Fraktionen strittig.

Textilfabrik

Näherinnen bei der Arbeit in einer Textilfabrik in Bangladesch. © picture alliance/ dpa

In vielen Billiglohnländern schuften Arbeiter, zu 80 Prozent Frauen, für einen spärlichen Stundenlohn. So beispielsweise im südasiatischen Land Bangladesch. Wie groß die wirtschaftliche Abhängigkeit dort von der Textilproduktion ist, zeigt sich unter anderem daran, dass es einen eigenen Minister für Textilien und Jute gibt.

17 Cent pro Stunde

Auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bangladesch ist weltweit der zweitgrößte Textilproduzent nach China, die Industrie trägt mehr als zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und macht nahezu 80 Prozent der Exporteinnahmen aus. Der Lohn für die Arbeiter ist aber so niedrig wie in kaum einem anderen Land: umgerechnet 17 Cent pro Stunde – so Zahlen des Herstellerverbands Bangladesh Garment Manufactures and Exporters Association.

Im Bundestag wurde nun über die Arbeitsbedingungen diskutiert. Die Linke und die Grünen kritisieren das Ende 2014 von Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller (CSU) gegründete Textilbündnis, das sich die Verbesserung der ökologischen und sozialen Standards in der gesamten Lieferkette des Textil- und Bekleidungssektors zum Ziel gesetzt hat. Die Koalition verteidigte in der Debatte am 14. April den Kurs und sieht sich auf einem guten Weg.

Gespart wird an der Sicherheit

Nicht nur an den Löhnen wird in sogenannten Billiglohnländern gespart. Auch die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit sind oft ungenügend. Im April 2013 kostete der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza nahe Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, mehr als 1.000 Menschen das Leben. Im Nachbarland Pakistan brannte im Herbst 2012 eine Fabrik, mehr als 250 Arbeiter starben.

Für die Hinterbliebenen der Opfer bedeuten diese Katastrophen nicht nur Schmerz und Trauer, sondern durch Verdienstausfälle auch noch mehr Armut. Die Firmen, die in diesen Ländern produzieren lassen, sehen sich selbst meist nicht in der Verantwortung, Schadensersatz zu zahlen. Und Klagen der Opfer im Herkunftsland der Unternehmen sind kostspielig, langwierig und oftmals aussichtslos.

Wir lieben billige Mode

Auch deutsche Firmen lassen in Billiglohnländern produzieren. Für Bangladesch ist Deutschland der drittgrößte Abnehmer: 2012 wurden Textilien und Bekleidung im Wert von 3 Milliarden Euro nach Deutschland verkauft, so das Statistische Bundesamt. Auch internationale Marken wie der britische Textildiscounter Primark und der schwedische Kleidungsgigant H&M lassen ihre Kleidung eigenen Angaben zufolge in Bangladesch produzieren.

Grüne: Situation ist "Horror"

Die Situation bei der Textilproduktion in Billiglohnländern sei "immer noch Horror", stellte Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) in der Debatte fest. Es gebe weiterhin Sklaven- und Kinderarbeit, meinte sie und verlangte gesetzliche Vorgaben für mehr Transparenz über die Produktionsbedingungen. Transparenzpflicht sei eine Voraussetzung für Kontrolle.

Acht von zehn Verbrauchern wollten faire Bedingungen. Unter welchen Bedingungen Textilien hergestellt worden seien, müsse "einfach erkennbar" sein. Sie forderte den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Dr. Gerd Müller (CSU), auf, die Entwicklungshilfe an Fragen der Standards für eine faire Produktion auszurichten.

CDU/CSU: Textilbündnis ein "Riesenerfolg"

Mechthild Heil (CDU/CSU) gab sich mit den von Künast beschriebenen Zielen "einig". Indes: "Die vorgeschlagenen Wege sind einfach falsch." Allein mit deutschen und europäischen Gesetzen könnten die sozialen und ökologischen Standards nicht erhöht werden, hielt sie Künast vor.

Heil wies insbesondere Kritik am Prinzip der Freiwilligkeit beim vom BMZ angeschobenen "Bündnis für nachhaltige Textilien" zurück. Es gelte eben nicht: "Alles, was freiwillig ist, ist schlecht; alles, was Zwang ist, ist gut." 55 Prozent des deutschen Textileinzelhandels, darunter international aufgestellte Unternehmen, machten inzwischen mit. Das sei ein "Riesenerfolg".

Das Textilbündnis wurde im Oktober 2014 gegründet. Es besteht aus Vertretern der Wirtschaft, Gesellschaften und Organisationen und soll soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der Textillieferkette erreichen.

Linke: "Eine Farce"

Niema Movassat (Die Linke) konzentrierte seine Rede überwiegend auf seine Kritik an eben diesem Textilbündnis. Es werde vom Ministerium "mit großem Tamtam beworben". Doch der Textil-Lobby gehe es dabei "nicht um den Schutz von Näherinnen, sondern nur um den Schutz vor schlechter Presse".

Er prangerte an, dass das Bündnis "keine allgemeine Verpflichtung" enthalte. Deshalb könne es "so nicht funktionieren". Es sei "eine Farce", da jedes Unternehmen machen könne, was es wolle. Movassat setzte sich für gesetzliche Regelungen ein, die deutschen Firmen vorgegeben werden, und mahnte die Umsetzung eines nationalen Aktionsplans für Menschenrechte an.

SPD: Transparenz fehlt

Elvira Drobinski-Weiß (SPD) begrüßte es prinzipiell, dass die Globalisierung auch den Entwicklungsländern zugute komme. Sie beklagte allerdings, dass bisher kein Unternehmen Rechenschaft ablegen müsse über die Einhaltung von sozialen, menschenrechtlichen und wirtschaftlichen Standards: "Leider fehlt derzeit jegliche Transparenz."

Ob Kinderarbeit, ob geringer Lohn: Es müsse erreicht werden, dass "aus der Verletzung von Menschenrechten kein Vorteil gezogen werden kann". Das Textilbündnis ist für sie ein "erster Schritt in die richtige Richtung". Die Einhaltung von Standards "soll ein Wettbewerbsvorteil und darf kein Wettbewerbsnachteil sein".

Regierung verteidigt Textilbündnis

Hans-Joachim Fuchtel (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im BMZ, stimmte zu, dass "Transparenz vergrößert werden muss". Andererseits beklagte er, dass "manche einfach nicht bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, was alles auf diesem Gebiet gemacht wird".

So verwies er auf Bewertungen, die über das Handy abgerufen werden könnten. Vor allem verteidigte er das Textilbündnis. Es kleinzureden, sei "ein bisschen zu billig. Firmen mit einem Umsatzvolumen von bereits 1,5 Milliarden Dollar in Bangladesch (von hier kommen besonders viele der Kleidungsstücke in unseren Läden) gehörten dem Bündnis an. Dies sei die Praxis. Und die sei "schneller als die Gesetzgebung".

Der Antrag der Linken wurde mit den Stimmen der Koalition und Enthaltung der Grünen-Fraktion abgelehnt. Der Antrag der Grünen wurde in die zuständigen Ausschüsse verwiesen.

Anita Schedler

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Anita Schedler

studiert Kunstgeschichte

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