Abgeordneten-Interview zur EM „Wenn wir die Vorrunde überstehen, ist vieles möglich“
Laura Heyer
Am 11. Juni 2021 beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Der Sportpolitiker der Linken-Fraktion André Hahn über seinen Favoriten, Sport in Corona-Zeiten und ein zweites "Sommermärchen".
Herr Hahn, wo und wie werden Sie das Eröffnungsspiel der EM schauen?
Ich hoffe sehr, dass ich nicht mehr im Zug sitze, da am Freitag noch eine lange Sitzung im Bundestag stattfindet. Im besten Fall schaue ich das erste Spiel ganz entspannt zu Hause in meinem Wohnzimmer.
Wer ist Ihr Favorit?
Mein Favorit ist die französische Nationalmannschaft. Aber auch Spanien ist ernst zu nehmen. Die deutsche Mannschaft muss sich hingegen noch deutlich steigern, aber wenn wir die Vorrunde überstehen, dann ist Vieles möglich.
Die Spiele sollen mit einer begrenzten Anzahl von Zuschauern und Zuschauerinnen stattfinden. Eine gute Idee?
Das war in Pandemie-Zeiten eine sehr schwierige Entscheidung. Der europäische Fußballverband UEFA hat sogar zwei Spielorte abgesagt, in denen keine Zuschauer in die Stadien gekommen wären. Ich bin auch ein großer Fan von Spielen mit Zuschauern, aber natürlich darf man aktuell nicht riskieren, dass noch eine Welle der Pandemie ausbricht.
Das ist die erste pan-nationale EM überhaupt – das heißt, sie wird in elf europäischen Städten ausgetragen. Vier Spiele finden auch in München statt. Warum ist das so?
Das war ein Vorschlag des damaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini. Die Idee ist sicher sehr reizvoll – hat aber auch Nachteile. Nun müssen die Mannschaften in der aktuellen Corona-Situation sehr viel herumreisen. Zudem gibt es Gebiete, wie Großbritannien, aus denen Menschen eigentlich in Quarantäne müssen, wenn sie in andere Länder einreisen. Dafür mussten nun Sonderregelungen geschaffen werden.
Also eher kein Modell für die Zukunft?
Ich glaube, dass die Ausrichtung in einem oder zwei europäischen Ländern einfach effektiver ist. Es geht auch um Kosten: für die Renovierung der Stadien oder die Unterbringung der Spieler. Aber generell hat Sport einen verbindenden Charakter, der angesichts vieler internationaler Krisen auch für friedliche Aufeinandertreffen sorgt und da ist es durchaus gut, wenn viele Länder als Gastgeber fungieren.
Sie sitzen im Sportausschuss des Deutschen Bundestages. Wie hat Corona den Fußball, aber auch den Sport allgemein aus Ihrer Sicht verändert?
Es hat sehr große Veränderungen gegeben. Zuschauer durften nicht mehr in die Hallen und Stadien. Das hat Sport im Allgemeinen für viele unattraktiver gemacht. Zudem konnten vor allem die Amateursportler nicht mehr trainieren und keine Wettkämpfe bestreiten, da es ja nicht erlaubt war, zusammen Sport zu treiben. Viele Menschen haben zudem nicht verstanden, warum Kinder zum Beispiel nicht spielen durften, Profifußballer aber schon. Auch ich habe das sehr kritisch gesehen.
Hinzu kommt, dass die Mitgliederzahlen in den Sportvereinen zurückgingen, gerade Kinder nicht neu in Vereinen angemeldet wurden, weil man eben gar nicht spielen konnte, und auch der Sport in der Schule fiel über Monate aus. Eine ganze Generation hat sich deutlich weniger bewegt oder hatte zum Beispiel keine Möglichkeit, Schwimmen zu lernen, weil der Schwimmunterricht nicht stattfand. Das muss dringend nachgeholt werden.
Die EM 2024 soll in Deutschland stattfinden. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich freue mich auf spannende Spiele und natürlich darauf, auch mal live im Stadion dabei sein zu können – das ist immer was ganz Besonderes. Und ich hoffe sehr, dass wir uns als guter Gastgeber, als tolerantes und offenes Land zeigen werden. Die WM 2006, das sogenannte „Sommermärchen“, hat damals auch dazu geführt, dass Deutschland weltweit sehr positiv wahrgenommen wurde.
Mehr über Dr. André Hahn
Dr. André Hahn ist 58 Jahre alt und seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist Obmann im Sportausschuss des Deutschen Bundestages und sportpolitischer Sprecher der Fraktion die Linke. Neben der parlamentarischen Tätigkeit ist er auch als Spieler beim FC Bundestag aktiv.
Laura Heyer
hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.