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Internationale Praktikanten „Bei uns ist alles viel chaotischer“

Jo Rahel Dimmerling

Wie funktioniert die deutsche Demokratie? Dem sind 119 junge Erwachsene aus 37 Ländern gerade nachgegangen. Was hat sie verblüfft, was nehmen sie mit? Rahel hat einige befragt.

Bunter Bundestag: Feierlicher Empfang für die 119 jungen Gäste. © DBT/Tim Lüddemann

Fünf Monate lang eine geballte Ladung "Demokratie in Deutschland", davon drei Monate Arbeit im Büro eines Bundestagsabgeordneten – so sieht das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) des Bundestages für junge Ausländer aus. Die erkenntnisreiche Zeit geht für die 119 Stipendiaten bald zu Ende. Zum Abschied gab es gestern einen großen Empfang im Bundestag, und zwar im Paul-Löbe-Haus, einem dazugehörigen Gebäude mit großem Foyer: mit einer Ansprache von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble, internationalem Buffet und zahlreichen Rückblicken auf die Praktikumszeit.

IPS-Stipendiatin Angeliki © DBT/Tim Lüddemann

Angeliki Bozini aus Griechenland

Angeliki absolviert ihr Praktikum bei dem CDU-Abgeordneten Carsten Körber. Die Erwartungen der 26-jährigen Griechin sind bei weitem übertroffen worden: „Es war viel mehr, als man sich hätte vorstellen und träumen können.“ Ein besonderes Erlebnis war es für die angehende Juristin, als sie mit nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht fahren durfte. Die Räumlichkeiten des Bundestags bezeichnet sie als „Labyrinth“ – aber da Abgeordnete und Mitarbeiter sehr hilfsbereit seien, habe sie keine Scheu, nach dem Weg zu fragen.

IPS-Stipendiat Volodymyr © DBT/Tim Lüddemann

Volodymyr Kildii aus der Ukraine

Volodymyr arbeitet bei Johannes Schraps von der SPD-Fraktion. Er war überrascht, wie häufig die Politiker in ihren Wahlkreisen unterwegs sind. Gemeinsam mit Johannes Schraps ist Volodymyr von Tür zu Tür gelaufen und hat vor den Europawahlen beim Wahlkampf geholfen. Für sein Heimatland würde sich der 25-Jährige auch eine so aktive Zivilgesellschaft wünschen: „Ich hätte in der Ukraine gerne Parteien, die Leute für sich begeistern können und sie dazu bringen können, politisch aktiv zu werden.“

IPS-Stipendiatin Michaela © DBT/Tim Lüddemann

Michaela Machácková aus Tschechien

Michaela ist Praktikantin bei Stephan Brandner von der AfD. Die Zusammenarbeit mit ihm sei "trotz gelegentlicher inhaltlicher Differenzen gut und konfliktlos" gewesen, sagt sie. Insbesondere überrascht habe sie die Größe des Bundestages. „Es dauert von meinem Büro bis zur Kantine zehn Minuten. Das ist Wahnsinn!“ Was hat die 26-Jährige in Deutschland gelernt? „Dass wir alle Menschen sind und dass wir alle etwas lernen können – sowohl wir von euch als auch ihr von uns.“

IPS-Stipendiat Lucas © DBT/Tim Lüddemann

Lucas Huissoud aus Kananda

Lucas arbeitet für drei Monate bei Carl-Julius Cronenberg von der FDP. Den 24-Jährigen hat es beeindruckt, wie die Abgeordneten sich auf einzelne Themen spezialisieren und sich in ihren Ausschüssen darin vertiefen. Da die Stipendiaten "ihre" Abgeordneten auch während der Europawahl begleitet haben, konnte Lucas viel über die europäischen Institutionen lernen. „In Kanada erfährt man nicht so viel über die Europawahl, da sie nicht so wichtig für uns ist.“

IPS-Stipendiatin Maysoon © DBT/Tim Lüddemann

Maysoon Kheir aus Israel

Maysoon trifft jeden Morgen im Büro der Vizepräsidentin des Bundestages Petra Pau (Die Linke) ein. Dort sei die Stimmung immer fröhlich, sagt Maysoon. Vor allem aber meint sie: „Jeden Tag konnte ich dort etwas Neues lernen“. Überrascht war sie bei ihrer ersten Plenarsitzung vor allem davon, wie ordentlich alles ablief: „Bei uns in Israel ist alles viel chaotischer.“ Von ihrer Zeit in Deutschland nimmt sie viele neue Freundschaften und ein besseres kulturelles Verständnis mit nach Hause.

IPS-Stipendiatin Jana © DBT/Tim Lüddemann

Jana Sidlikova aus der Slowakei

Jana ist mit ihrem Praktikum bei Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) sehr zufrieden. Die 26-Jährige war überrascht, wie gut die Politik in Deutschland funktioniere. Auch sie hat die Arbeit der Abgeordneten in den Wahlkreisen besonders beeindruckt. „In der Slowakei scheint es immer, als hätten die Politiker in erster Linie ihre eigenen Interessen im Kopf. Hier kümmern sie sich ganz offenkundig um ihre Leute.“

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Jo Rahel Dimmerling

ist Studentin aus Berlin-Friedrichshain – mit dem Plan, Journalistin zu werden. Auch wenn sie gerade mal keine Musik hört, hat sie durchgängig einen Ohrwurm, der sich von Minute zu Minute ändert.

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