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Pandemie Corona-Rettungspaket in Rekordzeit beschlossen

Gesetze im Eiltempo: An einem einzigen Tag beschlossen die Abgeordneten Hilfen für Krankenhäuser, Unternehmen, Selbstständige, Familien und andere, die unter der Corona-Krise leiden.

Leere Plenarsaal-Stühle von oben.

Abstand halten: Zwischen den Abgeordneten blieben jeweils zwei Stühle frei. Auf ihnen lagen weiße Blätter mit der Aufschrift „Bitte frei lassen!“ © DBT/Achim Melde

Zwei Stühle Abstand zwischen den Abgeordneten, Desinfektionsmittel überall, Einweg-Handschuhe und Schals vor Gesichtern – so sah es am Mittwoch im Plenarsaal aus. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mahnte mehrfach: „Keine Herdenbildung!“

Unter strengen Vorsichtsmaßnahmen kamen die Abgeordneten für einen Tag zusammen, um Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise im Eiltempo zu beschließen. Die Tagesordnung war auf ein Minimum reduziert worden: Neben dem Bundeswehreinsatz im Irak standen ausschließlich Gesetzesvorhaben auf dem Plan, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie stehen.

Alle ziehen an einem Strang

Der Sitzungstag begann mit einer Debatte, Titel: „Bewältigung der Corona-Krise“. Zunächst dankte Schäuble den Corona-Helfern in Deutschland und es gab stehenden Beifall im Plenarsaal. Dann sprach Bundesfinanzminister und Vizekanlzer Olaf Scholz (SPD) zu den Abgeordneten – schließlich befindet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in häuslicher Quarantäne: „Vor uns liegen harte Wochen. Wir können sie bewältigen, wenn wir solidarisch sind.“

Um allen in der Krise helfen zu können, müsse der Bund mehr Kredite aufnehmen als ursprünglich geplant. In Zahlen: 156 Milliarden Euro mehr. „Das ist eine gigantische Summe“, gab Scholz zu. Aber: „Wir können uns das leisten.“

Vertreter aller Fraktionen stimmten ihm zu und setzten in ihren Reden unterschiedliche Akzente.

Was wurde gesagt?

„Umsetzung ist jetzt das, was zählt“, sagte CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Nicht jeder könne dabei allerdings so gestellt werden, als ob die Krise nicht stattgefunden habe.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach von einer Rückbesinnung auf den Staat – „auf einen starken Staat, aber auch insbesondere auf einen sozialen, demokratischen Staat“. Dennoch könne der Bund die Krise nicht alleine bewältigen, es brauche dafür die Mithilfe der Arbeitgeber.

Die AfD begrüßte die Maßnahmen, kündigte allerdings an, nach Ende der Krise "Fehler der Bundesregierung" thematisieren zu wollen. Außerdem plädierte sie für einen langfristigen Plan, wie es in den nächsten Monaten weitergehen solle.

Auch Christian (FDP) Lindner mahnte, die Akzeptanz der Menschen für die strengen Auflagen, also etwa Ausgangsbeschränkungen, könnte rasch sinken, denn „Der aktuelle Zustand widerspricht der menschlichen Natur.

Die Linke kritisierte, die Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen der letzten Jahre rächten sich nun. Mit dem Rettungspaket zeigte die Fraktion sich einverstanden, mahnte aber, die zusätzliche Verschuldung des Bundes dürfe im Nachgang der Krise „nicht zu Sozialabbau und weiterem Innovationsstau führen“.

Auch die Grünen sprachen sich „voller Überzeugung“ für die höheren Schulden aus. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte das„konstruktive Miteinander zwischen den Fraktionen und mit der Regierung “ in den letzten Tagen. Dass der Bundestag nun die notwendigen Krisen-Maßnahmen beschließe, sei ein Zeichen dafür, dass „gerade auch in der Not unsere Demokratie funktioniert“.

Die gesamte vereinbarte Debatte seht ihr hier:

Es geht um sehr viel Geld

Alle Gesetzesvorhaben hatten die Fraktionen schon am Freitag zuvor von der Bundesregierung erhalten. Sie hatten also Zeit, sich vorab darüber zu verständigen.

Nach der Debatte am Vormittag kamen die Ausschüsse zusammen, um die Entwürfe und die Änderungsvorschläge der Fraktionen zu besprechen. Nachmittags stimmte der Bundestag mit großer Mehrheit für das beispiellose, milliardenschwere Hilfspaket.

Dies war nur möglich, weil die Abgeordneten in einem Zug beschlossen, dass der Bund sich sehr viel Geld leihen darf. Dazu wurde die sogenannte Schuldenbremse gelockert, die dies normalerweise verbietet. Jetzt kann die Bundesregierung 156 Milliarden Euro mehr ausgeben, als ursprünglich für dieses Jahr geplant: für die medizinische Versorgung und für Hilfen für all jene, die wirtschaftlich besonders schwer unter der Krise leiden.

Krankenhäuser entlasten

Bei den neuen Regeln für das Gesundheitssystem geht es etwa darum, dass Medikamente und medizinische Hilfsmittel wie Mundschutz und Desinfektionsmittel zentral gekauft und alles dafür notwendige organisiert werden kann. Krankenhäuser sollen finanziell unterstützt werden. Weiter soll es wenn nötig schnell und unkompliziert möglich sein, zusätzliche Räumlichkeiten für Infizierte zu schaffen. Auch soll der Informationsaustausch zwischen Bund, Ländern und den zuständigen Behörden verbessert werden.

Familien unterstützen

Viele Eltern müssen derzeit auf ihre Kinder aufpassen, weil die Kindergärten und Schulen geschlossen sind. Wenn sie deswegen Verdienstausfälle haben, will der Staat ihnen helfen.

Vor allem Menschen, die ohnehin nicht viel Geld verdienen, sollen zudem davor bewahrt werden, in der Krise in existenzielle Not zu geraten. Dazu wird es etwa Änderungen bei Hartz IV geben.

Unternehmen und Selbständigen helfen

Es leiden besonders kleine und mittlere Unternehmen sowie einzelne Menschen, die selbständig arbeiten (sogenannte Solo-Selbständige) unter der Krise. Ihnen brechen Aufträge weg, deshalb haben sie weniger Einnahmen. Das sind etwa Cafés, Hotels, Friseure, Musiker, Messebauer, Schauspieler und viele, viele andere.

Zur Unterstützung von Unternehmen beschlossen die Abgeordneten das Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz. Die Sofort-Hilfen für Solo-Selbständige sind in einem Eckpunkte-Papier zusammengefasst.

Über konkrete Geld-Hilfen hinaus beschloss der Bundestag auch noch einige Maßnahmen, die es den Betroffenen rechtlich leichter machen soll, die Krise zu überwinden. So müssen Unternehmen aktuell nicht sofort Insolvenz anmelden und Schulden bezahlen, wenn das Geld knapp wird. Und wer seine Miete nicht bezahlen kann, darf trotzdem nicht gleich aus der Wohnung geworfen werden.

Neue Regeln für die Krise

Damit der Bundestag auch in den nächsten Wochen arbeiten kann, haben die Abgeordneten am Mittwoch auch eine Änderung der Geschäftsordnung beschlossen. Der Bundestag ist demnach für die Zeit der Krise auch dann beschlussfähig, wenn nur ein Viertel der Abgeordneten anwesend ist – normalerweise muss es die Hälfte sein. Die Änderung gilt zunächst bis 30. September.

Bei den Gesetzen muss der Bundesrat noch zustimmen, damit sie in Kraft treten können. Die Ländervertretung tagt am kommenden Freitag und war auch bisher schon in die Pläne eng eingebunden.

(DBT/jk)

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