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Gasspeicher-Gesetz „Die Abhängigkeit von Russland ist groß“

Heizung, Herd, Hitze für die Industrie: Deutschland braucht Gas und bezieht einen Großteil aus Russland. Ein neues Gesetz soll für mehr Sicherheit und Unabhängigkeit sorgen. Nina Scheer (SPD) erklärt, wie – und was jeder von uns tun kann, um Gas zu sparen.

Portrait der Abgeordneten Nina Scheer

„Die Hälfte aller Haushalte in Deutschland wird mit Erdgas beheizt“, erklärt Nina Scheer (SPD). Foto: Kai Treffan

Seit Russland gegen die Ukraine Krieg führt, wird häufiger darüber gesprochen, dass Deutschland zu stark abhängig ist von russischem Gas. Stimmt das?

Ja, das ist in der Tat so. Die Abhängigkeit ist groß: Im letzten Jahresmittel kamen etwa 55 Prozent des von uns verbrauchten Gases aus Russland. Zum Ende des 1. Quartals ist dieser Anteil allerdings immerhin schon auf 40 Prozent gesunken.

Wie viel Erdgas verbrauchen wir in Deutschland? Und wofür?

Wir sind ungefähr bei 1.000 Terawattstunden. In Kilowattstunden wären das 1.000 mal 1.000.000.000. Der größte Teil, nämlich 38 Prozent, wird in der Industrie verbraucht. Danach kommen die Verbraucherinnen und Verbraucher mit 30 Prozent. Die brauchen das Gas für die Heizung und warmes Wasser. Die Hälfte aller Haushalte in Deutschland wird mit Erdgas beheizt. Aber auch unsere Stromversorgung hängt mit Gas zusammen: Zu 13 Prozent wird unser Strom aus Gas erzeugt.

Wir haben die größten Gasspeicher-Kapazitäten innerhalb der Europäischen Union. Aber die Speicher sind nicht voll. Warum nicht?

Bisher war es so, dass der Markt das geregelt hat. Wie voll die Speicher waren, hing davon ab, ob es sich gelohnt hat, sie zu füllen. Da die Gaspreise im letzten Sommer schon sehr hoch waren – im Schnitt fünfmal höher als im Vorjahr –, haben viele Nutzer ihre Speicher nicht gefüllt, weil es einfach teuer war, Gas einzukaufen.

Dazu muss man auch erwähnen, dass der größte Gasspeicher in Deutschland, der in Rehden in Niedersachsen liegt, einer Tochterfirma des russischen Unternehmens Gazprom gehört. Und der wurde über den Sommer geleert statt gefüllt.

Sie sagen, so war es bisher – in Zukunft soll es anders laufen. Deshalb wurde gerade das Gasspeicher-Gesetz beschlossen. Was sind seine wichtigsten Inhalte?

In Zukunft werden die Besitzer der Gasspeicher gesetzlich verpflichtet sein, ihre Speicher in festgelegten Umfängen zu füllen. Es gibt dafür Stichtage. Zum 1. Oktober zum Beispiel müssen die Speicher zu 80 Prozent gefüllt sein. Zum 1. November zu 90 Prozent. Wir haben uns dabei auch an einer neuen EU-Verordnung orientiert, die zwar noch nicht in Kraft, aber in Arbeit ist.

Wird das neue Gesetz verhindern, dass wir im kommenden Winter zu wenig Gas haben? Oder droht uns eine Unterversorgung?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn wir genug Gas geliefert bekommen – und die Bundesregierung bemüht sich ja derzeit, dafür zu sorgen, dass die Abhängigkeit von Lieferungen aus Russland reduziert wird –, dann reicht das neue Gesetz aus, um uns vor einer Unterversorgung zu bewahren. Aber das ist natürlich schon ein kritischer Punkt, weil wir heute nicht genau absehen können, ob die benötigten Mengen rechtzeitig verfügbar sein werden, wenn sich die Rahmenbedingungen verschärfen.

Deutschland hat zwar entschieden, die Gaslieferungen aus Russland nicht durch ein Embargo beziehungsweise im Rahmen der Sanktionen zu stoppen. Aber wir wissen nicht, ob die russische Seite so einen Schritt gehen wird. Und derzeit sieht es so aus, als würde Russland in diese Richtung zielen. Russland hat ja kürzlich gesagt, Deutschland solle das Gas in Rubel bezahlen, der russischen Währung. Das geht aber mit den Sanktionen gegen Russland, die wir aufgrund des Krieges in der Ukraine beschlossen haben, nicht zusammen. Wenn Deutschland da nicht mitmacht, dann ist die Frage: Wie reagiert Russland darauf? Es ist also nicht ausgeschlossen, dass Gaslieferungen aus Russland zumindest in einem solchen Umfang wegfallen, die wir nicht mit Lieferungen aus anderen Ländern ausgleichen können.

Wenn es so käme, wie würde sich das dann für die Menschen in Deutschland bemerkbar machen? Könnte dann die Hälfte der Haushalte nicht mehr heizen?

Wenn es tatsächlich so käme, dann müsste die Bundesregierung eine Liste mit Prioritäten erstellen. Man würde zuerst dort Gas einsparen, wo es am wenigsten problematisch wäre.

Natürlich ist es einfacher, mit einer solchen eventuellen Knappheit umzugehen, wenn man gleichzeitig auch Gas einspart. Deshalb ist es auch sinnvoll, einen Plan zu entwickeln, wie die Gesellschaft Gas sparen kann. Bisher hat Russland aber immer geliefert. Die aktuellen Schwierigkeiten sind preislicher Natur und keine reale Knappheit. Es wird mit Knappheit spekuliert. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Es kann nicht sein, dass Gewinne mit Angst vor Verknappung gemacht werden. Aber auch hier wirkt entlastend, wenn weniger Energie verbraucht wird.

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck hat im Bundestag gesagt, wir müssten uns zum Ziel machen, weniger Gas zu verbrauchen. Wie kann das gelingen?

Man muss sich über alle Bereiche hinweg – vom Privathaushalt bis hin zur Industrie – genau anschauen, wo vermeidbare Verbräuche existieren. Wo man also mit einfachen Mitteln zu einem anderen Verbrauchsverhalten kommen kann, ohne die Einsparungen wirklich schmerzhaft zu spüren. Viele wissen gar nicht genau, wo wie viel verbraucht wird. Das kann man zum Beispiel mit Zählern transparenter machen.

Es hilft also auch schon, wenn jeder seine Heizung etwas runterdreht?

Ja, auch das hilft den Verbrauch und Kosten zu senken. Etwa, wenn man seine Raumtemperatur im Winter nicht auf 22 Grad heizt, sondern nur auf 20, 19 oder 18 Grad. Man sollte dabei aber das eine tun, ohne das andere zu lassen: Die wirksamste Methode zur Gewährleistung von Energiesicherheit und bezahlbarer Energien ist der beschleunigte Umstieg auf Erneuerbare Energien. Deswegen muss dies auch politisch beschleunigt angegangenen werden.

Über Nina Scheer

Nina Scheer wurde 1971 in Berlin geboren. Heute lebt sie in Schleswig-Holstein. Scheer ist Juristin, Politikwissenschaftlerin und Musikerin. Seit 2013 sitzt sie für die SPD im Bundestag und ist derzeit Obfrau im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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