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Corona-Krise „Es ist wichtig, dass das Parlament arbeitsfähig bleibt“

Der Bundestag hat sich neue Regeln für die Corona-Krise gegeben. So kann jetzt ein Mini-Parlament Entscheidungen fällen. Der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses Patrick Sensburg (CDU/CSU) erklärt, was genau anders ist und warum.

Porträt Patrick Sensburg.

„Wir wollen gewährleisten, dass im Plenarsaal genug Platz zwischen den Abgeordneten ist, um Ansteckungen zu vermeiden“, erklärt Patrick Sensburg. © Patrick Sensburg

Damit der Bundestag einen Beschluss fassen kann, müssen regulär mindestens die Hälfte der Abgeordneten da sein. Was wurde jetzt geändert?

Richtig, in der Regel muss mindestens die Hälfte aller Abgeordneten im Sitzungssaal sein, damit der Bundestag beschlussfähig ist. Bei insgesamt 709 Abgeordneten sind das 355. Jetzt muss es nur noch ein Viertel sein, also nur noch 178 Mitglieder des Bundestages.

Bleibt das Verhältnis der Fraktionen im Bundestag trotzdem gewahrt, also so, wie es die Bundestagswahl ergeben hat?

Erst mal müssen nur 178 Abgeordnete da sein, egal welcher Fraktion. Da kann auch eine Fraktion – wie es beispielsweise die AfD schon gemacht hat – den Plenarsaal geschlossen verlassen. Wenn die anderen da bleiben, ist der Bundestag weiter beschlussfähig. Aber die Fraktionen sprechen sich natürlich in der Regel ab, damit die Mehrheitsverhältnisse gewahrt bleiben.

Warum genau hat das Parlament die Schwelle abgesenkt?

Weil wir zum einen damit rechnen, dass sich Abgeordnete mit dem Coronavirus infizieren werden und dann nicht an den Sitzungen teilnehmen können. Und weil wir zum anderen gewährleisten wollen, dass im Plenarsaal genug Platz zwischen den Abgeordneten ist, um Ansteckungen zu vermeiden.

Gilt die neue Regelung jetzt dauerhaft?

Nein. Sie ist erst mal befristet bis 30. September 2020. Sollten wir die Corona-Krise schneller überstanden haben, können wir die neue Regelung sofort wieder aufheben und zur alten zurückkehren. Sollte die Krise – was wir natürlich alle nicht hoffen – länger dauern, müssten wir das noch mal verlängern.

Reicht es jetzt auch in den Ausschüssen, wenn ein Viertel der Mitglieder anwesend ist?

Ja, das gilt auch für die Ausschüsse. Da kann das eine Viertel sogar erreicht werden, indem der eine oder andere per Video-Konferenz zugeschaltet wird. Das geht im Plenarsaal nicht, da müssen die Abgeordneten wirklich körperlich anwesend sein.

Übrigens haben wir für die öffentlichen Ausschuss-Beratungen und -Anhörungen beschlossen, dass der Öffentlichkeit in der Krise auch ausschließlich durch Streaming Zugang gewährt werden kann. In der Regel sind diese Sitzungen ja offen für Publikum, das ist im Moment wegen der Ansteckungsgefahr leider nicht möglich. Deshalb sollen Interessierte diese Sitzungen per Video mitverfolgen können.

Es gab auch Diskussionen, wegen der Corona-Krise das Grundgesetz zu ändern, um ein kleines Notparlament einrichten zu können – ähnlich dem, das im Verteidigungsfall eingesetzt werden kann. Warum ist das nicht geschehen?

Es ist ganz wichtig, dass das Parlament arbeitsfähig bleibt. Weil es die Bundesregierung kontrollieren muss und weil die wesentlichen Entscheidungen im Parlament getroffen werden. Jeder einzelne Abgeordnete soll die Möglichkeit haben, an diesem Entscheidungsprozess teilzunehmen. Deshalb ist es so wichtig, dass das Parlament möglichst vollständig zusammenkommen kann.

Rechnen Sie mit weiteren Änderungen der Geschäftsordnung im Nachgang der Krise?

Wir werden die Geschäftsordnung in Zukunft sicher an verschiedenen Punkten anpassen. Aber nicht wegen der Corona-Krise, sondern weil wir im Jahr 2020 einfach Änderungsbedarf haben, den wir vor Jahren noch nicht hatten.

Das liegt unter anderem daran, dass wir inzwischen mehr Fraktionen im Bundestag sind. Zum Beispiel überlegen wir seit einiger Zeit, wie wir die Geschäftsordnung bei der Wahl der Bundestagsvizepräsidenten anpassen können. Da müssen wir nachschärfen, da der entsprechende Absatz in der Geschäftsordnung zurzeit regelt, dass jede Fraktion des Deutschen Bundestages durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten ist. Die Vizepräsidenten sind aber nicht Vertreter ihrer Fraktion, sondern für das ganze Parlament da und müssen dementsprechend neutral sein. Hier muss die Geschäftsordnung nachgeschärft werden.

Und es gibt weitere Fälle, über die wir auch vor Corona schon grundsätzlich debattiert haben. Darüber werden wir dann in Ruhe weiterreden, wenn die Krise überstanden ist. Geschäftsordnungsfragen sind ganz grundlegende Fragen und sollten, wenn es geht, von allen Fraktionen mitgetragen werden.

Über Patrick Sensburg

Patrick Sensburg, 48, ist Jurist und war als Hochschullehrer tätig, bevor er 2009 für die CDU/CSU in den Deutschen Bundestag einzog. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Außerdem sitzt er im Parlamentarischen Kontrollgremium, im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, im Ältestenrat und im Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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