Zum Inhalt springen

Gesetzentwurf Regierung will junge Menschen schützen und stärken

Wenn Familien nicht alleine zurechtkommen, kann der Staat helfen, etwa über das Jugendamt. Mehr als eine Million Kinder und Jugendliche profitieren davon. Mit einem Gesetz will die Bundesregierung die jungen Menschen noch besser schützen.

Ein Jugendlicher und eine Frau machen High Five

Kinder psychisch kranker oder suchtkranker Eltern brauchen Hilfe vom Staat. © shutterstock.com/Rawpixel.com

Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) ist schon ziemlich lange geplant. Jetzt soll das Großprojekt zum Abschluss kommen und stand deshalb Ende Januar auf der Tagesordnung des Bundestages. Im Blick hat das KJSG vor allem diejenigen, die besondere Unterstützung brauchen, also zum Beispiel Kinder und Jugendliche, die in Heimen aufwachsen, weil ihre Eltern nicht angemessen für sie sorgen können oder weil sie eine Behinderung haben.

Laut Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, stehen dabei fünf Begriffe im Mittelpunkt: schützen, stärken, helfen, unterstützen und beteiligen.

Was bedeutet das konkret?

Schützen: Das Gesetz soll den Kinder- und Jugendschutz verbessern. Unter anderem soll es mehr Kontrollen in Einrichtungen geben, in denen junge Menschen leben. Das sind beispielsweise Heime oder betreute Wohngemeinschaften. Außerdem soll die Kinder- und Jugendhilfe enger mit anderen Bereichen zusammenarbeiten, etwa mit Familiengerichten und Ärzten.

Stärken: Wer in einer Pflegefamilie oder im Heim lebt und Geld verdient, muss den Großteil seines Einkommens an das Jugendamt abgeben. Man nennt das „Kostenheranziehung“. Der Staat nutzt das Geld, um die Unterbringung der Kinder und Jugendlichen zu finanzieren. Der Entwurf sieht unter anderem vor, den Beitrag von bisher 75 Prozent auf 25 Prozent zu senken.

Helfen: Das Gesetz soll dafür sorgen, dass junge Menschen mit Behinderung und ihre Eltern leichter an staatliche Unterstützung kommen. Ziel ist es, eine Kinder- und Jugendhilfe zu schaffen, die für alle jungen Menschen da ist. Das wird auch als „inklusiv“ bezeichnet.

Unterstützen und beteiligen: Familien, Kinder und Jugendliche sollen leichter und schneller Hilfe in ihrer Nähe bekommen. Sie sollen mehr Gehör finden und darin unterstützt werden, ihre Rechte wahrzunehmen. Dazu sieht das KJSG zum Beispiel unabhängige Anlaufstellen vor. Außerdem sollen sich Kinder und Jugendliche in Zukunft auch ohne ihre Eltern beraten lassen können.

Ministerin: „Flaggschiff“ der Kinder- und Jugendpolitik

„Wir leiten Verbesserungen für die Kinder und Jugendlichen ein, die es besonders schwer haben in Deutschland“, sagte Ministerin Giffey. Schwer haben es laut Gesetzentwurf mehr als eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland, die unter schwierigen Umständen aufwachsen würden und deshalb vom Staat unterstützt werden. Das KJSG unterstütze junge Menschen beim guten Aufwachsen und sei ein „Flaggschiff“ der Kinder- und Jugendpolitik, so die Ministerin weiter.

Doch was sagten die Fraktionen im Bundestag dazu?

AfD: „Wechselbad der Gefühle“

Die AfD-Fraktion steht dem Entwurf gespalten gegenüber. Er löse ein „Wechselbad der Gefühle“ aus, sagte Johannes Huber. Fortschritte würden etwa gemacht, indem Heime und andere Einrichtungen stärker überprüft werden sollen.

Als „großen Schönheitsfehler“ bewertete die AfD hingegen, dass die jungen Menschen zu den Gesprächen mit den Behörden eine Vertrauensperson mitnehmen dürften. Es sei zu befürchten, dass dadurch „Angst und Täter mit am Tisch sitzen“, sagte Huber. Ein Mitarbeiter, der einem Kind Gewalt antue, könne versuchen, als Vertrauensperson bei den Gesprächen dabei zu sein.

Die AfD-Fraktion kritisierte jene Punkte im Gesetzentwurf, die eine Kinder- und Jungendhilfe für alle jungen Menschen gleichermaßen schaffen sollen. Huber sagte, das gehe zu Lasten der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung. „Wir brauchen mehr Spezialisierung statt Gleichmacherei.“

CDU/CSU: „Guter erster Prozess“

Als einen guten ersten Prozess bezeichnete hingegen Marcus Weinberg von der CDU/CSU-Fraktion die Vorlage der Regierung. Ein Thema, über das noch diskutiert werden müsse, sei die Heimaufsicht: „Wann darf ein Heim aufmachen, und wann muss es geschlossen werden?“

Auch über die Behördengespräche müsse noch beraten werden. Ziel sei es, möglichst viel über die Situation in der Unterbringung zu erfahren.

Diskussionsbedarf gebe es auch beim Thema Obdachlosigkeit sowie bei den Inobhutnahmen. So bezeichnet man es, wenn das Jugendamt ein Kind in einer Krisensituation aus der Familie nimmt und zum Beispiel für gewisse Zeit in einem Heim unterbringt. In Deutschland betrifft das etwa 50.000 Kinder im Jahr. Warum es so viele gebe und was die Gründe seien, fragte Weinberg.

Seiner Fraktionskollegin Nadine Schön lag zudem ein Punkt besonders am Herzen, das seien die Kinder von sucht- und psychisch kranken Eltern. „Die sind bisher durch das Raster gefallen.“ Mit dem KJSG würde das Thema angepackt: Es schaffe ein System, das diese Kinder schon sehr früh auffange.

FDP: „Kostenbeteiligung muss weg“

Von der FDP-Fraktion erntete die Regierung Kritik dafür, dass sich Pflege- und Heimkinder an den Kosten für die Unterbringung beteiligen müssen. Das entmündige die jungen Menschen auf ihrem Weg zur Selbständigkeit, sagte Katja Suding. Statt sie zu fördern, lege der Staat ihnen Steine in den Weg und zeige ihnen: „Deine Arbeit und dein Fleiß werden weniger belohnt als bei anderen.“

Auch könnten die jungen Menschen dadurch kein Geld zur Seite legen und seien stattdessen oft auf Hilfe vom Staat angewiesen. Die FDP fordert deshalb: „Die Kostenbeteiligung muss weg.“

Linke: „Demotivierende Schikane“

Das verlangte auch die Linksfraktion. Diese „demotivierende Schikane“ müsse vollständig abgeschafft werden, sagte Norbert Müller. Die Oppositionsfraktion sieht das KJSG insgesamt kritisch. Müller sagte, mit der Reform ständen manche Familien, Kinder und Jugendlichen schlechter da.

Ein Beispiel: Nach dem Entwurf könnten Betroffene in Zukunft auf andere Angebote vor Ort verwiesen werden, etwa auf Anlaufstellen der Jugendsozialarbeit. Das seien zwar gute Angebote, so Müller, diese ersetzten aber keine individuelle Familienhilfe und Hilfe für die Kinder und Jugendlichen.

Positiv hingegen sei die Einführung von unabhängigen Anlaufstellen und, dass die Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen da sein soll. Das sei lange überfällig gewesen, so Müller.

Grüne: „Anwälte der Kinder und Jugendlichen“

Letzteres betonte auch die Grünen-Fraktion. Ekin Deligöz sagte: „Der Kernbereich dieses Gesetzes ist der Einstieg in die inklusive Jugendhilfe, und das war tatsächlich fällig.“ Sie schlug vor, den Kommunen dafür mehr Möglichkeiten und Freiheiten zu geben.

Kritik gab es unter anderem dafür, dass der Entwurf an manchen Stellen zu unkonkret sei. Wie die FDP und die Linke sprach sich die Grünen-Fraktion außerdem gegen die Kostenheranziehung junger Menschen aus. „Lassen Sie uns Anwälte der Kinder und Jugendlichen sein“, sagte Deligöz, „auch mit diesem Gesetz“.

SPD: Lange Vorbereitung trägt Früchte

Die SPD-Fraktion meinte: „Das Kinder- und Jugendhilferecht verdient ein Update.“ Wie Ulrike Bahr sagte, lebten in Deutschland 360.000 junge Menschen mit einer Behinderung. Sie bräuchten eine gute Unterstützung, „am besten unbürokratisch und aus einer Hand“.

Positiv sah Bahr auch die lange Vorbereitung und den Austausch mit Fachleuten. 2018 hatte das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Projekt „Mitreden – Mitgestalten“ gestartet und sich von Experten und Betroffenen Anregungen für den Entwurf geholt. „Das war ein großer Aufwand“, sagte Bahr. Aber er trage Früchte.

Die gesamte Debatte könnt ihr euch im Video anschauen.

Du hast auch Lust, bei uns mitzumischen?

Schreib für uns!

Mehr zum Thema