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Parlamentariertreffen „Friedliche und verlässliche Nachbarschaft im Ostseeraum“

Nächste Woche treffen sich Vertreterinnen und Vertreter der Ostseeparlamentarierkonferenz im Bundestag. Der amtierende Präsident Johannes Schraps (SPD) erzählt, worum es gehen wird: unter anderem um Klimaschutz, 300.000 Tonnen versenkte Munition in der Ostsee und das Jugendforum zur Jahreskonferenz 2023.

Portrait des Abgeordneten Johannes Schraps

„Die Zusammenarbeit im Ostseeraum basiert auf Werten und Grundhaltungen“, erklärt Johannes Schraps. Deshalb schloss das Bündnis die russischen Mitglieder im Februar aus. © Johannes Schraps

Seit Juni sind Sie für ein Jahr Präsident der Ostseeparlamentarierkonferenz. Was ist das für ein Bündnis?

Die Ostseeeparlamentarierkonferenz ist das parlamentarische Forum der Ostsee-Region. Sie ist Anfang der 1990er Jahre gegründet worden, auf Initiative des damaligen finnischen Präsidenten. Bisher brachte sie Abgeordnete aus 22 nationalen und regionalen Parlamenten des Ostseeraums zusammen, die das Ziel verfolgen, eine gemeinsame Identität zu fördern.

Warum „bisher“?

Mittlerweile sind wir nur noch 18 Mitglieder, weil wir die Duma und die regionalen Parlamente aus Russland im Februar nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ausgeschlossen haben.

Gab es darauf eine Reaktion aus Russland?

Die gab es, ja. Wir haben schon am Morgen des 25. Februar, also einen Tag nach Kriegsbeginn, eine Sitzung des Ständigen Ausschusses der Ostseeparlamentarierkonferenz einberufen, an der die russischen Delegationen nicht teilgenommen haben. In dieser Sitzung sind wir ganz klar zu dem Schluss gekommen, dass wir diesen Angriff auf ein Nachbarland nicht hinnehmen können. Die Zusammenarbeit im Ostseeraum basiert auf Werten und Grundhaltungen, die eben auch die Anerkennung der Landesgrenzen mit einschließen. Somit hat sich Russland über die Grundlagen unserer Zusammenarbeit hinweggesetzt. Die Suspendierung der russischen Teilnehmer haben wir dann auch öffentlich gemacht.

Die russischen Parlamente haben sich etwa zwei Monate später zurückgemeldet und ihrerseits ihren Austritt zu Protokoll gegeben. Aber damit haben sie ja im Prinzip nur den schon vorhandenen Zustand bestätigt.

Das ist also der Status quo. Welche Rolle spielt das für Ihre Präsidentschaft?

Wir haben den Staffelstab im Juni von Schweden übernommen. Schon im letzten Jahr lag ein großer Schwerpunkt auf Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt, Demokratie. Gerade im Angesichts des Krieges in der Ukraine wollen wir natürlich weiter die Idee einer friedlichen und verlässlichen Nachbarschaft im Ostseeraum stärken. Wir haben gemerkt, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, deshalb müssen wir an der demokratischen – und auch an der digitalen – Wehrhaftigkeit gemeinsam arbeiten, um uns vor Angriffen schützen zu können.

Für den 21. November haben Sie den Ständigen Ausschuss der Konferenz nach Berlin eingeladen. Was steht auf Ihrer Agenda?

Wir werden vor allem die Jahrestagung 2023 vorbereiten. Ein besonderer Fokus wird auf dem Thema versenkte Munition in der Ostsee liegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind Munitionsaltlasten in großem Umfang versenkt worden. Wenn man Nordsee und Ostsee zusammennimmt, sind das etwa 1,6 Millionen Tonnen, in der Ostsee sind es etwa 300.000 Tonnen. Und die rosten natürlich im Laufe der Zeit durch, so dass die Sprengstoffe und die chemischen Kampfstoffe, die da drin sind, austreten. Das ist ein gemeinsames Problem, davon sind alle Ostseestaaten betroffen. Wir haben wichtige Experten eingeladen, die uns da zum aktuellen Stand briefen können.

Die Jahrestagung wird dann im August 2023 ebenfalls in Berlin stattfinden. Es wird unter anderem ein Jugendforum geben. Wie sollen die Jugendlichen einbezogen werden?

Wir haben das jetzt seit mehreren Jahren etabliert, dass ein Jugendforum die Ostseeparlamentarierkonferenz im Vorfeld schon begleitet. Jugendliche aus allen Teilnehmerregionen arbeiten miteinander an Themen wie etwa Klimaschutz und bringen ihre Positionen ein. Zwei Jugendliche nehmen dann auch als Sprecher an den Konferenzen teil.

Für uns Abgeordnete sind das nicht immer leichte Diskussionen, weil die Jugendlichen manche Dinge sehr kritisch ansprechen und uns auch deutlich zur Handlung auffordern, weil sie natürlich sagen: Wir müssen noch länger auf diesem Planeten leben. Aber genau diese klaren Auseinandersetzungen brauchen wir aus meiner Sicht auch.

Wir haben festgestellt, dass die Jugendlichen sehr viele gute Ideen einbringen. Deshalb wollen wir das Jugendforum nicht nur wie ein Feigenblatt parallel laufen lassen, sondern diese Ideen wirklich ernst nehmen und dann auch am Schluss in die Resolution einbeziehen, die wir nach jeder Jahrestagung veröffentlichen.

Auch der Klimawandel beschäftigt die Ostseeparlamentarierkonferenz stark. Wie einig sind sich die Mitgliedsländer in diesem Bereich? Wo gibt es Differenzen?

Gerade wenn es um die Frage geht, welche Energieträger genutzt werden, gibt es schon Unterschiede. Es gibt Länder, die einen sehr großen Anteil an Kohlekraft haben, es gibt auch Länder, die sagen: Wir müssten stärker auf Nuklearenergie setzen. Grundsätzlich einig ist man sich aber darüber, dass man den Ausbau an erneuerbaren Energien vorantreiben muss und dass die Ostseeregion da auch eine Modellregion sein kann und sollte. Ein wichtiger Punkt ist das Thema Energie-Netz, dass man also überschüssig produzierte Energie an Nachbarländer abgibt.

Außerdem befasst sich eine unserer Arbeitsgruppen seit zweieinhalb Jahren mit dem Thema Biodiversität und Klimaschutz. Auf der Jahrestagung 2023 wird diese Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht vorlegen, der natürlich einige Empfehlungen enthalten wird.

Zur Person

Johannes Schraps

Johannes Schraps, 1983 geboren, hat Politikwissenschaft studiert. Er arbeitete als parlamentarischer Assistent im Europäischen Parlament in Brüssel und als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag, bevor er 2017 selbst zum SPD-Abgeordneten gewählt wurde. Aktuell sitzt er im EU-Ausschuss und im Finanzausschuss. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(Julia Karnahl)

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