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Regierungsbefragung „Wir dürfen nicht warten, bis Tausende sterben“

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beantwortete am Mittwoch Fragen der Abgeordneten zu Corona-Hilfen für Entwicklungsländer, fairen Arbeitsbedingungen und Lieferketten.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bei der Regierungsbefragung im Bundestag

„Nach der Pandemie ist vor der nächsten – und deshalb müssen wir uns vorbereiten“, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Bundestag. © picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa

„Wir dürfen jetzt nicht nur an uns denken“, mahnte der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller (CSU) zu Beginn der Regierungsbefragung am 27. Mai. Er warb für das Corona-Sofortprogramm für Entwicklungsländer. Die Krise treffe die Ärmsten auf der Welt am härtesten, sagte Müller. Deshalb sei jetzt internationale Solidarität gefragt. Drei Milliarden Euro wolle sein Ministerium aufwenden, um in armen Ländern medizinische Hilfe zu leisten. Denn: „Die Pandemie besiegen wir nur weltweit.“

Soforthilfen: „Die Maßnahmen sind dringlich“

Die AfD merkte zum geplanten Sofortprogramm kritisch an, wegen der Corona-Krise würden etwa in Afrika andere Krankheiten wie Tuberkulose, Cholera und AIDS nicht mehr behandelt. Ob die Pläne der Regierung wirklich zielführend seien, wollte die Fraktion deshalb wissen. Der Minister antwortete: „Wir dürfen nicht abwarten, bis Tausende sterben.“ Mehr Tote würden in Afrika eine Hunger-, Wirtschafts- und Finanz-Krise von schrecklichen Ausmaßen auslösen.

Die FDP wollte genauer wissen, wohin wie viel Geld fließe. Sie kritisierte, das Parlament werde von der Bundesregierung nicht ausreichend informiert. Müller erwiderte, es gebe eine genaue Aufschlüsselung, wo was gebraucht werde. Als Beispiel nannte er Corona-Test-Kits, Labore und Notfallhilfe-Krankenhäuser etwa im Irak, in Kolumbien und Afrika. Er hoffe auf eine schnelle Entscheidung „in den nächsten Wochen“, ob das Geld bewilligt werde. „Die Maßnahmen sind dringlich.“

Am Rande sprach der Entwicklungsminister sich für eine Mindestbesteuerung für Digitalkonzerne aus: „Die größten Corona-Gewinner sind Amazon, Netflix und Co.“ Diese Unternehmen profitierten von der Krise, ohne sich an deren Bewältigung zu beteiligen. Das sei nicht gerecht.

Lieferketten: „Unerträglich, dass wir solche Zustände dulden“

Die SPD sagte, sie unterstütze die Pläne für Soforthilfen. Aber dabei dürfe es nicht bleiben. „Wie sind die Chancen für ein Lieferketten-Gesetz, das wir dringend brauchen?“, wollte dir Fraktion wissen.

Zur Erklärung: Da Unternehmen heute in der Regel global produzieren, also Rohstoffe oder Einzelteile ihrer Produkte aus vielen verschiedenen Ländern beziehen, ist es schwer zu überblicken, hinter welchen Waren möglicherweise Kinderarbeit, Umweltverschmutzung oder anderes steckt. All dies ist Teil der sogenannten Lieferkette eines Produktes.

Müller antwortete: „Die Krise hat gezeigt: Wir leben in einem globalen Dorf.“ Waren würden weltweit produziert, zum Teil unter schrecklichen Bedingungen wie Kinderarbeit. „Es ist unerträglich, dass wir, die Industriestaaten, solche Zustände dulden“, kritisierte der Minister.

Die Grünen drängten auf eine feste Zusage für ein Lieferkettengesetz: „Wir wollen jetzt von Ihnen mal wissen, wann Sie liefern!“ Der Minister sagte, es gebe einen festen Zeitplan: Mitte Juli werde das Ergebnis einer laufenden Bewertung bekannt gegeben, danach werde er gemeinsam mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD) einen Gesetzentwurf vorlegen.

Die Linke fragte nach der Notwendigkeit, das Thema Lieferketten auf europäischer Ebene und darüber hinaus anzugehen: „Werden Sie sich dafür einsetzen, auch im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft?“ Müller antwortete, er werde das zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit auch im EU-Rahmen machen. Er werde aber nicht auf Europa warten, um aktiv zu werden.

Hintergründe zum Thema Lieferketten findet ihr in unserem Top-Thema „Der Kampf gegen Kinderarbeit“.

Weltgesundheitsorganisation: „Die WHO zu einem Welt-Pandemie-Zentrum ausbauen“

Die CDU/CSU-Fraktion fragte nach der Rolle der Weltgesundheitsorganisation WHO in der Corona-Krise. Der Minister sagte darauf: „Nach der Pandemie ist vor der nächsten – und deshalb müssen wir uns vorbereiten.“ Dabei komme der WHO eine bedeutende Rolle zu. Deshalb plädiere er dafür, die Organisation zu einem „Welt-Pandemie-Zentrum“ auszubauen.

Die Grünen kritisierten, die WHO sei „massiv unterfinanziert“, und wollten wissen, wie man die Gesundheitssysteme in den Entwicklungsländern stärken könne. Das sei nur ein Schwerpunktbereich, erwiderte Müller, „aber die Problematik geht weit darüber hinaus.“ Es gehe um das Zusammenleben zwischen Mensch, Tier und Natur. Wenn sich daran nichts ändere, würden weitere sogenannte Zoonosen wie Corona auf uns zukommen, also Krankheiten, die sich von Tieren auf Menschen übertragen.

„Bildung ist der Schlüssel“

Zum Schluss sprach die SPD noch das Thema Bildung und Ausbildung in Entwicklungsländern an. Müller stimmte zu, dies sei ein wichtiges Thema: „Bildung ist der Schlüssel für vieles in der Entwicklung.“ 1,5 Milliarden Kinder in Entwicklungsländern könnten nicht zur Schule gehen, das sei ein furchtbarer Rückschlag. Wir brauchten in diesem Bereich nach der aktuellen Krise unbedingt eine neue Entwicklung.

Hier könnt ihr euch die Regierungsbefragung in voller Länger anschauen:

(jk)

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