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Ägypten „Wir haben zu kaum einem Land so enge Bildungskontakte“

Der Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik hat kürzlich Ägypten besucht. Monika Grütters (CDU/CSU) erzählt von selbstbewussten Schülerinnen in Kairo, einem Pop-Konzert im Goethe-Institut und der Gratwanderung, mit einer Militärdiktatur kulturelle Beziehungen zu pflegen.

Lehrer vor einer Tafel, im Vordergrund Schüler, die sich melden

Sieben deutsche Auslandsschulen gibt es in Ägypten. „An den Schulen werden natürlich auch europäische Werte vermittelt“, sagt Monika Grütters. © shutterstock.com/ZouZou

Mit dem Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik waren Sie in Ägypten. Wie ist der aktuelle Stand der Zusammenarbeit mit Ägypten in diesem Bereich?

Wir sind nach Ägypten gefahren, weil wir mit kaum einem anderen Land so viele und enge Bildungskontakte haben. Mit Italien haben wir die meisten Kulturkontakte; Italien hat in keinem Land so viele kulturelle Einrichtungen wie in Deutschland – und umgekehrt. Aber was Bildung angeht, gibt es insbesondere mit Ägypten langjährige Kontakte und ein sehr engmaschiges Netzwerk.

In Ägypten gibt es zum Beispiel mehrere deutsche Schulen…

Es gibt sieben deutsche Auslandsschulen, die zu 95 Prozent von ägyptischen Schülern besucht werden. Dass diese Eliteschulen immer ausgebucht sind, zeigt die einzigartige Intensität unserer Bildungsbeziehungen nach Ägypten.

An weiteren 100 Schulen soll ein deutschsprachiger Zweig ausgebaut werden. Zusätzlich lernen 450.000 Menschen im Jahr an Goethe-Instituten in Ägypten Deutsch. Und es gibt die GUC, die German University Cairo, mit einem Ableger in Berlin Tegel.

Warum sind die deutschen Bildungsangebote in Ägypten so beliebt?

Es ist sicher so, dass es in der ägyptischen Gesellschaft einen gewissen Ehrgeiz gibt, was die Zukunft ihrer Kinder angeht. Diese Eliten sind zwar nicht gerade revolutionär, aber sie sind doch kritisch genug gegenüber dem Regime eingestellt, auch das Bildungsangebot außerhalb ihres Spektrums wahrzunehmen.

Haben Sie eine der Schulen besucht?

In Kairo gibt es eine Mädchenschule der Borromäerinnen mit 700 Schülerinnen. Dort haben wir tolle, selbstbewusste junge Frauen erlebt, die natürlich auch mit einem wachen Blick auf die Welt ins Leben gehen. An den Schulen werden natürlich auch europäische Werte vermittelt. Insofern ist das immer eine sehr sinnvolle Zusammenarbeit.

Wir freuen uns, dass das Bildungsangebot deutscher Einrichtungen so wertgeschätzt wird. Heute, in der aktuellen politischen Landschaft in Ägypten, könnten wir dieses Bildungsangebot so gar nicht etablieren. Aber solange es dieses positive Echo gibt, tun wir natürlich alles, um die vorhandenen Verbindungen zu verstärken und zu stabilisieren.

Haben die Schülerinnen denn auch vor, später ins Ausland zu gehen, zum Beispiel nach Deutschland?

Das haben wir auch gefragt. Aber viele konnten sich eher eine Karriere im eigenen Land vorstellen. Interessanterweise wollten die meisten in den technischen oder medizinischen Bereich. Lehrerin wollte so gut wie niemand werden – obwohl die in Ägypten nicht weniger verdienen als Ärzte.

Die Meinungsfreiheit wurde in Ägypten in den letzten Jahren immer weiter eingeschränkt. Das Auswärtige Amt schätzt die Lage der Menschenrechte dort als „besorgniserregend“ ein. Wie wirkt sich das auf die kulturelle Zusammenarbeit aus?

Ägypten ist – man kann es nicht anders sagen – eine Militärdiktatur. Da stellt man sich immer die Frage, wie man gerade im zivilgesellschaftlichen Bereich bilaterale Kontakte produktiv und friedensstiftend gestalten kann.

Ein Ziel unserer Reise war, unsere Partner vor Ort zu stärken. Für die ist es wichtig, dass hochrangiger Besuch aus Deutschland kommt. Die ägyptische Regierung nimmt wahr, dass Deutschland an ihrem Land Interesse hat und Delegationen zu Besuch kommen, aber auch, dass wir kritisch im Gespräch bleiben wollen. Im Umgang mit autoritären Regimen gibt es keine einfache Lösung. Das ist immer ein Balanceakt.

Sie haben vorhin das Goethe-Institut erwähnt. Wie geht man dort mit der Situation vor Ort um?

Wir hatten einen beeindruckenden Abend im Goethe-Institut mit einer Ausstellung und dem Konzert des Pop-Musikers Ahmed Ali El-Haggar. Der hatte dort eine große Fan-Gemeinde junger ägyptischer Leute versammelt, das war eine tolle Stimmung. Das Goethe-Institut ist für viele Künstlerinnen und Künstler wie ein Schutzraum, wenn sie es im ägyptischen Kulturleben schwerer haben. Dort gibt es großzügigere Rahmenbedingungen – auch wenn man diesen Ansatz nicht überstrapazieren darf.

Wenn Sie auf die vielen Erlebnisse und Begegnungen zurückschauen: Was haben Sie an neuen Impulsen für Ihre Arbeit im Unterausschuss mit nach Hause genommen?

Um mit einer positiven Beobachtung zu beginnen: Die unterschiedlichen Religionen leben in Ägypten mit- und nebeneinander. In der Schule erfahren die Schüler über den Islam ebenso viel wie über das Christentum. Da werden nicht die Unterschiede der Religionen kultiviert, sondern man lernt mit- und voneinander. Es gibt in Ägypten zwischen zehn und zwölf Prozent Koptische Christen. Sie können in diesem Land immerhin ihre Religion ausüben, was in einem autoritären Staat nicht selbstverständlich ist.

Aber die Menschenrechtslage ist besorgniserregend. Viele Menschen können in Ägypten nicht sagen und tun, was ihren Ansichten entspricht. Sie werden in ihrer Meinungsfreiheit, der Presse- und Kunstfreiheit erheblich beeinträchtigt.

Deshalb ist unsere Haltung, Wirtschaftskooperationen an Bedingungen zu knüpfen, die vor allem die Einhaltung von Menschenrechten einschließen. Das versuchen wir als Empfehlung im Umgang mit diesem Land in die Politik einzubringen. Ägypten hat eine hohe Geburtenrate, 60 Prozent der Menschen sind unter 35. Das ist unter Arbeitsmarktgesichtspunkten sehr interessant. Gerade deshalb ist die enge Bildungszusammenarbeit für uns ein wichtiger Anknüpfungspunkt, weil sie eben die Möglichkeit bietet, mit der Sprache auch demokratische Werte zu transportieren.

Portrait der Abgeordneten Monika Grütters vor der Humboldt Bibliothek

„Im Umgang mit autoritären Regimen gibt es keine einfache Lösung“, sagt Monika Grütters. „Das ist immer ein Balanceakt.“ © Tobias Koch/ToKo

Zur Person

Monika Grütters, 1962 in Münster geboren, ist Literatur- und Kunsthistorikerin. Seit 2005 sitzt sie für die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Von 2013 bis 2021 war sie Staatministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Aktuell ist sie Mitglied im Bildungsausschuss, Obfrau im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Vorsitzende des Unterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und zivile Krisenprävention. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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