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Stiftung Friedensforschung „Wirksame Friedensforschung ist erfolgreiche Krisenvorsorge“

Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) ist vor Kurzem in den Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung gewählt worden. Hier erzählt er, wie die Erforschung von Konflikten zu einer friedlicheren Welt beitragen kann.

Portrait des Abgeordneten Kai Gehring

„Gewalt und Konflikte entstehen in den Köpfen von Menschen. Damit spielt Bildung eine entscheidende Rolle für den Frieden“, sagt Kai Gehring, der dem Bildungsausschuss vorsitzt. © Mirko Raatz

Was genau ist eigentlich Friedensforschung?

Damit Frieden eine echte Chance hat, müssen die Voraussetzungen dafür stimmen. Die Friedens- und Konfliktforschung liefert uns wesentliche Antworten auf wichtige Fragen, etwa wie Konflikte entstehen und wie sie gelöst werden können. Wie der Name Friedensforschung schon sagt, handelt es sich dabei um eine Wissenschaft, die Ursachen von Konflikten und Formen von Gewalt untersucht sowie Instrumente zur Konfliktbearbeitung und zur Sicherung, Stabilisierung und Schaffung von Frieden analysiert. Diese Art von Forschung ist in Zeiten vielfacher Krisen wichtiger denn je. In vielen Regionen der Welt werden noch immer Kriege geführt oder wachsen die Risiken für künftige Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen. In den vergangenen Jahren hat sich die weltweite Lage leider eher verschlechtert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt uns die Bedrohungslage sehr schonungslos auf.

Wie trägt die Deutsche Stiftung Friedensforschung bei?

Die Deutsche Stiftung Friedensforschung betreibt vor allem Forschungsförderung. Das heißt, sie unterstützt bestehende Forschungsprojekte an Hochschulen oder setzt neue Forschungsschwerpunkte. Außerdem unterstützt sie die Vernetzung von Einrichtungen und Experten. Konflikte sind immer sehr komplex. Daher ist es wichtig, dass Menschen aus verschiedenen Fachbereichen und Wissenschaftsdisziplinen sich darüber austauschen können und zu gemeinsamen Ergebnissen kommen, die sie allein vielleicht so nicht gefunden hätten. Im besten Fall erkennt die Friedensforschung so frühzeitig Risiken und zeigt Lösungen auf, bevor sich ein Konflikt überhaupt erst gewaltsam entlädt.

Der Krieg in der Ukraine hat unsere bisherigen Vorstellungen von Sicherheit und Stabilität in Europa ins Wanken gebracht. Muss sich auch die Friedensforschung deshalb ein Stück weit neu erfinden?

Der brutale völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins auf die Ukraine war für viele Menschen ein Schock. Er hat nicht nur verheerende Auswirkungen für die Sicherheit und das Leben der Menschen in der Ukraine, er hat auch unsere Gewissheit eines friedlichen Miteinanders in Europa erschüttert. In unserer globalisierten Welt haben Konflikte oft weitreichende Folgen: Die russische Blockade von ukrainischen Getreideexporten droht Hungersnöte in anderen Regionen zu verschärfen. Europa wiederum kämpft mit den gestiegenen Energiepreisen, die auf den Krieg zurückgehen. Konflikte müssen also immer aus sehr unterschiedlichen Perspektiven bewertet werden. Das hat auch Einfluss auf die Friedensforschung. Wirksame Friedensforschung ist erfolgreiche Krisenvorsorge. Einzelne Friedens- und Konfliktforscher haben in der Vergangenheit durchaus vor der gefährlichen, einseitigen Abhängigkeit Deutschlands von Putins Gaslieferungen gewarnt: Wir stünden energiewirtschaftspolitisch heute souveräner und besser da, wenn wissenschaftliche Expertise von der politischen Mehrheit nicht nur gehört, sondern erhört worden wäre.

Wie hängt die Stiftung mit dem Bundestag zusammen? Und was sind Ihre Aufgaben als Abgeordneter im Stiftungsrat?

Damit wir als Politikerinnen und Politiker schnell und fundiert entscheiden können, brauchen wir eine gute Informationsgrundlage. Die Erkenntnisse, Ergebnisse und Empfehlungen der Forschung haben also eine sehr praktische Bedeutung für demokratische Entscheidungsprozesse. Daher hat die Bundesregierung im Jahr 2000 die Stiftung selbst ins Leben gerufen. Die Verbindung zwischen Stiftung und Politik zeigt sich unter anderem an der Zusammensetzung des Stiftungsrates: Er besteht aus insgesamt zwölf Mitgliedern, darunter vier Vertreter der Bundesregierung und drei Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Gemeinsam haben wir die Aufgabe, die grundsätzliche Ausrichtung der Stiftung sowie Rahmenbedingungen festzulegen, unter denen die Stiftung ihre Arbeit zielgerichtet leisten kann.

Sie sitzen im Bundestag dem Bildungs- und Forschungsausschuss vor. Sehen Sie da inhaltliche Verbindungen? Kann Bildung langfristig eine positive Rolle für den Frieden spielen?

Gewalt und Konflikte entstehen in den Köpfen von Menschen. Damit spielt Bildung eine entscheidende Rolle für den Frieden. Mithilfe von Bildung lassen sich Feindbilder abbauen, das Bewusstsein für Konfliktrisiken und Krisenvorsorge schärfen und so das Verständnis für friedliche Lösungen erhöhen. Im Ausschuss haben wir bei vielen unserer Fachthemen Schnittstellen zur Friedensforschung: Von der Förderung von Forschungsprojekten über Sicherheitsforschung bis hin zur Dual-Use-Problematik, also der militärischen Nutzung ziviler Forschungsergebnisse. Auch beschäftigt sich unsere Technikfolgenabschätzung mit Fragen von Energiesicherheit, Cybersicherheit oder den ethischen Risiken und rechtlichen Fragen (teil)autonomer Waffen-Technologien.

Wichtig ist mir aber auch, dass die Klimaforschung und ihre Erkenntnisse zu gravierenden Auswirkungen der Klimakrise – wie Artensterben, Dürren, Wassermangel, Ressourcenknappheit, Verteilungsfragen und Fluchtursache – als Dimension in der Konflikt- und Friedensforschung noch mehr Gewicht bekommen. Denn Klimafolgen werden Sicherheitsrisiken erheblich erhöhen. Klimaschutz ist also auch Friedens- und Sicherheitspolitik.

Zur Person

Kai Gehring, 1977 geboren, hat nach dem Abitur Sozialwissenschaft studiert. Seit 1998 ist der Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, seit 2005 sitzt er im Bundestag. Sein Schwerpunkt ist die Bildungspolitik; in dieser Legislaturperiode sitzt er dem Bildungsausschuss vor. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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