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Gesundheitsexpertin „Die Risiken werden unterschätzt“

Vor Abhängigkeit, Reizungen der Atemwege, allergischen Reaktionen und Entzündungen beim Konsum von E-Zigaretten warnt die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Leiterin Heidrun Thaiss vor einer blauen Wand mit der Aufschrift 'BZgA - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung'

Jugendliche seien gefährdeter als Erwachsene, sagt Heidrun Thaiss. Foto: Bernd Rosenbaum

In E-Zigaretten ist genau wie in ‚normalen‘ Zigaretten Nikotin enthalten, allerdings in flüssiger Form. Welchen Unterschied macht das?

Nikotin ist eine psychoaktive Substanz mit hohem Suchtpotenzial, das heißt, durch den Konsum von nikotinhaltigen Produkten – Tabakzigaretten oder E-Produkten mit nikotinhaltigen Liquids – besteht immer das Risiko, nikotinabhängig zu werden.

Sind E-Zigaretten genauso gesundheitsschädlich wie Tabakzigaretten?

Auch der Konsum von E-Zigaretten kann zu einer Abhängigkeit von Nikotin führen. Dabei besteht auch das Risiko, dass Konsumierende zu Tabakprodukten wechseln beziehungsweise sowohl E-Produkte als auch Tabakprodukte konsumieren. Damit steigen die gesundheitlichen Risiken. Beim Rauchen von Tabakzigaretten werden viele krebserregende Stoffe inhaliert, die durch das Verbrennen von Tabak entstehen. Diese Stoffe entstehen beim E-Zigaretten-Konsum nicht, es liegen jedoch noch keine Studien über die langfristigen gesundheitlichen Folgen des E-Zigaretten-Konsums vor. Bekannt ist, dass es durch den Konsum von E-Zigaretten zu Reizungen der Atemwege und einer Beeinträchtigung der Mundflora kommt, einzelne Veröffentlichungen berichten über Entzündungsreaktionen und allergische Krankheitsbilder der Lunge.

Ist es gefährlich, wenn ich E-Zigaretten mal ausprobiere oder nur hin und wieder einmal rauche?

Der Konsum von E-Zigaretten ist grundsätzlich mit Gesundheitsrisiken verbunden. Enthalten E-Zigaretten Liquids mit Nikotin, besteht das Risiko, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Das gilt insbesondere für junge Menschen. Zudem können Konsumierende schwer einschätzen, wieviel Nikotin sie aufnehmen, da die E-Zigarette – anders als eine Tabakzigarette – nicht „abbrennt“. Es dauert relativ lange, bis der Akku einer E-Zigarette aufgeladen beziehungsweise das Liquid nachgefüllt werden muss. Daher besteht das Risiko, dass unbemerkt eine große Menge Nikotin aufgenommen wird. Problematisch ist auch, wenn sich sogenannte Konsumgewohnheiten entwickeln, beispielsweise die E-Zigarette zu bestimmten Gelegenheiten wie selbstverständlich dazugehört. Solche Gewohnheiten können neben der körperlichen eine psychische Abhängigkeit begünstigen.

Über die BZgA

Die Bundezentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gibt es seit 1967. Ihre Aufgabe ist es, die Menschen über Gesundheitsthemen zu informieren, Empfehlungen für eine gesunde Lebensweise zu geben und so Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Die BZgA ist dem Bundesministerium für Gesundheit unterstellt.

Über die Langzeitfolgen von E-Zigaretten gibt es, wie Sie schon sagten, noch keine verlässlichen Studien. Wann wird es voraussichtlich sichere Erkenntnisse geben?

Zu den gesundheitlichen Risiken des Rauchens von Tabakzigaretten wird seit Jahrzehnten geforscht. E-Zigaretten sind hingegen relativ neu auf dem Markt. Bis erforscht sein wird, welche gesundheitlichen Folgen ein jahrzehntelanger und gegebenenfalls starker Konsum von E-Produkten hat, wird es noch einige Jahre dauern. Zudem werden E-Produkte kontinuierlich weiterentwickelt, was eine Vergleichbarkeit mit „älteren“ E-Zigaretten-Modellen erschweren kann. Allgemeiner Erkenntnisgewinn entsteht jedoch kontinuierlich durch die Veröffentlichung einzelner Krankheitsbilder mit Bezug zum Konsum von E- Zigaretten.

Es gibt auch E-Zigaretten, in denen kein Nikotin enthalten ist. Sind sie deshalb unbedenklich?

Der Konsum von E-Produkten ist auch dann mit gesundheitlichen Risiken verbunden, wenn die Liquids kein Nikotin enthalten. Das gilt für E-Zigaretten genauso wie für Shishas, die es ja auch in elektronischer Variante gibt. Die in den Liquids enthaltenen Stoffe können zu Reizungen der Atemwege, allergischen Reaktionen und zu Entzündungen führen. Da sich die toxischen Substanzen in der Umgebungsluft anreichern können, besteht auch hier das Risiko des Passivrauchens, was besonders gefährlich wäre zum Beispiel für Schwangere und Kinder.

Viele Jugendliche rauchen E-Zigaretten und E-Shishas – gibt es dazu Zahlen?

Ergebnisse einer BZgA-Befragung aus dem Jahr 2018 zeigen, dass fast alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen E-Zigaretten kennen. Sowohl der einmalige als auch der regelmäßige Konsum haben in den letzten Jahren zugenommen. 14,5 Prozent der 12- bis 17-Jährigen geben an, schon einmal eine E-Zigarette konsumiert zu haben. Bei den 18- bis 25-Jährigen sind es bereits 29,9 Prozent. Und 5,1 Prozent der Jugendlichen sowie 7,5 Prozent der jungen Erwachsenen geben an, dass sie in den letzten 30 Tagen E-Zigaretten konsumiert haben.

Jugendliche werden durch viele süße, vermeintlich interessante Geschmacksrichtungen der Liquids und vom modernen Design der E-Produkte angesprochen. Hierdurch kann der Eindruck entstehen, dass der Konsum ohne Risiken ist und E-Produkte zum zeitgemäßen Lifestyle gehören. Die gesundheitlichen Risiken werden dabei unterschätzt – auch das Risiko, später einmal zu Tabakzigaretten zu greifen. Das Zentralnervensystem und damit das Gehirn von Jugendlichen befinden sich in einem Entwicklungsprozess. Nikotin kann diese Reifungsprozesse negativ beeinflussen, was letztlich schneller als bei Erwachsenen zu einer Abhängigkeit führen kann: Aktuelle Studien legen nahe, dass der experimentelle Konsum von E-Zigaretten bei Jugendlichen zu einem Einstieg ins Rauchen führen kann. Vom Konsum nikotinhaltiger E-Produkte ist daher unbedingt abzuraten. Diese gehören aufgrund des hohen Abhängigkeitspotenzials von Nikotin nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen.

Über Heidrun Thaiss

Heidrun Thaiss leitet seit 2015 die Bundezentrale für gesundheitliche Aufklärung. Davor hat die Medizinerin im Öffentlichen Gesundheitsdienst mehrerer Bundesländer gearbeitet und im Gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein die Leitstelle Prävention und Gesundheitsförderung verantwortet.

(jk)

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