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IPS 2024 „Politik ist mehr als Schreibtischarbeit“

Naomi Webster-Grundl

Seit März nimmt Kadir am Programm des Internationalen Parlaments-Stipendiums teil, seit April ist er Praktikant im Büro des Bundestagsabgeordneten Max Lucks. Wir haben die beiden zum Interview getroffen und wollten wissen, ob die Arbeit im Abgeordnetenbüro so abläuft, wie Kadir sich sie vorgestellt hat, und was die beiden bislang voneinander lernen konnten.

Der Bundestagsabgeordnete Max Lucks und sein IPS-Praktikant Kadir sitzen auf einer Couch im Büro und lächeln in die Kamera.

Kadir (rechts) ist IPS-Stipendiat und macht ein Praktikum im Büro des Bundestagsabgeordneten Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen). © mitmischen

Kadir (29) stammt aus der Türkei und hat gerade seinen Jura-Master in Heidelberg abgeschlossen. Da er schon immer gerne in der Politik arbeiten wollte, hat er sich sehr gefreut, als er einen Platz beim Internationalen Parlaments-Stipendium (IPS) des Bundestages bekommen hat. Teil des Stipendiums ist ein Praktikum bei einem Abgeordneten. Kadir absolviert sein Praktikum im Büro von Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen).

Ist die Arbeit bei einem Abgeordneten so, wie du sie dir vorgestellt hast?

Kadir: Als ich erfahren habe, bei welchem Abgeordneten ich bin, habe ich direkt recherchiert und ehemalige Stipendiaten gefragt und die meinten, Max sei jung und engagiert. Das hat mich total gefreut. Natürlich fand ich es sehr interessant, dass Max erst 27 Jahre alt ist, also jünger als ich, aber dennoch mein Chef ist. In meinem Land, der Türkei, sind die Politiker klassischerweise alt und männlich. Auch sein Team ist jung und deswegen ist die Arbeit sehr dynamisch. Das gefällt mir sehr gut.

Herr Lucks, was bringt Kadir mit, was für Ihre Arbeit wertvoll ist?

Max Lucks: Wir haben uns natürlich total gefreut, dass ein IPS-Praktikant mit Türkeibezug zu uns kommt. Weil das natürlich zu vielen Themen passt, zu denen wir arbeiten. (wendet sich an Kadir) Dass du Türkisch beherrschst, ist in vielen Terminen, die wir haben, sehr hilfreich. Kadir bringt eine ganz starke Neugier und gleichzeitig eine große interkulturelle Kompetenz mit. Davon profitiert das ganze Team unheimlich. Gerade auch als Kadir in meinem Wahlkreis, in Bochum, war, hat man das sehr stark gespürt.

Was würdest du sagen, Kadir, wie unterscheidet sich die Arbeit im Wahlkreis von der Arbeit in Berlin?

Kadir: Ich glaube, im Wahlkreis ist die Arbeit näher an der Realität. Wenn du dort Menschen begegnest, dann musst du Dinge erklären, die Leute überzeugen. Im Wahlkreis findet die Politik auf dem Boden der Tatsachen statt. Da muss man den Leuten konkret zeigen, welche Projekte umgesetzt wurden, welche Schritte gemacht wurden, um die Gesellschaft weiterzubringen. Wenn die Menschen in deinem Wahlkreis nicht sehen, was du als Abgeordneter machst, dann kommst du nicht mehr in den Bundestag.

Und was sind konkrete Aufgaben, die du, Kadir, hier im Büro bisher übernehmen konntest?

Kadir: Die Recherche zu Themen über die Türkei, über den Nahen Osten und den Iran zum Beispiel. Oder die anderen Mitarbeiter bei der Planung von wichtigen Treffen unterstützen. Es ist sehr wertvoll für mich, die Arbeitsabläufe zu beobachten, was im Hintergrund alles passiert. Und der Menschenrechtsausschuss ist super interessant für mich, weil ich Jurist bin und ich gerne zu Asyl- und Migrationspolitik sowie Migrationsrecht arbeite. Deshalb freue ich mich, dass ich noch ein paar Termine des Ausschusses in meiner Zeit hier besuchen kann.

Was sind denn Unterschiede zwischen Deutschland und der Türkei in der parlamentarischen Arbeit?

Kadir: Ich glaube, hier ist es ein bisschen lockerer. Man kann einfacher in die Politik reinkommen. In Deutschland ist es mit weniger Hürden verbunden, sich in Parteien, Vereinen, Gewerkschaften oder auch zivilgesellschaftlich zu engagieren. Und wenn man sich einsetzt und engagiert, dann kann man es auch in die Politik schaffen. Aber in der Türkei ist es schwieriger. Ich komme aus einer Mittelstandsfamilie und aus dieser Ausgangslage, ohne nennenswerte Beziehungen, finde ich es fast unmöglich, in die Politik reinzukommen. 

Was konntet ihr bislang voneinander lernen?

Max Lucks: Was ich von Kadir lernen kann, ist, wie man sich sehr schnell in neue Situationen und Themen einarbeitet. (wendet sich an Kadir) Denn du kommst hier in viele Situationen, die total neu für dich sind, aber irgendwie schaffst du es immer, eine gute Performance zu machen. Das ging mir ehrlicherweise am Anfang meiner Zeit hier nicht so. (lacht) Ich bin als neuer Abgeordneter immer so ein bisschen in Situationen reingestolpert. Und was ich auch sehr beeindruckend finde, ist, dass du, wenn du zu einem Thema eine andere Meinung hast, immer erst mal versuchst, dich in die Gegenseite hineinzuversetzen: Was ist denn die Perspektive der Gegenseite und was kann man aus dieser anderen Sichtweise vielleicht auch für sich selbst ableiten? Ich glaube ehrlicherweise, das ist etwas, dass alle Politiker, mich eingeschlossen, viel zu wenig machen und viel zu wenig können. Aber wovon sie wahrscheinlich sehr profitieren würden.

Kadir: Max ist sehr überzeugend, finde ich. Und ich finde es schon sehr beeindruckend, dass er in seinem Alter Abgeordneter im Bundestag ist, dass er das geschafft hat. (wendet sich an Max Lucks) Du arbeitest sehr konzentriert und zielorientiert an Themen, weil du Dinge, die du in Angriff nimmst, auch zu Ende bringen möchtest. Und ich kann gut beobachten, wie man ein Büro als Chef leitet.

der IPs-Praktikant Kadir und der Bundestagsabgeordnete Max Lucks unterhalten sich.

Kadir (links) freut sich, durch das IPS-Programm und sein Praktikum im Büro von Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen) den politischen Betrieb des Deutschen Bundestages kennenzulernen. © mitmischen

Herr Lucks, was würden Sie sich wünschen: Was soll Kadir aus seiner Zeit im Bundestag mitnehmen?

Max Lucks: Ich hoffe, dass Kadir seine Zeit hier bei mir im Büro gefällt, denn natürlich ist mir sehr wichtig, dass wir hier wirklich als Team zusammenarbeiten und man sich schnell als Teil des Teams fühlt. (wendet sich an Kadir) Ich wünsche mir, dass du mit einer positiven Erfahrung hier rausgehst und den Politikbetrieb besser kennengelernt hast. Und ich hoffe, dass das Bild, dass Politik nur Schreibtischarbeit ist, aufgebrochen wird. Klar, hier in Berlin ist Politik sehr viel Schreibtischarbeit. Aber im Wahlkreis ist Politik – wie Kadir gesagt hat – Arbeit am Menschen. Und dieses Bild von einer Politik zu transportieren, die empathisch für Menschen da ist, sie ernst nimmt und versucht, ihre Anliegen zu repräsentieren, das ist mir eigentlich fast am wichtigsten, mitzugeben.

Wie soll es für dich perspektivisch nach dem IPS weitergehen, Kadir?

Kadir: Mein Ziel ist es auf jeden Fall, weiter in der Politik zu arbeiten. Deshalb ist das jetzt auch eine große Chance, viele Politiker oder Menschen kennenzulernen, die mir dabei helfen können oder bei denen ich auch aktiv sein kann. Und von denen ich lernen kann, wie es funktioniert, Politiker zu sein. Aber ich habe eben noch einiges zu lernen, weswegen ich erstmal weiter im Hintergrund arbeiten möchte.  Ein direktes Ziel von mir ist: Ich mache einen Vlog über meine Zeit hier im Bundestag und da möchte ich auf jeden Fall noch ein gemeinsames Video mit Max drehen. Aber der ist immer sehr beschäftigt, deswegen haben wir das noch nicht geschafft.

Max Lucks: Aber das machen wir auf jeden Fall noch!

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