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PPP-Stipendiaten in den USA Justus, 16, von Niedersachsen nach Texas

„Texas ist eine ganz andere Welt“ - das hat sich Justus schon vor dem Abflug gedacht und lag damit absolut richtig! In seinem Blog berichtet er von seiner Abenteuerreise samt Marching-Band, Highschool-Life, Footballspielen, neuer Familie, Freunden und natürlich Cowboys in Amerika!

Justus (in der Mitte) wurde am Flughafen von seinem Gastvater (rechts von ihm) und einigen Mitgliedern der Schul-Marching-Band empfangen. © privat

Howdy! Ich bin Justus,...

…16 Jahre alt und komme aus Bramsche in der Nähe von Osnabrück in Niedersachsen. Nach inzwischen fast zwei Monaten im US-Bundesstaat Texas habe ich mir es aber schon fast angewöhnt zu sagen, dass ich aus „Meridian“ komme – der Kleinstadt, die ich dank des 41. Parlamentarischen Patenschaftsprogramms zehn Monate „Zuhause“ nennen darf! 

Den Traum, ein Auslandsjahr zu machen, hatte ich schon seit langem. Eine meiner Lieblingsaktivitäten ist es nämlich, Deutschland und Europa zu bereisen. Doch ich wollte immer schon mehr als das sehen, was man bei einer kurzen Reise von Kultur und Lebensweise erfährt. Ich wollte auch das wirkliche Leben hinter den Orten und Menschen erleben, die ich so gerne besuche. Das geht aber nur über einen längeren Zeitraum, was den Wunsch nach einem „Exchange-Year“ in mir geweckt hat. Besonders fasziniert hat mich Amerika bei einer Reise, die ich mit meiner Familie als kleiner Junge gemacht habe. Seitdem konnte ich nur davon träumen, auch ein Jahr dort verbringen zu dürfen – was mir das PPP endlich ermöglicht. 

In Deutschland habe ich mich nämlich schon seit langem sehr für Politik interessiert und mich engagiert. Neben dem Debattieren spiele ich Theater und schwimme, doch als Cellist und Chorsänger und Teil einer sehr musikalischen Familie ist eine meiner größten Leidenschaften die Musik. 

Das kann ich hier nun auch weiterführen: Ich bin Teil der Marching-Band meiner Schule, die es in den letzten Jahren immer bis zu den texanischen Meisterschaften gebracht hat. Das ist vor allem meinem Gastvater zu verdanken, der der Band-Director meiner Schule ist. Auch wenn in unserem Haus nur er und ich leben, sind wir niemals wirklich allein, weil er in der ganzen Stadt als ehemaliger Bürgermeister und durch die Band eng vernetzt ist und ich mich dank dieser vielen Kontaktmöglichkeiten wirklich wie „Zuhause“ fühle. Erleben durfte ich hier bis jetzt also schon ganz, ganz, GANZ viel: Und auf diese Reise möchte ich euch in meinen Blogeinträgen mitnehmen!

Mit meiner Vorhersage habe ich auf jeden Fall recht behalten: Das neue Jahr sollte sogar noch aufregender werden, als ich es mir erhofft hatte. Denn trotz unvorhersehbaren Wetters, habe ich erneut viel erlebt und wohl mehr gelernt als jemals zuvor:

Sekundenschnee

Etwas, dass man – finde ich – sehr außer acht lässt, wenn man über das Leben in einem anderen Land spricht, ist das Klima: Das liebste „Smalltalk-Thema“, mit dem so viele Amerikaner (und inzwischen auch ich) Konversationen beginnen. Entgegen dem Klischee des „warmen Klimas“, was ich hatte, hieß es dann aber doch nun „Ganz schön kalt draußen!“. Mit den Temperaturen, die jeden Tag zwischen -12 Grad Celcius und +27 Grad Celcius schwanken, kann es schon mal sein, dass ich mir die dicken deutschen Wände statt der Papierwände hier, oder einen Ofen anstatt des tragbaren, elektrischen Heizers, wünsche. 

Der Januar brachte dann auch den ersten Schnee, den es hier in Texas seit langem gab, der aber leider nur für ein paar Minuten liegen blieb. Die Schule hatte übrigens schon vorher „Schlechtwettertage“ eingeplant – bei Schnee Auto zu fahren ist für die meisten Texaner zu gefährlich. Da diese „Weather-Days“ aber schon vorher in den Kalender eingetragen sind, kann das gerne auch mal einen zusätzlichen freien Schultag bedeuten. 

Als (Junior-) Botschafter in D.C.

Ein unvergessliches Ereignis im Januar war aber natürlich auch die Vereidigung des neuen US-Präsidenten. Zwar wurde die Zeremonie aufgrund der ungewöhnlichen, extremen Kälte unter die Kuppel des Kapitols verlegt, weswegen mein Gastvater und ich nicht wie eigentlich geplant selber nach Washington D.C. gereist sind. Die Vereidigung wurde aber auch so mit großem Beifall in unserem Haus vor dem Fernseher gefeiert.

Eine Collage zeigt links die Aufnahme einer Stadt vom Flugzeug aus, rechts das Kapitol in Washington D.C..

Von Texas ging es nach Washington D.C. – die Hauptstadt der USA. © privat

Nur ein paar Tage später sollte ich die Hauptstadt der Vereinigten Staaten doch noch sehen. Jedes Jahr haben alle PPP-Stipendiaten die Möglichkeit, für ein paar Tage ins Zentrum der amerikanischen und globalen Politik zu reisen. Nicht nur habe ich Freunde wiedergesehen, sondern auch ganz viel über diese Stadt gelernt, deren Stil fast schon an unsere Heimat erinnert.

Von Besuchen der Denkmäler und Museen um die „National Mall“, dem Park im Zentrum der Stadt, über die Besichtigung des Kapitols oder der „Library of Congress“ bis hin zum Weißen Haus war fast alles dabei. Im Außenministerium, dem Träger unseres Programmes, konnten wir nicht nur einigen Diplomaten Fragen stellen, sondern auch richtig debattieren – in meinem Fall zum Thema Migration.

Das Spektakulärste war jedoch der letzte Tag – die definitiv spannendsten 24 Stunden meines Lebens. Junior-Botschafter zu sein, hat ganz viele verschiedene Facetten: Primär geht es natürlich darum, unser Heimatland in unserer Stadt und Gemeinde zu repräsentieren, aber auch auf politischer Ebene versuchen wir als Botschafter zu agieren. 

Dafür hatten wir alle die Chance, nicht nur einen Mitarbeiter einer der Senatoren von Texas zu treffen, sondern sogar ein privateres Gespräch mit einem Teil des Teams des Repräsentanten (ähnlich zu unseren Wahlkreisen) zu führen. Neben Themen wie globaler Politik ging es auch um lokale Themen. Zum Beispiel darum, was im beschaulichen „Distrikt Texas 31“ so alles erreicht werden soll und wie es ist, in einer so wichtigen Einrichtung zu arbeiten - eine Karriere, die manche der PPPler vielleicht eines Tages selbst einschlagen wollen. 

Bildcollage aus zwei Fotos. Links ein junger Mann in Anzug vor einem Gebäude aus weißem Stein, rechts eine Gruppe junger Menschen im Innenraum eines Denkmales.

Bei einem Besuch in der US-amerikanischen Hauptstadt darf das Sightseeing natürlich nicht fehlen! © privat

Den ganzen Tag konnten wir uns frei durch die Bürogebäude des Kongresses bewegen und mit einem Joghurt aus dem Abgeordneten-Restaurant fühlt man sich schon richtig wie ein Teil dieses eindrucksvollen Systems. Dass ich jemals bei der Anhörung des jetzigen Gesundheitsminister R. F. Kennedy Jr. dabei sein oder Vizepräsident JD Vance an mir vorbeifahren würde, hätte ich mir niemals erträumen können. Und als wäre all das nicht schon genug, konnten wir unser Abenteuer abschließen mit dem Besuch eines Basketballspiels der NBA. Die Washington Wizards mögen vielleicht verloren haben, trotzdem kommt der gratis Trinkbecher auf jeden Fall als Erinnerungsstück mit zurück nach Deutschland. 

Ein schrecklicher Zwischenfall 

Auf dem Rückweg mit der Metro (dem ersten öffentlichen Verkehrsmittel, welches ich seit langem benutzt habe) zurück zum Hotel ist unserer Gruppe aber klar geworden, dass etwas nicht stimmt. Die U-Bahn kam einfach nicht. Nachdem wir in der Station noch heiter ein paar deutsche Klassiker angestimmt hatten, sickerte so langsame eine schreckliche Nachricht durch. Am Flughafen hatte es einen Unfall gegeben, bei dem ein Helikopter mit einem Flugzeug zusammengestoßen ist. 

Unser Hotel lag direkt am Flughafen und wie wir später herausfanden, nur zwei Kilometer von der Unfallstelle entfernt. Fragen über Fragen machten sich breit. Die Bahn setzte sich dann doch irgendwann in Bewegung, aber ausgerechnet als wir den Bahnhof am Pentagon, dem riesigen Verteidigungsministerium, nahe des Flughafens erreicht hatten, ging es nicht mehr weiter und mit dem eventuellen Verdacht auf einen Terroranschlag wurden wir im Wagen festgehalten. Wie sich letztlich herausstellte, handelte es sich zwar „nur“ um einen technischen Fehler – die Angst, die wir aber in dem Moment hatten, lag sehr spürbar in der Luft. 

Das erste mal „Privatjet“ fliegen

Am nächsten Morgen, dem Tag des eigentlichen Abflugs, war allerdings schon klar, dass auch der Rückflug nach „Cowboyland“ nicht wie geplant ablaufen würde. Der Flughafen war noch gesperrt, der Flug gecancelt und uns blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Zum Glück fand sich doch noch ein Ersatzflug circa zwölf Stunden später. 

Schon am Gate bemerkten wir aber, dass trotz vieler abgesagter Flüge und entsprechend entgegen unserer Erwartungen das Flugzeug fast leer sein würde. Und tatsächlich: Wir 13 Deutsch-Texaner hatten eine ganze Maschine für uns allein. Inklusive Besichtigung des Cockpits, Gesprächen mit den Piloten und den Flugbegleiterinnen sowie Essen aus der „Ersten Klasse“ – dem wohl besten Essen, was ich je auf einer so luftigen Höhe hatte. 

Mehr als nur ein Hobby

Auch im Februar ging es für mich weiter mit vielen neuen Erlebnissen: Zum Beispiel dem Start der Konzert- und Theatersaison. In der Rolle als „magischer Baum“ konnte ich den Preis als bester Schauspieler des Distrikts abräumen. Hier wird nicht nur zweimal unter der Woche, sondern sogar an Sonntagen (selbstverständlich erst nach der Kirche) geprobt – hier ist die Schauspielerei nämlich mehr als nur ein Hobby: Die ganze Gruppe nimmt regelmäßig an Wettbewerben Teil, um sich für die nächste Runde zu qualifizieren: Bis jetzt mit großem im Erfolg.

Politische Situation

Zur globalen politischen Lage lässt sich vor allem sagen, dass sie angespannt ist. Man hat in den USA vielleicht von der Bundestagswahl nicht viel mitbekommen, die „Neuordnung des Westens“ spürt man aber ebenfalls. Viele Dekrete des US-Präsidenten werden zurzeit durch verschiedene Gerichte blockiert, was im Land für zusätzliche Unruhe sorgt. Ich bemerke auch, dass sich langsam eine gewisse Skepsis gegen das neue Vorgehen in der Politik bildet (wenn sie nicht vorher sowieso schon da gewesen ist): Die versprochenen Preis- und Steuersenkungen sind noch nicht eingetreten, die Auswirkungen der aggressiven Zollpolitik sind ungewiss und außenpolitisch spitzt sich die Lage weiter zu. Dennoch bleibt die Unterstützung für Präsident Trump hoch. Mein Gastvater meint: „What else are we supposed to do but support him?“ 

Die Kraft und Bedeutung von Gesprächen und der Fähigkeit, „seine Stimme laut zu machen“, ist für mich in den vergangenen Monaten seit der Wahl noch deutlicher geworden. Die Leute, mit denen ich in Washington, aber auch jeden Tag hier in der Schule und der Stadt gesprochen habe, konnten mir immer wieder zeigen, weswegen ich hier bin: Junior-Botschafter zu sein, heißt auch wieder viel mit nach Hause zu nehmen und nie auszulernen. Jeden Tag gibt es neue Sachen zu entdecken!

Eine große Gruppe junger Menschen posiert vor dem Hintergrund eines großen Parks und eines hohen und spitzen Monumentes mit zwei weißen Bannern, auf denen CBYX/PPP steht.

Die Juniorbotschafterinnen und -botschafter des CBYX/PPP-Stipendiums haben in Deutschland wie in den USA eine wichtige Aufgabe: den Austausch zwischen den Kulturen und das Verständnis füreinander stärken. © privat


Christmas mit Cowboyhut und 26 Grad in Texas

Die Weihnachtszeit wird in den Vereinigten Staaten und bei mir in Texas riesig gefeiert – und an manchen Stellen auch ganz anders als bei uns in Deutschland! 

 „It’s tiiiiiiiime“ im November (Reference zu Mariah Carey)

In den USA beginnt Weihnachten „offiziell“ nach Thanksgiving Ende November – für mich als jemand aus einer Familie, die nicht vor dem 20. Dezember mit dem Schmücken des Weihnachtsbaums beginnt, eine große Umstellung. Zu jeder Jahreszeit und jedem Fest ist natürlich auch aktuell hier jedes Haus mit Lichtern geschmückt und auf allen Radiosendern läuft „All I want for Christmas“ in Dauerschleife. Diesen Spirit finde ich zwar ein wenig exzessiv, aber gleichzeitig auch wunderschön. Inzwischen laufe ich sogar mit riesigen Elfenschuhen mit Glöckchen durchs Haus, die mir meine Gastoma geschenkt hat und höre mich damit fast so an wie Rudolph das Rentier höchstpersönlich. Mitdekoriert habe ich den Park zum Eingang der Stadt, der jetzt mit riesigen Lichtern geschmückt ist.

Fotocollage aus zwei Bildern: links ein junger Mann mit lockigen hellbraunen haaren, der auf einem Stuhl sitzt, neben ihm ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum aus Plastik. Rechts ein festlich geschmückter Park durch den Menschen spazieren.

Ein Weihnachtsbaum aus Plastik und taghelle Parks – die Weihnachtszeit in den USA ist anders festlich. © privat

Den Adventskalender, der mir in einem „Rationspaket“ aus Deutschland geschickt wurde, haben mein Gastvater und ich in voller Vorfreude auf das Fest jeden Tag aufgemacht. An Weihnachten selbst haben wir nach dem Gottesdienst, der hier kulturell nicht optional ist, und dem klassischen Weihnachtsessen mit der Familie auch mit unseren Freunden gefeiert. Übrigens bei immer noch 26 Grad draußen auch mit texanischem Barbecue. Amerikanische Traditionen (oder vielleicht sind es auch nur Stereotype) wie die Gurke im Baum durften auch nicht fehlen!

Justus (mehr oder weniger) allein in New York 

Egal was ich am 25. Dezember, dem Tag an dem Amerikaner das Fest feiern, geschenkt bekommen habe, eins der besten Geschenke habe ich schon ein wenig „vorträglich“ erhalten: New York City zu sehen, war für mich schon immer ein „American Dream“, den mir mein Auslandsjahr jetzt ermöglicht hat.

Die weihnachtlich geschmückte Stadt ist sogar noch vielfältiger und ereignisreicher, als ich es mir erträumt hatte. Und neben Freiheitsstatue, Empire State Building und Central Park, auf den Spuren des Films „Nachts im Museum“ im Museum of National History, beim Schlittschuhlaufen und vielem mehr habe ich natürlich auch den großen Weihnachtsbaum am Rockefeller Center gesehen – und in meiner Reisegruppe dabei auch noch tolle neue Leute kennengelernt!

Fotocollage aus zwei Großstadtmotiven – links eine Ampel mit mehreren Schildern, rechts ein voller Platz mit vielen Leuchtreklamen.

Ein Traum geht in Erfüllung: Den Trubel von NYC konnte Justus in der Vorweihnachtszeit förmlich aufsaugen. Ein Besuch auf dem Broadway und dem Times Square gehörten natürlich auch dazu! © privat

Auch wenn man dort am Rockefeller Center die Sterne am Himmel zwischen Wolkenkratzern in Manhattan nicht sehen kann, konnte ich trotzdem ein paar der größten amerikanischen Stars sehen. Die „Rockettes“, die jedes Jahr im Dezember ihr „Christmas Spectacular“ in der berühmten Radio City Hall aufführen sind echte Ikonen der amerikanischen Kultur. Mit mehr als nur dem klassischen „Line Dancing“ und dem überragenden Orchester haben sie mich und die anderen Zuschauer in der vielleicht berühmtesten Aufführungsstätte der USA begeistert. 

Auch der Rückflug zurück ins ländliche Texas hatte etwas für sich. Der Flughafen Dallas, auf dem ich schon das erste Mal gelandet bin, liegt inmitten von hunderten Quadratkilometern Vorstädten, die beim nächtlichen Anflug mit ihren unzähligen Lichtern alles erleuchten – ein wirklich schöner Anblick. 

Ein Weihnachten ohne die (eigene) Familie 

Doch nicht alles ist einfach: Das Weihnachtsfest das erste Mal mehr als 8.000 Kilometer weit weg von zuhause ohne meine Eltern, meinen Bruder und meine Großeltern zu feiern, wollte ich eigentlich noch nicht. Gerade in der Adventszeit wird es für Austauschschüler häufig besonders schwierig mit dem Heimweh. Aber auch wenn ich natürlich meine Familie, Freunde und den Weihnachtsmarkt in der Bramscher Innenstadt sehr vermisse und nur stolz von unseren weihnachtlichen Traditionen erzählen kann, bin ich froh, dass ich hier auch ein unvergessliches Fest habe – schließlich bin ich hier ja auch Teil einer „zweiten Familie“. Auf dieses Weihnachtsfest hatte ich mich schon seit dem Anfang meiner Bewerbung für das Auslandsjahr gefreut. Zwar bedeutet das Fest, von seiner Familie getrennt zu sein, gleichzeitig fühle ich mich aber auch verbunden mit der neuen Welt. Alles, was ich aus dieser Zeit mitnehmen kann, ist definitiv Teil meiner „American Experience“.

An Heiligabend (beziehungsweise ist es bei mir dann eher noch Mittag) habe ich nach dem Krippenspiel auch meine Familie in Bramsche angerufen, um dieses Fest wenigstens ein wenig teilen zu können und die Geschenke aus dem Weihnachtspaket von zuhause auszupacken. Die Miniatur-Freiheitsstatue und die „I love NY“-T-Shirt sind im Paket nach Hause zum Glück auch noch rechtzeitig angekommen.

Auf ein neues und nicht nur ein weiteres Jahr 

2024 war ein Jahr, welches ich mit keiner vorherigen Erfahrung vergleichen könnte. Ein Jahr, ganz anders als es bis jetzt immer gewesen ist – mit vielen Tiefen, aber noch mehr Höhepunkten. Und mit ganz vielen Neuerungen, so dass ich gar nicht gemerkt habe, wie schnell meine Zeit in den USA schon verflogen ist. Selbst die Feierlichkeiten an Silvester waren ganz anders, als ich das gewohnt war: 

Grundsätzlich wird das Neujahrsfest nach der Erschöpfung durch die vorherigen Feiertage in den USA eher kleiner gehalten. Trotzdem haben wir uns in der Kirche – dem Anker der sozialen Interaktionen in unserem Ort – zusammengefunden, um gemeinsam in ein neues Jahr zu starten. Da das „neue Jahr“ ein sehr langes Brettspiel bei uns unterbrochen hatte, haben wir nach dem obligatorischen Gebet auch direkt weitergespielt. Noch die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang um 8 Uhr sind wir aufgeblieben, um Brettspiele zu spielen (auch wenn mit den amerikanischen Regeln leider keine Partie an mich gehen konnte). Inzwischen ist es – in echter texanischen Art – von einem auf den anderen Tag draußen leider auch schon so kalt geworden, dass man sich hier lieber drinnen aufhält. Feuerwerk konnten wir an manchen Stellen aber dennoch sehen. 

Doch dass es alleine an diesem ersten Tag im Jahr schon so viel Neues gab, kann für mich hoffentlich nur ein großartiges Jahr 2025 bedeuten! 


Der „Pumpkin-Spice“-Herbst in Texas

Schneller als mir lieb ist, ist aus dem Sommer auch schon ein Herbst geworden. Für mich drehte sich in dieser Zeit viel um Politik, Traditionen, Feste und ganz viele neue Erfahrungen – garniert mit „Pumpkin-Spice“!

Aufhören, wenn’s am schönsten ist

Die Football-Saison ist inzwischen zu Ende und das heißt auch: Keine Spiele mehr mit der Band begleiten und auch keine Pep-Rallyes mehr, bei denen die Footballspieler, die Band und die ganze Schulgesellschaft sowie die Community motiviert werden – diese sehr amerikanische Eigenheit werde ich vermissen. Trotz Auszeichnungen als Klassensieger bei verschiedenen Wettbewerben haben wir es mit unserer Marching-Band leider nicht wie letztes Jahr auf das „Texas-Level“ geschafft. Mit ein paar Freunden und meinem Gastvater sind wir aber zumindest als Zuschauer zum Finale nach San Antonio gefahren. Die großen Bands mit bis zu 300 Mitgliedern zu sehen, war wirklich beeindruckend, und man konnte tatsächlich den Wind der verschiedensten Blasinstrumente auf der Zuschauertribüne spüren.

Das heißt aber auf keinen Fall, dass es für mich mit der Musik jetzt ein Ende hat. Im Gegenteil: Es geht mit Proben für Konzertstücke weiter und mit Veranstaltungen unserer Jazz-Band, auf die ich mich schon sehr freue.

Ein junger Mann spielt ein Cello.

Nach den Auftritten mit der Marching-Band ist vor den Auftritten mit der Jazz-Band. © privat

Ein Herbst in verschiedenste Farben getunkt

Nicht nur die Farben der Blätter waren im Herbst dieses Jahres ganz unterschiedlich. Von Halloween bis zum Schmücken des Weihnachtsbaumes, was die Amerikaner meistens direkt Anfang November machen, hielt der Herbst sehr viele Erlebnisse und Erfahrungen für mich bereit.

Halloween stand für mich ganz oben auf der Bucket-List, die ich für mein Auslandsjahr erstellt hatte. Mit ein paar Freunden sind wir mit sehr improvisierten Kostümen durch die Stadt gezogen und haben versucht, so viele Süßigkeiten wie möglich zu sammeln. Daraus wurden dann aber schnell nur noch viele nette Unterhaltungen mit Locals, die mich alle schon kannten, bevor ich überhaupt wusste, dass sie existieren! Kürbisse haben wir selbstverständlich auch geschnitzt, allerdings wurde daraus mehr oder weniger eine Kürbiskernschlacht.

Eine Collage zeigt links vier Jungs, die Kürbisse schnitzen. Rechts ist ein Kürbis mit geschnitztem Gesicht, der von einer Kerze innen erleuchtet ist, zu sehen.

Justus und seine Freunde haben Halloween ganz traditionell mit Kürbisschnitzen und Süßigkeiten-Sammeln verbracht. © privat

Thanksgiving von Papptellern

Die größte amerikanische Tradition im Herbst ist das sogenannte „Thanksgiving“ – ein Fest, das sich um Dankbarkeit dreht und dessen Ursprünge schon bei den Pilgervätern liegen, bevor es die Vereinigten Staaten überhaupt gab. Jedes Jahr kommt Ende November die ganze Familie zusammen, um dieses Fest zu feiern. Wie sehr selbst ich als Austauschschüler schon Teil der Familie geworden bin, ist mir beim gemeinsamen Gebet bewusst geworden: Ein ganzer Teil des Gebetes der gesamten Familie war allein mir und meinen Eltern sowie meinem Bruder zu Hause gewidmet.

Doch danach ging es umso schneller an die Teller. Natürlich habe ich auch vom „Thanksgiving-Turkey“ genommen, der hier mit allen möglichen Beilagen serviert wird. Was mir aufgefallen ist: Wir haben ausschließlich von Papptellern und mit Plastikmessern und -gabeln gegessen – solche interessanten amerikanischen Eigenarten begegnen mir hier sehr häufig.

Doch das Fest ist mehr als nur das Zusammensein mit der Familie und später noch mit der Kirchengemeinde. Es ist ein Fest, bei dem es darum geht zurückzugeben, und das habe ich auch ganz stark gespürt. Unterschiedlichste Menschen aus der Gemeinde kommen zusammen und kochen für Leute, die sich keine eigene Mahlzeit leisten können. Daran teilzunehmen, hat mir das Gefühl gegeben, der Community wenigstens ein bisschen etwas zurückzugeben.

Eine Collage zeigt links zwei Männer, die mit Tellern voll Essen an einem Tisch sitzen. Rechts oben sieht man Menschen, die sich an einem Buffet in einem privaten Haushalt zu Essen nehmen. Rechts unten posiert eine Gruppe Menschen für das Foto.

Thanksgiving hat Justus mit seinem Gastvater und dessen Familie verbracht. Außerdem hat er gemeinsam mit anderen für Bedürftige gekocht. © privat

„Familie“ – das vermutlich häufigste Wort in diesem Absatz – ist der Mittelpunkt des Zusammenlebens hier, was ich definitiv sehr schön finde!

Mit mindestens ein paar Kilogramm (oder Pfund) mehr war das wirklich eine wahnsinnig schöne Erfahrung und ein toller Abschluss für den Herbst.

Changes – now and tomorrow

In den letzten zwei Monaten habe ich mich selbst viel besser kennengelernt – in einer Phase, die viele als die schwierigste des Jahres beschreiben. Doch für mich war sie das nicht. So gut wie möglich habe ich versucht, an meinen Herausforderungen zu wachsen, und dabei ganz viel gelernt. Natürlich hat man mit verschiedenen Leuten – gerade auch in einer so politisch brisanten Zeit – manchmal Differenzen. Solche Perspektiven kennenzulernen, war einer der Gründe, warum ich in die USA gekommen bin. Auch wenn ich manchmal von den vielen Kulturunterschieden frustriert bin, weiß ich ganz genau, wie viel ich daraus lerne!

Ich habe definitiv auch gelernt, dass ich wirklich dankbar für mein Heimatland bin. Auch wenn die USA natürlich schön sind, habe ich mich besonders über die Pakete gefreut, die zur Vorweihnachtszeit mit meinen Lieblingskeksen eingetroffen sind. Und ein bisschen vermisse ich definitiv auch den Trubel in deutschen Städten – „Einkaufsmeilen“ gibt es hier in meiner sehr ländlichen Region in Texas außerhalb von Malls zum Beispiel gar nicht. Auch wenn es natürlich keine deutschen Weihnachtsmärkte gibt, sind die Amerikaner trotzdem dafür bekannt, die Weihnachts-Saison sehr zu zelebrieren und Häuser teils exzessiv zu dekorieren. Und jedes Getränk nun unter dem Namen „Pumpkin-Spice“ zu verkaufen!

Durch die Umstellung mit der Band und dass ich dadurch mehr Zeit zur Verfügung habe, haben sich viele neue Gelegenheiten ergeben, Erfahrungen zu sammeln. Jede Kleinigkeit, jede Interaktion und jede neue Freundschaft sind Erinnerungen, die die Zeit hier so wertvoll machen. Ich muss gar nicht die ganze USA sehen und bin mit meiner kleinen Community, in der mich ausnahmslos jeder kennt, genauso glücklich. Das ist meine persönliche American Experience!

Eine Collage zeigt links Weihnachtsbeleuchtung in einem Garten und rechts vier Jungs, die für ein Foto posieren.

Justus ist gespannt auf die Weihnachtszeit in den USA. Und er genießt es, Zeit mit seinen Freunden zu verbringen. © privat


Wie vereinigt sind die Vereinigten Staaten von Amerika wirklich?

Dass die Vereinigten Staaten von Amerika gar nicht so „vereint“ sind, wie es ihr Name vermuten lässt, wurde für mich bei der Präsidentschaftswahl 2024 deutlich. Schon bevor ich in die USA ging, hörte ich von vielen Seiten, dass ich unbedingt von der Wahl berichten sollte. Das internationale Interesse ist enorm – fast genauso groß wie das der Amerikaner selbst. Die ganze Welt blickte auf das Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump um das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten – und damit auch um die Rolle als „Anführer oder Anführerin der freien Welt“.

Die Spannung war hier von Anfang an zu spüren. Für viele Amerikaner ist die Präsidentschaftswahl so bedeutend, dass sie sich bereits Monate im Voraus mit Umfragen und politischen Diskussionen beschäftigen. Jeden Morgen, wenn ich verschlafen in die Küche kam, hörte ich entweder einen politischen Podcast oder die neueste Talkshow laufen. Die Diskussionen, die sich aus den darin angesprochenen Themen mit meinem Gastvater ergaben, schätze ich besonders. Er selbst war schon Bürgermeister und hat im Kongress mitgearbeitet, was seinen Einblick noch spannender macht. 

Texas: Ein republikanischer Fels in der Brandung 

Wie zu erwarten war, zeigte sich Texas, meine neue Heimat, auch dieses Mal als ein klar republikanisch geprägter Staat – vor allem in den ländlichen Gebieten. Zwar ist die Bevölkerung in den Städten etwas liberaler, doch der Ausgang der Wahl in Texas war bereits vorab abzusehen: Donald Trump würde hier erneut gewinnen. Texas gehört nicht zu den sogenannten „Swing-States“, die mal von den Demokraten und mal von Republikanern gewonnen werden und damit entscheidend sind. Der Fokus des Wahlkampfes lag daher auf eben diesen Swing-States: Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. Es heißt: Wer die meisten Swing-States gewinnt, entscheidet die Wahl für sich.

Trotzdem prägte die Wahl auch das tägliche Leben hier. Das Thema war allgegenwärtig – in der Kirche, bei Gesprächen mit Mitschülern oder einfach auf der Straße. Besonders auffällig waren die vielen „Pro-Life“-Schilder vor Häusern, die auf die Abtreibungsdebatte hinweisen – eines der umstrittensten Themen im Wahlkampf. Neben diesen Botschaften sah man überall Wahlplakate, Flaggen, Sticker und sogar Wandbemalungen, die deutlich machten, wie politisiert diese Gesellschaft ist.

Collage aus zwei Fotos von einer großen Wandmalerei mit Trump.

Während des Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahl konnte man politischen Statements kaum entkommen. © privat

Politik im Klassenzimmer

Auch in der Schule war die Wahl ein großes Thema. Viele meiner Mitschüler übernahmen die Meinungen ihrer Eltern. Sie schwärmten von „besseren Lebensbedingungen unter Trump“ und trugen stolz „I voted Trump“-Sticker oder Pullover mit ähnlichen Aufschriften. Das Ergebnis der „Juniorwahl“ an unserer High School, bei der jeder Schüler abstimmen durfte, überraschte daher nicht: Donald Trump gewann mit 83 Prozent der Stimmen.

Besonders traurig fand ich zu sehen, wie ein Kind, dessen Eltern offen die Demokratische Partei unterstützten, wegen deren Meinung regelrecht gehänselt wurde. Anhänger der Demokraten werden meiner Wahrnehmung nach häufig belächelt oder gar gemieden. Das zeigt mir, wie tief die Spaltung auch im Alltag verankert ist.

Der Geldbeutel bestimmt die Wahl

Mein Gastvater sagte immer: „We vote out of our wallets!“ („Wir wählen aus unseren Geldbeuteln heraus!”) – und das trifft es wohl ziemlich gut. Die Wirtschaftspolitik, zusammen mit dem Thema Migration, stand im Mittelpunkt der Wahl. In meiner eher ärmeren Stadt konnte ich die Auswirkungen der Inflation hautnah erleben. Meine besten Freunde, Vierlinge aus einer Arbeiterfamilie, erzählten mir, wie schwer es für ihre Eltern geworden ist, finanziell über die Runden zu kommen. Für viele Amerikaner steht die wirtschaftliche Lage an erster Stelle – gesellschaftliche Themen wie die Abtreibungsdebatte, LGBTQ-Rechte oder der Klimaschutz spielen oft nur eine Nebenrolle.

Wahltag: Spannung, Snacks und Swing-States

Am Dienstag, den 5. November, war es schließlich so weit: Wahltag. Entgegen meiner Erwartung, dass der Tag eher ernst und ruhig verlaufen würde, verbrachten wir ihn ganz anders. Mit meinen Freunden, reichlich Snacks und viel Dekoration saßen wir beisammen und verfolgten den CNN-Livestream. Solche „Wahlpartys“ scheinen eine typisch amerikanische Tradition zu sein – vielleicht eine Möglichkeit, die Spannung ein wenig aufzulösen.

Doch während die ersten Auszählungen veröffentlicht wurden, zeichnete sich bereits ein klarer Trend ab: Als Pennsylvania, der größte und wichtigste Swing-State, an Donald Trump ging, war die Lage für Kamala Harris fast aussichtslos. Um noch zu gewinnen, hätte sie alle verbleibenden Swing-States für sich entscheiden müssen. Doch nach den letzten Auszählungen stand fest: Donald Trump gewann alle sieben Swing-States und damit die Präsidentschaftswahl 2024.

Fotocollage aus zwei Bildern.

Ein Wahlabend mal anders: Gemeinsam und mit Spannung haben Justus und seine Freunde die Auszählung der Wahl verfolgt. © privat

Ein historischer Sieg

Es war nicht nur ein Sieg nach dem Wahlmännerprinzip: Zum ersten Mal gewann Donald Trump auch den „Popular Vote“, also die Mehrheit der Stimmen aller Wähler. Kamala Harris machte besonders in den Staaten und Bevölkerungsgruppen Verluste, auf die sie gehofft hatte, wie etwa bei der „Hispanic Community“, zu der auch mein Gastvater gehört. Diese Wählergruppe, die traditionell demokratisch wählt, verhielt sich dieses Mal an der Wahlurne deutlich wechselhafter.

Rückblickend lässt sich sagen, dass diese Wahl stärker von den Persönlichkeiten der Kandidaten geprägt war als von ihren Wahlversprechen. Trump, obwohl ein mehrfach verurteilter Straftäter, wusste, wie er seine Wählerinnen und Wähler beeindrucken konnte. Harris hingegen punktete bei Themen wie Frauenrechten, vernachlässigte dabei jedoch vielleicht andere wichtige Anliegen.

Die Stimmung danach: Euphorie und erste Veränderungen

Am Tag nach der Wahl war die Euphorie bei vielen deutlich zu spüren. Ein Satz, der mir im Gedächtnis blieb, lautete: „It’s a great day to be alive.“ („Ein toller Tag, um am Leben zu sein.“) Und tatsächlich waren schon erste Veränderungen wahrnehmbar: Die Benzinpreise sanken innerhalb einer Woche um mehr als zehn Prozent, und auch die Preise für Alltagsgegenstände gingen zurück.

Obwohl Donald Trump noch nicht vereidigt ist, scheint die wirtschaftliche Hoffnung der Menschen in meinem Umfeld groß zu sein. Doch was seine Präsidentschaft in anderen Bereichen bringen wird – sei es in der Außenpolitik oder beim Umgang mit der Inflation und Erderwärmung – bleibt abzuwarten.

Ein Blick in die Zukunft

Auch außenpolitisch stehen große Veränderungen bevor. Angekündigte Handelszölle könnten die weltweite Wirtschaft – und damit auch Deutschland – beeinflussen. Zudem könnten sich die Entwicklungen im Krieg Russlands gegen die Ukraine unter Trump ändern.

Viele halten die Zukunft der Demokratie auch in den USA für nicht ganz gesichert. Mit unfairen Maßnahmen wie der Besetzung des Verfassungsgerichts mit Richterinnen und Richtern aus der eigenen Partei fürchten viele besonders jetzt um die Zukunft ihres Landes. Die Hoffnung, dass wenigstens die Machtübergabe zwischen demokratischer und republikanischer Partei friedlich zugehen wird, wird sich hoffentlich erfüllen. Vom Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 sind immer noch bleibende Nachwirkungen zu spüren.

Fest steht: Für die USA und vielleicht die ganze Welt beginnt eine neue Ära. Wie sie genau aussehen wird, bleibt abzuwarten!


Wie aus „Moin“ ganz schnell ein „Howdy“ wurde

Wahnsinn! Seit etwa zwei Monaten bin ich nun in Texas. Ob ich es will oder nicht – die Zeit vergeht fast genauso schnell wie der Flug hierher. Doch in dieser kurzen Zeit habe ich es geschafft, extrem viel zu erleben, neue Freunde zu finden und allmählich eine gewisse Normalität im Trubel zu etablieren.

Mit dem Soundtrack im Herzen

Aktuell dreht sich alles um die Marching Band unserer Schule – wirklich alles. Neben täglichen Proben während und nach der Schulzeit (ja, das Schulsystem hier ist anders!) üben wir für unsere Halftime-Show, mit der wir auch an Wettbewerben teilnehmen. Das kann ziemlich anstrengend sein, aber unsere musikalische Begleitung bei den Footballspielen der „Meridian Yellow Jackets“ macht alles wieder wett. Der „School-Spirit“, den sich jeder Austauschschüler erhofft, ist hier so spürbar, dass man es kaum glauben kann! Dass unser Team bisher jedes Spiel verloren hat, fällt da kaum ins Gewicht.

Die Marching Band ist übrigens auch der perfekte Ort, um Freunde zu finden. Mein Auslandsjahr hat inzwischen wirklich seinen eigenen Soundtrack!

Fotocollage aus zwei Bildern: links ein junger Mann Arm in Arm mit einem älteren mann in rotem Oberteil, links vier Personen.

An meinem ersten Schultag mit meinem Gastvater und mit Freunden beim Thema „Amerika“ zur Pep-Rally (eine Aufmunterungs-Veranstaltung) in der Band-Hall. © privat

Moment mal – ich bin Homecoming-Prince?!

Das wichtigste Footballspiel von allen ist jedoch das Homecoming-Spiel, ein typisch amerikanisches Ereignis, bei dem die gesamte Schule, Ehemalige und sogar die ganze Stadt zusammenkommen. Jede Stufe wählt zwei Repräsentanten, die ihre Klasse vertreten – und wie auch immer: Ich wurde Homecoming-Prince!

Nach einer Parade durch die Stadt, zusammen mit meiner Prinzessin (inzwischen eine enge Freundin) wurden wir von jubelnden Menschenmengen am Spielfeld empfangen. Der Höhepunkt: Ein Footballspiel, das so knapp war, dass es in die dritte Verlängerung ging. Ich habe zwar immer noch keine wirkliche Ahnung, was auf dem Feld passiert ist, aber dank unserer Musik war die Stimmung eine der besten, die ich je erlebt habe. Und dann: Der erste Saisonsieg mit nur einem Punkt Vorsprung! Ein Moment, den ich nie vergessen werde.

Fotocollage aus zwei Bildern: Blick auf ein Footballfeld und vier junge Personen vor dem Feld.

Das Football-Feld während des Spiels und ich als Teil des „Homecoming-Courts“. © privat

Zwischen Stress und Gelassenheit, Football-Field und Klassenzimmer, Amerika und Deutschland

Und von solchen unvergesslichen Momenten gab es schon einige. Von einem Besuch an einem College und einem legendären Footballspiel dort, über Shopping-Trips, einem Besuch im Kennedy-Museum in Dallas und einem typischen texanischen Rodeo und BBQ, bis hin zu entspannten Tagen im State Park oder einem Abendessen im Fast-Food-Drive-Through (natürlich nur manchmal!) – von meiner Bucket-List kann ich immer mehr abhaken!

Fotocollage aus zwei Bildern: links ein Rodeo mit Pferden, rechts ein Geländer mit texanischen und us-amerikansichen Flaggen.

Rodeo und Flaggen - amerikanischer wird es wohl nicht mehr! © privat

Meine „zweite Familie“ hier – bestehend aus der Schwester, der Nichte und den Eltern meines Gastvaters – sowie die vielen neuen Freunde in allen Klassenstufen haben mich hier wirklich wie einen Einheimischen aufgenommen. Die „Community“ der Stadt empfängt mich ebenfalls mit offenen Armen.

Über den eigenen Schatten springen – Kulturelle Überraschungen

Natürlich kommt es vor allem wegen meiner Kurse auf College-Level, die an meiner Schule angeboten werden, auch manchmal zu Stress, aber trotzdem bleibt meistens jedes Wochenende noch Zeit, etwas mit Freunden oder Bekannten zu unternehmen. Dabei fällt mir besonders auf, wie unterschiedlich die „Amis“ in so vielen Belangen verglichen mit uns sind. Von simpleren Dingen wie der Offenheit, Herzlichkeit und auch „Indirektheit“, die man ja vielleicht so erwartet hätte, bis hin zu komplett unterschiedlichen sozialen Normen wie dem Respekt vor dem Alter, der hier nicht hinterfragt werden sollte, oder die Abhängigkeit vom Auto, um überhaupt von A nach B zu kommen, bin ich immer wieder erstaunt und manchmal auch ein bisschen überrumpelt. Schließlich ist hier selbst die Art, wie man Socken zusammenlegt, anders! Häufig ist es dann einfach das Richtige, diese Unterschiede zu akzeptieren und nicht alles zu hinterfragen, auch wenn das bedeutet, dass man selbst seine eigene Lebensweise hinter sich lassen muss, denn nur so kann man wirklich etwas aus diesem Jahr mitnehmen!

Fotocollage aus drei Bildern: links zwei junge Männer, die auf und an einem roten Motorrad lehnen, in der Mitte der Blick auf eine lange leere Straße, rechts der Blick auf eine Skyline vom Beifahrersitz eines Autos aus.

Eine Lebensfreiheit in den unendlichen Weiten von Texas. © privat

Aktuell befinde ich mich also in einer Phase der Selbstfindung – in einer komplett neuen Umgebung, an die man sich auf jeden Fall anpassen muss. Regelmäßig erinnere ich mich noch daran, wie ich meine Familie und Freunde und noch vieles mehr zurücklassen musste und natürlich vermisse ich das alles – mein „altes“ Leben in Deutschland – sogar sehr. Nach nun etwa zwei Monaten bin ich aber wirklich mehr als froh, diese Herausforderung angenommen zu haben. 

Den Schritt zum richtigen Takt wagen

Einen Spruch höre ich in der Band besonders oft: „Take the step or you’ll be runnin‘.“ (Auf Deutsch bedeutet das so viel wie: „Mach den Schritt zur richtigen Zeit, oder du wirst eine Runde laufen.“)

Mit Disziplin zwischen Sport und ganz viel Musik. © privat

Dieser Satz beschreibt nicht nur die Proben, sondern auch mein Auslandsjahr. Es war ein Risiko, Deutschland und alles, was ich kannte, hinter mir zu lassen und in ein völlig neues Leben zu starten. Aber ich weiß jetzt, dass sich dieser Schritt gelohnt hat – anstatt in der gewohnten Umgebung immer wieder nur Runden zu laufen!

Nun freue ich mich auf all die weiteren Abenteuer, die auf mich warten, und kann endlich sagen: Ich bin in dieser neuen Welt angekommen!

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