Zum Inhalt springen

Zum Tod von Wolfgang Schäuble Bärbel Bas: Sein Name ist mit einer der glück­lichsten Stunden unseres Landes verbunden

Wenige Politiker prägten die Geschichte und die Geschicke der Bundesrepublik so wie er. Er war Kanzleramts-, Bundesinnen- und Bundesfinanzminister, Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, „Architekt der Deutschen Einheit“ und zuletzt Präsident des 19. Deutschen Bundestages. Nun ist Dr. Wolfgang Schäuble am Dienstagabend, 26. Dezember 2023, im Alter von 81 Jahren gestorben.

Wolfgang Schäuble, „Architekt der Deutschen Einheit“ und „Parlamentarier aus Leidenschaft“. © Thomas Trutschel / DBT

„Mit einer unglaublichen Disziplin und großem Pflicht- wie Verantwortungsbewusstsein hat sich Wolfgang Schäuble bis zuletzt in den Dienst unseres Staates gestellt“, betont Bärbel Bas (SPD) in ihrem Kondolenzschreiben an die Ehefrau des Verstorbenen, Ingeborg Schäuble. „Seine Weitsicht, seine unvergleichliche politische Erfahrung und sein intellektueller Scharfsinn werden fehlen“. Mit seinem Namen sei eine der „glücklichsten Stunden unseres Landes verbunden“, so Bas mit Blick auf die Verdienste Schäubles für die Überwindung der deutschen Teilung. Früher als andere habe er erkannt, dass Deutschland ein vielfältiges Land geworden sei, schreibt sie weiter und bezieht sich dabei auf die Islam-Konferenz, die 2006 von Schäuble ins Leben gerufen wurde. Auch sei ihm die Schaffung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung zu verdanken, „die ein neues Kapitel der deutsch-französischen Freundschaft aufgeschlagen hat und den Geist des geeinten Europas verkörpert“, so Bas anerkennend über das Vermächtnis ihres Amtsvorgängers – des „Ausnahmepolitikers“ Wolfgang Schäuble.

Dienstältester Abgeordneter der Parlamentsgeschichte

Der „Parlamentarier aus Leidenschaft“, wie er sich selbst bezeichnete, war der dienstälteste Abgeordnete der deutschen Parlamentsgeschichte. Seit 1972 gehörte der stets direkt gewählte CDU/CSU-Abgeordnete des Wahlkreises Offenburg dem Deutschen Bundestag an – so lange wie kein anderer Abgeordneter vor ihm. In Summe konnte Schäuble so auf 14 bewegte Wahlperioden zurückblicken. 

In dieser Zeit hatte der promovierte Jurist und Wirtschaftswissenschaftler nicht nur eine Vielzahl politischer Ämter inne, er kannte die parlamentarische Arbeit auch aus so ziemlich jeder Perspektive. Erst vor gut einem Jahr, am 15. Dezember 2022, würdigte das Parlament das politische Lebenswerk Schäubles. Anlass war seine 50-jährige Bundestagsmitgliedschaft – „eine Ära“, wie Bundestagspräsidentin Bas betonte. „Sie streiten mit Leidenschaft für die parlamentarische Demokratie. Und mahnen uns, sie nie für selbstverständlich zu halten“, sagte Bas wenige Wochen zuvor, als sie ihm im Namen des gesamten Hauses zum 80. Geburtstag gratulierte.

Verhandler der Deutschen Einheit

Wolfgang Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg im Breisgau geboren. Nach dem Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Freiburg und Hamburg promovierte er 1971 zum Dr. jur. 1965 trat er der Christlich Demokratischen Union (CDU) bei. 1981 wurde Schäuble Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 1984 wechselte er als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes ins Kabinett von Dr. Helmut Kohl und übernahm 1989 das Bundesministerium des Innern. Als Innenminister leitete er im Sommer 1990 für die Bundesregierung die Verhandlungen mit der Regierung der DDR über den deutsch-deutschen Einigungsvertrag, an dessen Aushandlung er maßgeblich beteiligt war. 

Im folgenden Wahlkampf zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl wurde Wolfgang Schäuble am 12. Oktober 1990 von einem psychisch Kranken angeschossen. Der Vater von vier Kindern überlebte schwer verletzt. Vom dritten Brustwirbel abwärts gelähmt, saß er seitdem im Rollstuhl. An der konstituierenden Sitzung des ersten gesamtdeutschen Bundestages im Reichstagsgebäude in Berlin am 20. Dezember 1990 konnte er in der Folge nicht teilnehmen. Erst zur Wahl des Bundeskanzlers am 17. Januar 1991 war er wieder dabei. Die Politik half ihm, wie er später einmal resümierte, über das, was er einen Unfall nannte, hinweg.

Fraktionsvorsitzender, Innenminister, Finanzminister

Bis November 1991 blieb Schäuble auch im neuen Kabinett Kohls Innenminister, bevor er 1991 den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übernahm. 1998 kam auch der Vorsitz der CDU Deutschlands hinzu. Nach Bekanntwerden der CDU-Spendenaffäre kündigte er im Februar 2000 an, nicht erneut als Partei- und Fraktionsvorsitzender zu kandidieren, blieb aber bis 2021 Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands.

Von 2002 bis 2005 war Schäuble als stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion für Außen-, Sicherheits- und Europapolitik zuständig. 2005 berief ihn die damalige Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) erneut als Bundesinnenminister. Von 2009 bis zum Ende der 18. Wahlperiode im Jahr 2017 war er Bundesminister der Finanzen.

Vom Bundestagspräsidenten zum Alterspräsidenten

In der konstituierenden Sitzung des 19. Deutschen Bundestages, am 24. Oktober 2017, wurde Wolfgang Schäuble, gewissermaßen als logische Konsequenz eines langen Parlamentarierlebens, schließlich von den Abgeordneten in das zweithöchste Amt der Bundesrepublik gewählt: das des Bundestagspräsidenten.

Gerne hätte er dieses Amt weitere vier Jahre ausgeübt, doch den Präsidenten oder die Präsidentin des Bundestages stellt traditionell die größte Fraktion – und das ist in der 20. Wahlperiode die SPD. So fiel dem scheidenden Bundestagspräsidenten als dienstältestem Abgeordneten sein letztes Amt zu: das des Alterspräsidenten. In seiner Eröffnungsrede als Alterspräsident am 26. Oktober 2021 nutzte er die Gelegenheit zu grundsätzlichen Ausführungen zum parlamentarischen Miteinander und forderte eine offene Debattenkultur mit Vorbildcharakter. Das Parlament sei „der Ort, an dem wir streiten dürfen, an dem wir streiten sollen“. Und er ergänzte: „aber fair und nach Regeln, leidenschaftlich, aber auch mit der Gelassenheit, die einer erregten Öffentlichkeit Beispiel geben kann“.

Dieser Text erschien zuerst auf Bundestag.de.

Mehr zum Thema