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Begleiteter Suizid Keine Mehrheit für Neuregelung der Sterbehilfe

Jeder Mensch hat ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und darf dabei auch Hilfe in Anspruch nehmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Gesetzlich ist der begleitete Suizid aber noch nicht geregelt. Zwei fraktionsübergreifende Gruppen von Abgeordneten hatten Vorschläge entwickelt, von denen sich aber keiner durchsetzen konnte.

Ein Arzt hält die Hände einer alten Patientin

Manche Menschen sind so schwer krank, dass sie nicht mehr leben möchten. © shutterstock.com/Robert Kneschke

In der Regel bringen im Bundestag Fraktionen einen Gesetzentwurf ein. Bei Themen, die ethische Grenzfragen betreffen, kommt es aber manchmal auch vor, dass die sogenannte Fraktionsdisziplin aufgehoben wird. Die Abgeordneten stimmen dann nicht wie sonst üblich innerhalb ihrer Fraktion einheitlich ab, sondern entscheiden individuell nach ihrer persönlichen Überzeugung. Und die entsprechenden Gesetzentwürfe entstehen oft über Fraktionsgrenzen hinweg.

So war es auch bei zwei Gesetzentwürfen zur Sterbehilfe, über die in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause abgestimmt wurde. Beide Entwürfe stammten von Gruppen aus SPD-, Unions-, Grünen-, FDP- und Linksabgeordneten. Doch keiner der beiden fand im Plenum eine Mehrheit.

Zum Hintergrund: Bisherige Entscheidungen zur Sterbehilfe

2015 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das organisierte Sterbehilfe verbot. 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht dieses Verbot allerdings für ungültig. Jeder Mensch habe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und dürfe dabei auch Hilfe in Anspruch nehmen, urteilte das Gericht.

Seitdem wird jemand, der einem anderen beim Selbstmord geholfen hat, indem er zum Beispiel das nötige Medikament dafür besorgt hat, nicht mehr bestraft. Genaue Regelungen für die Sterbehilfe gibt es aber nicht. Juristen sagen in so einem Fall: Es herrscht Rechtsunklarheit.

Erster Vorschlag mit Fokus auf das selbstbestimmte Sterben

Der erste Gesetzentwurf, der im Plenum vorgestellt wurde, hatte das Ziel, das Recht auf Hilfe zur Selbsttötung und auf Unterstützung von suizidwilligen Personen gesetzlich zu verankern. Staatlich anerkannte Beratungsstelle sollten Betroffen „zu Fragen der Hilfe zur Selbsttötung beraten“ und zwar „ergebnisoffen“ und ohne Bevormundung.

Für diesen Entwurf sprach unter anderen Katrin Helling-Plahr (FDP). Sie erklärte, als Fachanwältin für Medizinrecht habe sie oft schwerkranke Menschen erlebt, die allein gelassen geworden seien, „allein mit ihren Schmerzen, ihrer Angst und ihrem Wunsch, gehen zu dürfen“.

„Jeder selbstbestimmte Mensch darf sein Leben so beenden, wie er es für würdevoll hält“, sagte Helling-Plahr. Es gehe darum, eine „rechtssichere Lösung“ zu finden, das zu garantieren. Ihr Gesetzentwurf sehe natürlich ein umfangreiches Beratungsangebot vor, das auch „Hilfen zum Weiterleben“ anbiete. Dennoch müsse „jede selbstbestimmte Entscheidung anerkannt“ werden.

Für den Entwurf stimmten 287 Parlamentarier, 375 votierten dagegen und 20 enthielten sich.

Zweiter Vorschlag mit Fokus auf den Schutz Suizidgefährdeter

Der zweite Gesetzentwurf wollte die „geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung“ grundsätzlich unter Strafe stellen. Die Sterbehilfe sollte nur dann erlaubt sein, wenn der Betroffene mindestens zwei Untersuchungstermine und ein Beratungsgespräch absolviert habe, zwischen denen jeweils mindestens drei Monate hätten liegen müssen. So sollte sichergestellt werden, dass der Wunsch zu sterben „dauerhaft und fest gefasst“ ist.

Für diesen Entwurf sprach im Plenum unter anderen Lars Castellucci (SPD). Er betonte, wenn jemand sein Leben beenden wolle, müsse unbedingt festgestellt werden, „dass es sich wirklich um eine freie Entscheidung handelt“. Niemand dürfe in den begleiteten Selbstmord gedrängt werden, weil er sich überflüssig oder unerwünscht fühle. „Ich mache mir Sorgen um die Einsamen, die Zurückgelassenen“, sagte Castellucci. Wer einen Selbstmordversuch überlebe, sei im Nachhinein oft froh darüber. „Lassen Sie uns den begleiteten Suizid ermöglichen, aber nicht fördern“, schloss Castellucci.

Für seinen Entwurf stimmten 304 Abgeordnete, 363 waren dagegen, 23 enthielten sich.

Antrag „Suizidprävention stärken“

Angenommen wurde hingegen ein Antrag, den beide Gruppen gemeinsam gestellt hatten. Darin fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, ein Konzept für die Suizidprävention zu entwickeln.

„Suizide sind auch von den jeweiligen Lebenswelten abhängig. So weisen beispielsweise Strafgefangene oder Angehörige von Suizidopfern ein besonders hohes Suizidrisiko auf. Suizidprävention muss daher stärker zielgerichtet stattfinden“, heißt es in dem Antrag.

Das Thema Selbstmord dürfe nicht länger tabuisiert und stigmatisiert werden. Betroffene müssten besser unterstützt werden. Es müsse mehr in Beratung, Früherkennung und die Fort- und Weiterbildung von Fachleuten investiert werden.

AfD: „Wir wurden von allen Entwürfen ausgeschlossen“

Für die AfD beklagte Thomas Seitz, seine Fraktion sei von allen drei Entwürfen ausgeschlossen worden. Dabei gebe es auch innerhalb der AfD unterschiedliche Meinungen zum Thema Sterbehilfe, die die Abgeordneten gerne eingebracht hätten.

Seitz kritisierte beide vorliegende Entwürfe. Dem Entwurf von Helling-Plahr und anderen hätte die Bundesärztekammer mit „Boykott“ gedroht, was für sich spreche, meinte Seitz. Und der Entwurf von Castellucci und anderen akzeptiere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht, er sei deshalb wahrscheinlich wiederum verfassungswidrig. Er werde deshalb keinem der Entwürfe zustimmen, so Seitz, denn: „Besser keine Lösung als eine schlechte.“

Hier seht ihr die Debatte im Video:

Wenn ihr wissen möchtet, was juristische und medizinische Sachverständige im Rechtsausschuss zum Thema sagten, könnt ihr euch auch die Anhörung im Video anschauen:

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