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Gyde Jensen (FDP) „Woans geit Se dat?“

Heute ist Tag der Muttersprache. Zu diesem Anlass erzählt die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen, wie ein verlorener Vorlesewettbewerb sie dazu brachte, mit ihrem Vater Plattdeutsch zu sprechen, und was sie mit dem von ihr gegründeten Parlamentskreis Plattdeutsch vorhat.

Portrait der Abgeordneten Gyde Jensen

„Meine Eltern hatten damals die Sorge, dass ich vielleicht schlechtes Hochdeutsch sprechen würde, wenn sie mit mir Plattdeutsch reden“, erzählt Gyde Jensen. Foto: Nicole Gorski

Hallo Frau Jensen!

Moin Fruu Karnahl. Veelen Dank för de Inladung to disse Utuusch. Woans geit Se dat?

Danke, mir geht’s gut. Heute, am 21. Februar, wird weltweit der Tag der Muttersprache gefeiert. Hintergrund ist, dass etwa die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht ist. Warum ist es wichtig, sie zu erhalten?

Ich glaube, die Muttersprache ist für jeden etwas ganz Persönliches und Identitätsstiftendes. Deshalb sollte man darauf wertlegen, sowohl in der Bildung als auch im Alltag, viele verschiedene Sprachen zu erhalten. Und den Tag der Muttersprache sollte man unbedingt nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wertvolles Wissen verloren geht, wenn Sprachen aussterben.

Sie haben den Parlamentskreis Plattdeutsch gegründet. Wo spricht man Plattdeutsch? Und wie viele Menschen tun das noch?

Plattdeutsch – oder auch Niederdeutsch – ist eine unserer Minderheitensprachen in Deutschland. Im Vergleich zu anderen, etwa zum Friesischen oder zum Sorbischen, sprechen noch relativ viele Menschen Plattdeutsch. Es gibt die sogenannte „Benrather Linie“, die sich einmal quer durch Deutschland zieht, mitten durch Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Nördlich dieser Linie gibt es Sprachgebiete, wo es Plattdeutsch in den unterschiedlichsten Ausführungen gibt.

In Schleswig-Holstein – dort komme ich her – sprechen deutlich über 20 Prozent der Menschen Plattdeutsch, die sogenannte aktive Sprachkompetenz ist also noch relativ hoch. Es gibt Plattdeutsch auch als Schulfach oder als Ausbildung an Hochschulen, wo man es als Fremdsprache wählen kann. Aber das allein reicht nicht aus, wenn man wirklich dafür sorgen will, dass diese Sprache langfristig überlebt. Da braucht man mehr als eine witzige AG Niederdeutsch im Kindergarten. Da kann man auch nicht allein die Schulen in die Pflicht nehmen. Es ist ganz wichtig, dass die Sprache auch in den Familien gesprochen wird.

Wie ist das bei Ihnen, welche Rolle spielt das Plattdeutsche in Ihrem Leben?

Meine Eltern sind beide mit Plattdeutsch als erster Sprache aufgewachsen. Als sie in die Schule kamen, mussten sie Hochdeutsch lernen. Bei mir haben sie es dann anders gemacht. In meiner Generation war es nicht unbedingt positiv besetzt, Kinder zweisprachig aufzuziehen. Und schon gar nicht plattdeutsch.

Warum nicht?

Bestimmte grammatikalische Regeln gibt es bei uns nicht. Wir haben zum Beispiel keine Unterscheidung zwischen Dativ und Akkusativ. Meine Eltern hatten damals die Sorge, dass ich vielleicht schlechtes Hochdeutsch sprechen würde, wenn sie mit mir Plattdeutsch reden. Heute wissen wir, dass das gar nicht der Fall ist, dass man Kinder problemlos bilingual oder sogar trilingual aufziehen kann.

Wie kam es dann dazu, dass Sie angefangen haben, die Sprache bewusst zu sprechen?

Als ich 12 oder 13 war, habe ich an einem plattdeutschen Vorlesewettbewerb teilgenommen. Beim Regionalausscheid landete ich auf dem letzten Platz, darüber habe ich mich extrem geärgert. Eins der Jury-Mitglieder sagte: „Man hört, dass du nicht regelmäßig Plattdeutsch sprichst.“ Da bin ich zu meinem Vater gegangen: „So, ich möchte das besser können!“ Ab dem Tag habe ich mit ihm Plattdeutsch gesprochen. Am Anfang war das natürlich eine große Umgewöhnung. Jetzt denke ich gar nicht mehr darüber nach.

Mit meinen eigenen Kindern möchte ich auch Plattdeutsch sprechen. Im Moment sind sie noch zu klein, um zu antworten, aber ich habe es mir zum Ziel gesetzt.

Noch mal zurück zum Parlamentskreis: Wie kamen Sie auf die Idee?

Die Idee entstand bei einem Gespräch mit jungen Menschen und dem Niederdeutschsekretariat. Das ist eine Institution, die sich dem Erhalt des Plattdeutschen verschrieben hat und da viele spannende Projekte umsetzt. In dem Gespräch tauchte die Frage auf: Was kann der Bundestag tun? Mir ist dann aufgefallen, dass wir Abgeordneten zum Teil gar nicht voneinander wissen, dass wir Plattdeutsch sprechen. Ich habe also gesagt: Eigentlich müsste man einen Kreis gründen, in dem man sich austauscht. Es gibt auch den Parlamentskreis Pferd und den Parlamentskreis Braukultur. Wir Abgeordneten sind ja alle Menschen, die Hobbys und Interessen haben, die wir eben auch im parlamentarischen Umfeld pflegen und uns dazu vernetzen wollen.

Wie viele Abgeordnete sind dabei? Und was machen Sie genau, wenn Sie zusammenkommen?

Der Parlamentskreis Plattdeutsch umfasst bisher 20 Leute. Bei uns dürfen explizit auch Leute mitmachen oder zuhören, die selbst kein Plattdeutsch sprechen, aber sich dafür interessieren. Wir kommen regelmäßig zusammen und tauschen uns aus. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir zum Beispiel mal eine plattdeutsche Lesung veranstalten. Und ganz wichtig: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine Debatte auf Plattdeutsch beziehungsweise auf verschiedenen Minderheitensprachen zu halten. Das wäre eine Möglichkeit, auch die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich hoffe sehr, dass wir das in dieser Legislaturperiode schaffen.

Der Tag der Muttersprache soll sprachliche und kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit fördern. Wie vielfältig ist der Bundestag in sprachlicher und kultureller Hinsicht?

Er ist in dieser Legislaturperiode auf jeden Fall vielfältiger geworden, als er es bisher war. Wir haben endlich mehr Kolleginnen und Kollegen mit Migrationsgeschichte, die Türkisch oder andere Sprachen als Muttersprache haben. Insofern glaube ich, dass der Tag der Muttersprache für diesen Bundestag wichtiger geworden ist und dass wir gut daran anknüpfen können.

Über Gyde Jensen

Gyde Jensen wurde 1989 in Rendsburg in Schleswig-Holstein geboren. 2017 machte sie ihren Master Internationale Politik und Internationales Recht. Im gleichen Jahr zog sie für die FDP in den Bundestag ein. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(jk)

Übrigens gab es im Bundestag 2017 schon einmal eine Debatte in Minderheitensprachen. Damals ging es um einen Antrag zum Schutz dieser Sprachen. Seht hier unser Top-Thema von damals dazu:

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