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Ausstellungseröffnung Queeres Leben im Nationalsozialismus

Marejke Tammen

In einer Ausstellung erinnert der Bundestag an die vielen queeren Menschen, die Opfer der Nationalsozialisten wurden. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sieht das Gedenken als „überfällig“ an, betont aber auch, dass Queerfeindlichkeit noch heute existiere.

Ein schwarz-weiß Bild. Drei Personen in Frauenkleidern schauen in die Kamera.

Die Ausstellung zeigt die Lebensgeschichten von queeren Menschen im Nationalsozialismus, die diskriminiert und verfolgt wurden und sich oftmals mit Lügen schützen mussten. Abgebildet ist ein Ausschnitt aus dem Film „Mysterium des Geschlechtes“ von 1933. © Filmarchiv Austria

Diskriminiert, verfolgt, ermordet – so lässt sich das Schicksal vieler queerer Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus beschreiben. In den zwölf Jahren der Nazi-Diktatur wurden um die 15.000 Männer in Konzentrationslager gesperrt, mehr als die Hälfte wurde ermordet. Um an diese Verbrechen zu erinnern, hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am Mittwoch, den 29. November 2023, die Ausstellung „gefährdet leben. Queere Menschen 1933-1945“ eröffnet.

Ziel der Ausstellung sei es, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die die Nationalsozialisten wegen ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität verfolgt haben. Das Gedenken daran sei „überfällig“ gewesen, sagte Bas. „Das ihnen angetane Unrecht wurde lange nicht anerkannt. Es wurde sogar bewusst verschwiegen und verleugnet.“ Viele queere Menschen hätten aus Scham und Angst nicht über ihre Erfahrungen im Nationalsozialismus gesprochen. „Viele Verfolgte starben allein mit ihren Erinnerungen. Umso wichtiger ist es, sich jetzt mit ihren Schicksalen zu beschäftigen.“

Der Beitrag des Parlamentsfernsehens zur Ausstellungseröffnung

Rekonstruktion von Lebensgeschichten

Die Lebensgeschichten vieler betroffener queere Menschen zu rekonstruieren – das hat sich die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zur Aufgabe gemacht, die die Ausstellung kuratiert. Auf fünf farbigen Ausstellungstafeln werden bisher unveröffentlichte Dokumente, Grafiken, Fotografien und Zitate gezeigt, die verschiedene Verfolgungsgeschichten queerer Menschen erzählen. Viele Biografien waren geprägt von einem Leben im Untergrund. Aus Schutz lebten sie oftmals in Scheinehen. Nicht selten führte dieses Leben aus Verleugnung und Lügen in den Selbstmord.

Eines der Schicksale, das in der Ausstellung thematisiert wird, ist das von Käthe Rogalli. Sie bezeichnete sich selbst als „Transvestit“, doch die Nationalsozialisten verboten ihr, Frauenkleider zu tragen. „Sie wurde denunziert – vermutlich von ihrem engsten Umfeld – und für einige Monate im KZ Sachsenhausen inhaftiert“, erzählte die Bundestagspräsidentin. „Später wurde sie erneut festgenommen, vor Gericht gestellt und in die Psychiatrie eingewiesen. Dort nahm sie sich das Leben.“ Bas betonte aber auch, dass es neben den vielen „dramatischen Verfolgungsgeschichten“ auch „Möglichkeiten der Selbstbehauptung“ gegeben habe. Auch das werde in der Ausstellung deutlich.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas schaut sich gemeinsam mit den Kuratierenden des Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Dr. Insa Eschebach (2. v.l.), Andreas Pretzel (r.) und Karl-Heinz Steinle (l) die Ausstellung an. © Jörg F. Müller

Noch lange nicht am Ziel

Bas warnte zudem vor dem Irrglauben, dass die Verfolgung queerer Menschen mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vorbei gewesen sei. „Das Ende des Nationalsozialismus bedeutete für queere Menschen keine Befreiung. Ihre gesellschaftliche Ausgrenzung und die staatliche Diskriminierung gingen weiter. In beiden Teilen Deutschlands“, sagte Bas. Auch heute würden queere Menschen noch immer Anfeindungen erleben – auch in Deutschland. „Gedenken bedeutet auch eine Verpflichtung in der Gegenwart. Der Rechtsstaat muss mit voller Konsequenz auf Gewalt gegen queere Menschen reagieren“, betonte Bas.

Auch Justizminister Marco Buschmann (FDP), der die Co-Schirmherrschaft der Ausstellung übernommen hat, machte deutlich: „Die Geschichte ist noch nicht abgeschlossen.“ So würde etwa mit Blick auf das Selbstbestimmungsgesetz, das derzeit im Bundestag beraten wird und die Änderung von Geschlecht und Vorname erleichtern soll, „mehr Gelassenheit und Empathie unserer Gesellschaft guttun.“

Am Ende ihrer Rede rief die Bundestagspräsidentin noch einmal „eine Grundvoraussetzung der liberalen Demokratien“ ins Bewusstsein: „Frei sind wir erst dann, wenn alle Menschen sich frei entfalten können. Und niemand gefährdet leben muss.“

Ausstellungsbesuch

Die Ausstellung wird vom 30. November bis zum 15. Dezember 2023 in der Halle des Paul-Löbe-Hauses gezeigt. Sie kann montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr besucht werden. Dienstags ist die Ausstellung von 9 bis 19 Uhr geöffnet.

Für den Besuch der Ausstellung ist spätestens zwei Werktage vor dem gewünschten Besuchstermin über das Anmeldeformular eine Anmeldung notwendig. Aus organisatorischen Gründen ist ein Besuchsbeginn jeweils nur zur vollen Stunde möglich. Spätester Besuchsbeginn ist jeweils 16 Uhr und am Dienstag jeweils 18 Uhr.

Nach dem 15. Dezember 2023 geht die Ausstellung für drei Jahre in Deutschland auf Wanderschaft.