Zum Inhalt springen

Gleichberechtigung Sitzen genug Frauen im Bundestag?

Ein gutes Drittel der Abgeordneten des Bundestages ist weiblich. Expertinnen und Experten streiten darüber, ob es eine gute Idee wäre, das über ein sogenanntes Paritätsgesetz zu ändern.

Junge Frau mit Frauen-Symbol auf der Wange

Am internationalen Frauentag demonstrieren jedes Jahr Tausende für Gleichberechtigung. © picture alliance/Zumapress.com/Paco Freire

34,9 Prozent der Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind Frauen. Ist das zu wenig? Sollte eine Bevölkerung, die zur Hälfte weiblich ist, auch von 50 Prozent Politikerinnen vertreten werden? Und wenn ja: Wie könnte man dieses Ziel dann umsetzen?

Mit diesen Fragen hat sich am 12. Mai eine besondere Kommission des Bundestages beschäftigt, die Wahlrechtskommission.

Die Wahlrechtskommission

Die „Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit“ wurde eingesetzt, um sich mit verschiedenen Aspekten des Wahlrechts zu befassen. Unter anderem geht es um die Frage, ob Jugendliche sich schon ab dem Alter von 16 Jahren an der Bundestagswahl beteiligen können sollen. Ein anderer wichtiger Punkt ist, wie man das Wahlrecht so ändern kann, dass der Bundestag nicht immer größer wird.

Die Wahlrechtskommission besteht zur einen Hälfte aus Abgeordneten und zur anderen Hälfte aus Sachverständigen aus den Bereichen Rechts- und Politikwissenschaft. Sie diskutierten am 12. Mai in einer dreistündigen Sitzung vor allem die Frage, ob ein sogenanntes Paritätsgesetz rechtlich zulässig wäre.

Was ist ein Paritätsgesetz?

Ein Paritätsgesetz ist ein Wahlgesetz, das sicherstellen soll, dass Mandate im Bundestag zu gleichen Teilen an Männer und Frauen vergeben werden. Ein derartiges Gesetz könnte den Parteien zum Beispiel vorschreiben, dass sie ihre Landeslisten gleichermaßen mit weiblichen und männlichen Kandidaten besetzen müssen.

Ob so eine Regelung für den Deutschen Bundestag denkbar wäre, darüber waren sich die Expertinnen und Experten ganz und gar nicht einig.

Stimmen gegen ein Paritätsgesetz

So befand Professor Bernd Grzeszick, ein Paritätsgesetz sei „verfassungsrechtlich nicht ohne Weiteres zulässig“, da es gegen die Freiheit und Gleichheit der Wahl und gegen die Freiheit der Parteien verstoße. Der Gesetzgeber würde zu viel Einfluss auf das Ergebnis der Wahl nehmen, wenn er einen Frauenanteil vorschreibe.

Professor Rudolf Mellinghoff ergänzte, es widerspreche den „Grundsätzen unseres Demokratieprinzips“, bestimmten Personengruppen, in diesem Fall Frauen, einen Mindestanteil im Parlament zuzusichern. Es stelle sich auch die Frage, ob das gleiche Recht dann nicht auch anderen Gruppen zugesprochen werden müsse, etwa Menschen mit Migrationshintergrund oder bestimmten Berufsgruppen.

Dem stimmte Professor Stefanie Schmahl zu, die ebenfalls die Meinung äußerte, ein Paritätsgesetz sei verfassungsrechtlich „schwer vorstellbar“. Sie sagte: „Dass Frauen über Jahrhunderte hinweg von der gesellschaftlichen Macht ausgeschlossen waren, ist ein Fakt. Allerdings sind sie nicht die einzige Gruppe, die diese Erfahrung gemacht hat.“ Glücklicherweise gebe es in Deutschland inzwischen „ein liberaleres Weltbild“, das sich „schrittweise“ auch auf die Zusammensetzung der Parlamente auswirken werde. Deshalb brauche es keine Paritätsgesetzgebung.

Stimmen für ein Paritätsgesetz

Halina Wawzyniak, Juristin und ehemalige Bundestagsabgeordnete für Die Linke, war der Meinung, ein Paritätsgesetz sei „grundsätzlich möglich“. Die „strukturelle Diskriminierung von Frauen“ und die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Frauen und Männern rechtfertige das.

Professor Ruth Laskowski sagte: „Parteien sind alt und männerdominiert“, deshalb begünstigten ihre Strukturen Männer und benachteiligten Frauen. Deshalb sei der Frauenanteil im Bundestag seit 1949 „dermaßen gering“. „Damit können wir uns nicht zufrieden geben“, mahnte Laskowski.

Professor Jelena von Achenbach ergänzte: „Private Gleichberechtigung wird nie vollständig sein, wenn es nicht einen gleichberechtigten Zugang zur Gestaltung des Gemeinwohls gibt.“ Deshalb sei die „faktische Männerquote in den Parlamenten“ ein „gesamtgesellschaftliches Problem“.

Alternativ-Vorschläge zum Paritätsgesetz

Am Rande wurden auch andere Möglichkeiten erwähnt, den Frauenanteil im Bundestag zu erhöhen. So schlug Professor Robert Vehrkamp vor, dass man die Parteien dazu verpflichten könnte, die Aufstellung ihrer Listen zu einem öffentlichen Prozess zu machen, um zu verhindern, dass „genau dort Diskriminierung stattfindet“.

Professor Sophie Schönberger regte an, man müsse die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Abgeordnete verbessern, zum Beispiel durch familienfreundlichere Arbeitszeiten.

Frauen im aktuellen Bundestag

Frauen im aktuellen Bundestag

20. Bundestag Männer: 480 Frauen: 255 (34,7 Prozent) 19. Bundestag Männer: 486 Frauen: 223 (31,4 Prozent) Frauenanteil in den Parteien 2020 Bild: Man sieht bunte Kreisdiagramme in den Farben der Fraktionen Grüne: 58,47% Linke: 53,85% SPD: 41,75% FDP: 23,91% CDU: 23,84% CSU: 22,22% AfD: 13,25% 11,3 % mit Migrationsgeschichte 2 Transfrauen (Bündnis 90/Die Grüne) 56 % kommen aus der Unternehmensführung oder -organisation

© mitmischen.de/DBT

Meinungen der Fraktionen

„Frauen sind 50,7 Prozent der Bevölkerung, die wollen gleichberechtigte Repräsentation“, meinte Leni Breymaier (SPD). Es gehe darum, dass das „Leben und Erleben von Frauen im Parlament vorkommt“.

Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es sei eine „Frage der Macht“: Wenn die Mandate gerechter verteilt werden sollten, müssten die Männer logischerweise etwas abgeben.

Nina Warken (CDU/CSU) sprach sich gegen eine Paritätsregelung aus. Es liege an den Parteien selbst, meinte sie, an ihren Frauenanteilen etwas zu ändern.

Auch Konstantin Kuhle (FDP) sah ein Paritätsgesetz als „hochgradig problematisch, weil verfassungswidrig" an.

Albrecht Glaser (AfD) nannte eine verordnete Parität sogar „tendenziell antidemokratisch“ und zweifelte prinzipiell an, dass bei der Verteilung der Mandate „strukturell etwas falsch“ laufe.

Hier seht ihr die komplette Sitzung im Video:

(jk)

Mehr zum Thema