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Jugendvertreter „Große Sorgen um die Zukunft“

Besonders junge Menschen fürchten sich vor den Folgen des Klimawandels. Raoul Taschinski vom Deutschen Bundesjugendring erklärt, wie Jugendliche mit diesen Ängsten umgehen und was sie von der Politik fordern.

Portrait eines jungen Mannes im Wald

„Junge Menschen werden besonders von der Klimakrise betroffen sein, haben aber derzeit kaum Mitbestimmungsmöglichkeiten“, kritisiert Raoul Taschinski. © Remus/Bundesjugendring

Sie sind im Vorstand des Deutschen Bundesjugendrings – einer Interessenvertretung der Kinder und Jugendlichen. Besonders jungen Menschen macht der Klimawandel Sorgen und Angst, man spricht von „Climate Anxiety“. Wie äußert sich diese Klimaangst?

Stimmt, viele junge Menschen machen sich wegen der Auswirkungen des Klimawandels große Sorgen um ihre Zukunft. Sie haben das Gefühl, dass die Politik nicht genug unternimmt. Das wird auch deutlich, wenn wir uns die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ aus dem Sommer 2022 ansehen. Es wurde gefragt, wovor die jungen Menschen Angst haben. Und die Angst vor den Folgen des Klimawandels ist auf Platz zwei gelandet. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sich davor zu fürchten. Auf Platz 1 steht aktuell die Angst vor einem Krieg in Europa.

Ich habe den Eindruck, dass viele junge Menschen begriffen haben, dass sie die erste Generation sind, die sehr akut von den Folgen des Klimawandels betroffen sein wird, sie aber gleichzeitig auch der letzten Generation angehören, die noch etwas gegen den Klimawandel unternehmen kann. Deshalb haben sich viele Jugendverbände und Jugendbewegungen zusammengefunden, um etwas zu tun, beispielsweise gemeinsam auf die Straße zu gehen und ihre Sorgen gegenüber der Politik zum Ausdruck zu bringen.

Sind Proteste eine Form, mit der Angst umzugehen? Was können Kinder und Jugendliche sonst noch gegen die Angst tun?

Sicherlich sind die Proteste ein Instrument, mit dem junge Menschen diesen Sorgen begegnen. Sie wollen damit aber auch klarstellen, dass sie allein wenig gegen den Klimawandel unternehmen können. Es ist die Aufgabe der Politik, hierfür die Rahmenbedingungen zu schaffen, indem sie wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreift.

Aber ich glaube auch, dass es für junge Menschen wichtig ist, sich Informationen zu beschaffen, um handlungsfähig zu bleiben. Sorgen und Ängste in Bezug auf die Globale Erwärmung können zu einem Gefühl der Hemmung führen. Die positiven Seiten der Nachhaltigen Transformation zu betrachten, kann helfen, Hoffnung zu schöpfen um sich selbst für eine lebenswerte Zukunft zu engagieren.

Hilfreich kann es beispielsweise sein, darauf zu achten, dass die Informationsquellen, auf die man zugreift, konstruktiv ausgestaltet sind – dass also neben bestehenden Problemen auch Lösungsansätze aufgezeigt werden. Diese Informationen können dann gezielt genutzt werden, um aktiv zu werden. Hier hilft es, sich Verbündete zu suchen, mit denen die eigenen Sorgen geteilt und gemeinsame Aktionen geplant werden können. Neben Bewegungen und Jugendverbänden gibt es zum Beispiel die Plattform Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit, die zum Ziel hat, die nachhaltige Transformation aus der Zivilgesellschaft heraus zu gestalten. Hier gibt es eine Landkarte, mit der man Nachhaltigkeitsprojekte in ganz Deutschland finden kann. So können Akteure sich inspirieren lassen und sich miteinander vernetzen.

Mit dem im September veröffentlichten Sonderbericht des Weltklimarates machen die Autorinnen und Autoren sehr deutlich, dass die Situation ernst ist. Was macht der Bundesjugendring mit den Ergebnissen dieses Berichts?

Für uns ist das wichtigste Ziel, die Politik dazu zu bringen, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen das 1,5- Grad-Ziel des Abkommens von Paris eingehalten werden kann. Der Bericht untermauert vor allem, was viele junge Menschen und Jugendverbände bereits gefordert haben.

Das Ergebnis nehmen wir zum Anlass, weiterhin auf die Straße zu gehen und laut zu sein. Wir werden weiter Gespräche mit Entscheidungsträgerinnen und -trägern suchen und fordern, dass junge Menschen in die Entscheidungen miteinbezogen und ernst genommen werden. Denn junge Menschen werden zwar besonders von der Klimakrise betroffen sein, haben aber derzeit kaum Mitbestimmungsmöglichkeiten. Zum Beispiel kritisieren wir, dass man auf Bundesebene erst ab 18 Jahren wählen darf.

Die Politik sollte unbedingt dafür sorgen, dass es Beteiligungsformate gibt, bei denen junge Menschen mit Politikerinnen und Politikern ins Gespräch kommen, die die Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen wiederum mit in ihre Arbeit nehmen können.

Es gibt bereits Projekte, die ich für sehr sinnvoll halte, zum Beispiel den „Jugendcheck“. Das ist ein Pilotprojekt, bei dem es unter anderem darum geht zu prüfen, welche Auswirkungen Gesetzesvorhaben auf junge Menschen haben. Derzeit ist das Projekt aber befristet. Es sollte entfristet und verbindlich festgeschrieben werden.

Wie zufrieden sind Sie – mit Blick auf die Interessen junger Menschen – mit den klimapolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre?

Für den Deutschen Bundesjugendring ist Nachhaltigkeit ein Schwerpunktthema. Wir haben kürzlich in Kooperation mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung eine Jugendkonferenz mit dem Titel „Nachhaltigkeit gemeinsam gestalten“ organisiert und dabei ist noch einmal deutlich geworden, dass junge Menschen eine Wende einfordern, die endlich zu einer echten sozialökologischen Transformation in der deutschen Nachhaltigkeitspolitik führt.

Ich möchte auf ein konkretes Beispiel aus der Politik der letzten Monate eingehen: Wir begrüßen Initiativen wie das 9-Euro-Ticket oder die regionalen Nachfolgemodelle. Diese sind ein Schritt in die richtige Richtung. Aber langfristig braucht es Wege, die zu einem kostenfreien Nahverkehr führen. Und außerdem brauchen wir einen umfassenden Ausbau von Infrastruktur im Nah- und Fernverkehr.

Die letzten Bundesregierungen haben für den Klimaschutz zu wenig getan. Und die multiplen Krisen – der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die zunehmende Inflation, die Energiekrise – wirken sich auch auf junge Menschen aus. Und sie werfen auch Schatten auf den Bereich Nachhaltigkeit, da etwa die Gefahr besteht, dass beispielsweise die Bemühungen um eine zügige Energiewende ausgebremst werden. Es ist es umso dringender geworden, dass im Bereich Nachhaltigkeit etwas passiert. Gleichzeitig dürfen Themen wie der Schutz vor Armut, die ebenfalls vor allem junge Menschen betrifft, aber auf keinen Fall untergehen.

Der Sonderbericht des Weltklimarates enthält jeweils Zusammenfassungen, die direkt an politische Entscheidungsträger adressiert sind. Was ist – mit Blick auf den Bericht – Ihre wichtigste Botschaft an die Entscheidungsträger?

Die Botschaft ist sehr klar: Die Umsetzung effizienter Klimapolitik duldet keinen Aufschub mehr. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Mai 2021 unterstreicht das. Das Gericht hat das Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer Nachbesserung verpflichtet. Der Schutz der zukünftigen Generationen ist Aufgabe der Bundesregierung. Auch junge Menschen haben das Recht auf ein gesundes Leben. Es ist jetzt also die Aufgabe der Politik, dieses Urteil umzusetzen, die Ratschläge der Wissenschaft zu berücksichtigen und sich darum zu kümmern, dass wir endlich effizienten Klimaschutz bekommen.

Zur Person

Raoul Taschinski wurde 1994 in Mainz geboren. Dort studiert er Mathematik und Politikwissenschaften, im Nebenfach Geschichte. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings, der Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Landesjugendringe. Darüber hinaus ist er Stellvertretender Bundesjugendleiter der Jugend des Deutschen Alpenvereins, worüber er auch zum Bundesjugendring kam. Beide Ämter übt er ehrenamtlich aus.

(Mira Knauf)

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