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FDP-Abgeordneter „Von Generalverboten halte ich nichts“

Alisia Gahabka

Die FDP will mit einem Antrag den Blick auf die Chancen der Gentechnik lenken. Der FDP-Abgeordnete Mario Brandenburg über Designerbabys, Negativ-Debatten und ethische rote Linien.

Mittelalter Mann

Gentechnik kann helfen, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen, findet Mario Brandenburg (FDP). © Mario Brandenburg/ FDP

Herr Brandenburg, derzeit wird eine neue Gentechnik diskutiert: CRISPR/Cas9, kurz CRISPR. Damit wollen Forscher Tiere und Pflanzen gestalten und Menschen heilen, die Aids, Krebs oder genetische Erbkrankheiten haben. Welche Chancen sehen Sie in den neuen Verfahren?

Ich sehe da enorme Chancen. Gerade in der Landwirtschaft und bei Lebensmitteln gibt uns das Verfahren unendlich viele neue Möglichkeiten. Wir können mit der sogenannten Genschere Pflanzen herbizidresistenter, also widerstandsfähig gegen Unkrautbekämpfungsmittel, oder wasserunabhängiger machen.

Die neuen Verfahren können erreichen, dass der Ertrag des Saatgutes durch eine Pflanze deutlich höher wird, als momentan gegeben. Wir können damit einen guten Beitrag in der Debatte um sinnvolle Welternährung leisten.

Die FDP fordert im Bundestag, dass sich Deutschland neuen Verfahren in der Gentherapie öffnen sollte. Welche Krankheiten könnten Ihrer Meinung nach mit CRISPR/Cas 9 geheilt werden?

Ich kann ihnen da keine vollständige Liste aufzählen, weil ich kein Mediziner bin. Es gibt aber bei verschiedenen Erbkrankheiten Fortschritte. Hier gibt es etliche Erbkrankheiten zu nennen – zum Beispiel die Gehirnerkrankung Chorea Huntington, die Bluterkrankheit oder die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose. Außerdem ist das Potential groß, einige Krebsarten oder Infektionskrankheiten durch CRISPR/Cas9 zu besiegen.

Es sollte das geheilt werden, was ausreichend erforscht ist und wo das Risiko eines Fehlers gering ist. Es bringt eine Technologie nicht voran, wenn man sie überschätzt und einsetzt, wenn es zu riskant wäre. Wenn etwas schief geht, haben wir eine "Negativdebatte" und dann wird es schwierig, sachlich die Vorteile herauszustellen.

Der Antrag Ihrer Fraktion liest sich sehr Gentechnik-freundlich. Würden Sie jegliche Gentechnik freigeben?

Man muss zwei Dinge trennen: Gentechnik komplett freizugeben, mit allem was sie kann, lehne ich ab. Aber wenn wir sehen, was in der sogenannten grünen Gentechnik, also in der Pflanzenzüchtung, alles möglich ist, würde ich da viele strenge Regeln aufheben.

Das EuGH-Urteil vom 25. Juli 2018 ist so ein Beispiel. Die Rechtsprechung dort fasst alle Verfahren, die das Erbgut verändern, zusammen (Mutagenese). Sie dürfen nur unter besonders hohen Auflagen auf den Markt. Also auch CRISPR/Cas. Das deutsche Gentechnikgesetz sollten wir uns genauer anschauen und gegebenenfalls reformieren.

Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, ob er Lebensmittel isst, die gentechnisch verändert wurden. Doch wer es möchte, der sollte die Möglichkeit dazu haben. Die Produkte müssen gekennzeichnet sein. Von Generalverboten halte ich nichts.

Gibt es für Sie auch eine Grenze, die nicht überschritten werden darf?

Da sind wir jetzt im Bereich der sogenannten roten Gentechnik, die ihren Namen von der Farbe des Blutes hat. Ihr Einsatzfeld ist die Medizin. Mit ihrer Hilfe entwickeln Biotechnologen neue diagnostische Verfahren, um Krankheiten und Gendefekte frühzeitig zu erkennen. Eine rote Linie gibt es momentan bei einem Eingriff in die sogenannte Keimbahn. Dabei geht es um das Einbringen von Genen in Zellen eines frühen Entwicklungsstadiums. Das hat zur Folge hat, dass die eingebrachten Gene an die Nachfolgegenerationen weitervererbt werden. Dies ist in Deutschland verboten.

Letztendlich geht es um ethische Grundsatzfragen: Was berechtigt mich, mein Kind vielleicht krank auf die Welt zu bringen, wenn ich es hätte heilen können? Genauso wird andersherum argumentiert: Was berechtigt mich, mein Kind nicht krank sein zu lassen? Viele Menschen wissen gar nicht, vor welchen Fragen wir stehen und ignorieren sie einfach. Das ist hochgradig unfair für die nächsten Generationen. Damit dies alles diskutiert wird, haben wir den Antrag eingebracht.

Im Antrag der FDP ist von der Furcht vor dem "Designerbaby" die Rede – können Sie dies nachvollziehen?

Das ist eine typisch deutsche Frage, denn der Begriff "Designerbaby" ist negativ besetzt. Sich für sein Kind Haar- oder Augenfarben zu wünschen, ist absoluter Blödsinn. Doch wenn ich irgendeine Krankheit hätte, die man heilen könnte, dann würde ich die Gesundheit wählen. Das ist dann eine Frage des Labels: Bin ich ein "Designerbaby", nur weil ich mich gegen eine Krankheit und für den entsprechenden Eingriff entschieden habe? Aus meiner Sicht nicht.

In China sollen kürzlich erstmals mit CRISPR/Cas 9 genmanipulierte Zwillinge auf die Welt gekommen sein. Was halten Sie davon?

Es war eine Verfehlung und damit hat der Verantwortliche weder der Forschung noch CRISPR/Cas 9 einen Gefallen getan. Diesen Versuch sozusagen allein im Hinterhof durchzuführen, ist ziemlich schlecht. Das sieht man auch am Schock und an der Reaktion der Menschen und in der Wissenschaftswelt. Es ist fraglich, ob der verantwortliche Wissenschaftler damit dem Thema einen Gefallen getan hat.

Wie sollte stattdessen vorgegangen werden?

Es gibt Ethikräte, bei denen Experimente angemeldet werden können, sowohl hier in Deutschland als auch in China. Dann wird darüber diskutiert und eine Erlaubnis erteilt oder eben nicht.

Eine Gesellschaft muss auch die Chancen einer Technologie sehen, womit wir wieder bei dem Antrag sind. Wenn es genug Wissen gibt, können solche Versuche auch erlaubt werden. Ich bin nicht per se gegen den Forschergeist und Wissenshunger, aber den Weg, den der chinesische Wissenschaftler gegangen ist, teile ich überhaupt nicht.

Im Bundestag haben Sie Ihre Rede mit der Frage beendet, ob ein falscher Weg nicht durch positive Ergebnisse gerechtfertigt werden könne. Was ist der falsche Weg und halten Sie diesen auch persönlich für falsch?

Das war meine rhetorische Denksportaufgabe zum Schluss. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir reagieren, wenn jemand mal einen Schritt, und nicht gleich fünf, zu weit geht und damit etwas Gutes erreicht. So können wir hoffentlich gesamtgesellschaftlich ein Stückchen offener werden. Aber ansonsten bleibe ich dabei, dass man nicht einfach im Hinterzimmer mit CRISPR/Cas 9 am Menschen experimentieren darf.

Über Mario Brandenburg:
Mario Brandenburg, geboren 1983, sitzt seit 2017 für die FDP im Bundestag. Der Wirtschaftsinformatiker ist im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und in der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" tätig. Sein Wahlkreis ist Südpfalz in Rheinland-Pfalz.

Alisia Gahabka

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