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Stadt, Land, Flucht? „Lösungen statt Verbote“

Laura Heyer

Bezahlbarer Wohnraum für junge Menschen, öde Innenstädte, Öko-Aspekte beim Bauen: Auch darum ging es beim Jugendmedienworkshop. Irina hat die Vorsitzende des Bauausschusses, Mechthild Heil (CDU), interviewt.

Portraitfoto

"Stadtplaner müssen sich etwas Neues ausdenken", wenn es darum geht, wieder mehr junge Menschen in die Innenstädte zu locken, sagt Mechthild Heil (CDU). ©privat

Frau Heil, Sie sind Vorsitzende des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Was sind aktuell die dringlichsten Probleme, die in der Runde besprochen werden?

Das dringlichste Problem ist: Es gibt zu wenige Wohnungen für Menschen mit wenig Geld. Ganz besonders groß ist das Problem in solchen Städten, in die viele Menschen ziehen wollen. Vor allem junge Menschen und Familien finden dort häufig keine passende Wohnung mehr in der Nähe zur Universität oder zur Arbeit. Gleichzeitig gibt es Gebiete in Deutschland, in denen sehr viele Wohnungen leer stehen, weil dort niemand mehr wohnen will.

Etwas Ähnliches passiert jetzt auch mit Geschäften: Viele Läden mussten schließen und stehen nun leer, weil sie wegen Corona weniger verkauft haben und immer mehr Kunden lieber online shoppen. Jetzt können diese Geschäfte auch ihre Miete nicht mehr zahlen und müssen schließen.

Welche Probleme gibt es noch?

Wichtig für uns ist auch, dass wir weiterhin die Materialien zum Bauen, wie zum Beispiel Sand, Gips und Holz hier bei uns in Deutschland abbauen können. Diese Materialien sind sehr schwer, sodass es schlecht für das Klima wäre, wenn sie von weit her transportiert werden müssten. Schließlich müssen wir auch darauf achten, dass die Städte und Dörfer in Deutschland genug Geld haben, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Zum Beispiel gute Schulen oder attraktive Freizeitangebote für Menschen in jedem Alter.

Der Ausschuss hat 24 Mitglieder aus 6 Fraktionen. Wo gibt es den größten Streit?

Der Bauausschuss, wie wir ihn kurz nennen, ist eigentlich ein Ausschuss, in dem es eher weniger Streit gibt als in manchen anderen Ausschüssen. Und tatsächlich gibt es am ehesten Streit darum, welcher Ausschuss für was zuständig ist. Zum Beispiel beim Thema Klimaschutz: Ist der Umweltausschuss zuständig oder der Bauausschuss? Das Thema ist wichtig, aber bei immer mehr Regeln zum Klimaschutz besteht die Gefahr, dass das Bauen neuer Wohnungen auch immer teurer wird. Klar also, dass wir da mitreden wollen.

Wo gibt es noch Streit?

Bei unserer größten Aufgabe, mehr bezahlbare Wohnungen für die Menschen zu schaffen. Da gute Lösungen zu finden – das gibt häufiger größere Diskussionen. Schwierig ist es manchmal auch, wenn es Probleme gibt, die eigentlich gar nicht zu den Aufgaben der Bundespolitik gehören. Für den Bau von Sozialwohnungen für Menschen mit wenig Geld sind zum Beispiel eigentlich die Bundesländer zuständig. Aber die bauen davon zu wenige. Deshalb gibt es immer Diskussionen darüber, wie viel Geld der Bundeshaushalt dazugeben sollte, um die Bundesländer bei ihrer Aufgabe zu unterstützen.

Meine nächsten Fragen gehen an die Unionspolitikerin Mechthild Heil. Im September 2018 startete die sogenannte „Wohnraumoffensive“, von Bund, Ländern und Kommunen mit dem Ziel, bezahlbare eigene vier Wände zu schaffen. Was ist dabei gut gelaufen?

Gut gelaufen ist, dass wir es geschafft haben, dass wieder mehr Wohnungen in Deutschland gebaut werden, besonders auch Mietwohnungen in den Städten. Dafür haben wir zum Beispiel die Regeln bei der Steuer verbessert, für Unternehmen die neue Wohnungen bauen. Außerdem haben wir mit dem Baukindergeld viele Milliarden Euro für Familien bereitgestellt, damit sie sich ein eigenes Haus leisten können. Auch für ärmere Menschen haben wir Verbesserungen erreicht.

Welche zum Beispiel?

Wir haben das Wohngeld verbessert, sodass jetzt mehr Menschen einen Zuschuss zur Miete bekommen können, wenn ihre Miete sie zu sehr belastet. Und wir geben weiterhin jedes Jahr viel Geld an die Bundesländer, damit sie mehr Sozialwohnungen bauen. Gut gelaufen ist übrigens auch, dass trotz Corona der Bau neuer Wohnungen in Deutschland weiterhin so hoch ist wie seit Langem nicht mehr. Dazu hat gute Baupolitik ihren Teil beigetragen und das hat der Wirtschaft in Deutschland auch insgesamt sehr geholfen.

Und welche Baustellen gibt es noch?

Na ja, Wohnungsbau ist eine Sache, die relativ langsam geht. Deshalb muss an einigen Stellen einfach noch etwas mehr Zeit vergehen, damit man die positiven Wirkungen unserer Entscheidungen in den letzten drei Jahren deutlicher erkennt. Aber es gibt auch Dinge, in denen wir tatsächlich noch besser werden müssen. Das gilt besonders für die vielen Vorschriften beim Bauen, die Geld und Zeit kosten, sodass sie den schnellen Bau von bezahlbaren Wohnungen bremsen. Deshalb beraten wir im Bauausschuss im Moment das Baulandmobilisierungsgesetz, mit dem das Baugesetzbuch an vielen Stellen geändert und ergänzt werden soll.

Worum geht es da genau?

Wie der Name des Gesetzes schon zeigt, fängt jeder günstige Neubau mit einem bezahlbaren Baugrundstück an. Für preiswerte Grundstücke haben wir schon einiges getan, aber da müssen wir noch mehr machen – gemeinsam mit den Bundesländern und den Städten und Gemeinden.

Innenstädte veröden vielerorts, weil Läden schließen und die Corona-Krise verstärkt diesen Trend. Junge Leute kaufen ohnehin häufig online ein. Müssen Stadtentwickler umdenken?

Ja und nein. Stadtentwickler haben immer schon versucht, Innenstädte so attraktiv zu machen, dass viele Menschen Lust bekommen, sich dort aufzuhalten. Und wenn die Menschen in die Innenstädte kommen, dann profitieren davon Geschäfte, Restaurants und Kneipen, Kinos und Theater. Wenn es in Zukunft weniger interessant ist, in der Innenstadt ein Geschäft zu besuchen, weil man lieber online einkauft, dann müssen die Stadtplaner sich etwas Neues ausdenken.

Was zum Beispiel?

Sie müssen natürlich auch an junge Leute denken: Auch für die muss es interessante Locations in der Innenstadt geben, die sie zum Besuch einladen. Und wenn dafür die Räume zum Beispiel von einem leerstehenden Geschäft genutzt werden können, dann ist das umso besser. Im Augenblick müssen wir in der Stadtentwicklung aber zwei Dinge unterscheiden: Probleme, die es nur wegen Corona gibt, und grundsätzliche Probleme von Innenstädten und deren Geschäften. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe und dafür muss es auch unterschiedliche Lösungen geben.

Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte kürzlich Einfamilienhäuser. Er sagte, sie verbrauchten viel Fläche, Baustoffe und Energie und sorgten „für Zersiedelung und noch mehr Verkehr“. Ist das Einfamilienhaus ein Auslaufmodell?

Wie kann etwas ein Auslaufmodell sein, das für die Mehrheit der Menschen in Deutschland ein Lebensziel ist? Natürlich wollen viele Menschen weiterhin in Einfamilienhäusern wohnen und eventuell sich auch ein neues Haus bauen – und das ist auch gut so! Richtig ist, dass auch bei Einfamilienhäusern Fragen von Flächenverbrauch, von Baumaterialien und auch von Verkehrsbelastung eine Rolle spielen müssen. Gute Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf Lösungen konzentriert, wenn etwas lösbar ist – und nicht auf pauschale Verbote. Und die angesprochenen Themen sind für Einfamilienhäuser lösbar.

Ich habe mir das Interview von Herrn Hofreiter genau durchgelesen – und ehrlich gesagt, hat er ein plattes Verbot von Einfamilienhäusern auch nicht direkt gefordert. Dennoch fehlt ihm vielleicht etwas der Kontakt zu Menschen in Deutschland, die ein ganz normales Leben führen, und das ist die Mehrheit. Wenn er davon mehr hätte, dann würde er vielleicht auch klarer sprechen und dann könnte man ihn nicht so leicht falsch verstehen.

Mehr über Mechthild Heil

Mechthild Heil ist Politikerin der CDU und Architektin. Seit 2009 ist die 59-Jährige Mitglied des Deutschen Bundestages und war von 2013 bis 2017 Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 2018 ist Heil Vorsitzende des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Mehr über Mechthild Heil erfahrt ihr auch in ihrem Profil auf bundestag.de.

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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