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Vizepräsidentin Pau "Fachchinesisch ist fehl am Platz"

Michael Kruse

Wenn sie Sitzungen des Bundestags leitet, muss sie eingreifen, bevor Situationen eskalieren. Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) hat Michael erzählt, warum das Parlament heute lebendiger und Fachchinesisch fehl am Platz ist.

Petra Pau im Gespräch

"Der Kampf gegen Antisemitismus, also Hass auf Jüdinnen und Juden, nur, weil sie Jüdinnen oder Juden sind", sei ihr besonders wichtig, sagt Petra Pau. © Polina Spartyanova

Als Bundestagsvizepräsidentin leiten Sie häufig Sitzungen des Bundestages. Die Augen Hunderter Abgeordneter und Besucher sind auf Sie gerichtet, dazu Tausende Menschen an den Bildschirmen. Was war die kniffligste Situation, die Sie einmal erlebt haben?

Das Spannendste war für mich, meinen damaligen Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi und Oskar Lafontaine beizubringen, dass bei der Vizepräsidentin Petra Pau fünf Minuten Redezeit exakt fünf Minuten sind und keine Sekunde länger.

Im Plenum gibt es manchmal feurige Schlagabtausche. Was bedeutet das für Sie als Sitzungsleiterin?

Wenn sich Abgeordnete – egal welcher Fraktion – unparlamentarischer Ausdrucksweisen bedienen oder gar zu demonstrativen Akten greifen, haben wir die Aufgabe, das zu sanktionieren. Wir können Parlamentarier ermahnen, ihnen das Wort entziehen, ein Ordnungsgeld verhängen oder Mitglieder des Saals verweisen.

Ich gestehe, in dieser Legislatur fühle ich mich da noch mal besonders gefordert. Wir müssen jetzt noch aufmerksamer sein, um gleich einzugreifen zu können, bevor eine Situation eskaliert.

Sie sind seit zwölf Jahren Vizepräsidentin. Was hat sich im Parlament verändert?

Über die Jahre hat sich im Parlament sehr viel verändert. Das hat zum einen etwas mit den gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun, aber auch mit den Veränderungen im Parlament nach Wahlen. Mal waren es fünf Fraktionen im Parlament, in der letzten Legislaturperiode waren es nur vier Fraktionen, jetzt haben wir sechs Fraktionen im Plenum.

Gemeinsam mit dem damaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert haben wir gerungen, unsere Parlamentssitzungen interessanter und lebendiger zu machen. Das ist uns gelungen: In der vergangenen Legislatur haben wir die Fragestunde geändert und in dieser Legislatur muss auch die Bundeskanzlerin mehrmals im Jahr dem Parlament Rede und Antwort stehen.

Manchmal ist das, was Politiker im Plenum sagen, für die Zuhörer schwer verständlich. Schon die Titel der Tagesordnungspunkte klingen oft wie Zungenbrecher. Verstehen Sie immer alles?

Nein. Wobei für die Titel die Einbringer des Themas oder der Vorlage zuständig sind, also die Fraktionen oder die Bundesministerien und nicht das Präsidium des Bundestags.

Was macht für Sie einen guten Redner aus und haben Sie Tipps, wie man einer wird?

In den Plenardebatten geht es nicht oder kaum darum, die Fachpolitiker anderer Fraktionen von der eigenen Meinung zu überzeugen. Adressat sind die Bürgerinnen und Bürger auf der Besuchertribüne oder an den Bildschirmen. Jedes Fachchinesisch ist daher fehl am Platz. Ansonsten kann auch ein gutes Rhetorik-Training hilfreich sein.

Dürfen Sie als Vizepräsidentin gewisse Themen voranbringen? Welche sind Ihnen wichtig?

Als Vizepräsidentin setze ich keine eigenen Themen. Aber eines ist mir überparteilich wichtig: Der Kampf gegen Antisemitismus, also Hass auf Jüdinnen und Juden, nur, weil sie Jüdinnen oder Juden sind.

Als Vizepräsidentin haben Sie auch noch andere Aufgaben. Sie repräsentieren den Bundestag als Ganzes nach außen. Welche Termine haben Sie da zum Beispiel? Und fällt es schwer, die eigene Parteizugehörigkeit zurückzustellen?

Reisen wir als Mitglieder des Präsidiums ins Ausland oder empfangen wir im Bundestag offizielle Delegationen anderer Staaten, dann sind wir quasi im diplomatischen Dienst. Wir repräsentieren nicht uns oder unsere Parteien, sondern den gesamten Bundestag und damit die Bundesrepublik Deutschland. Ergo muss ich auch die Meinung des Bundestages vertreten und nicht meine als Linke.

Natürlich wissen meine ausländischen Partner, aus welcher politischen Richtung ich komme, und zuweilen fragen sie mich auch nach meiner Meinung. Dann sage ich aber auch klar und deutlich, dass ich jetzt als Abgeordnete antworte und nicht als Vizepräsidentin.

Nun sind Sie ja seit 1998 direkt gewählte Abgeordnete des Bundestages und vertreten als solche den Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf. Hat sich Ihre Arbeit vor Ort in den letzten Jahren verändert?

Meine Pro-Themen waren von Anfang an Bürgerrechte und Demokratie, meine Contra-Themen Rechtsextremismus, Extremismus und Antisemitismus. Diese habe ich in den vergangenen 20 Jahren auch bei meiner Arbeit im Innenausschuss vertreten.

Aber Sie haben Recht, als direkt gewählte Abgeordnete ist man nicht nur für seine Spezialthemen zuständig, sondern erlebt die Auswirkungen von bundespolitischen Entscheidungen auch immer vor Ort. Dann kommt das ganze pralle Leben auf einen zu.

Das heißt für mich, wenn Bürgerinnen und Bürger sich in existenziellen Situationen an mich wenden, ansprechbar zu sein. Und ich erhalte deutlich mehr Reaktionen auf meine eigene Arbeit.

Über Petra Pau:

Petra Pau, geboren 1963, ist seit 1998 für Die Linke im Deutschen Bundestag. Seit 2006 ist sie dessen Vizepräsidentin. Sie ist Mitglied im Innenausschuss und im gemeinsamen Ausschuss von Bundestag und Bundesrat. Ihr Wahlkreis ist Berlin-Marzahn-Hellersdorf.

Michael Kruse

Zur Person

Mitmischen-Autor

Michael Kruse

studiert Politikwissenschaft

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