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Wehrbeauftragter Der Soldatenanwalt

Mobbing, kaputte Panzer, Horror-Chefs – wenn Soldaten Probleme haben, können sie sich an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages wenden. Lukas erklärt, wie er hilft und warum es ihn gibt.

Portraitfoto

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels schreitet dann ein, wenn etwas schief läuft bei der Bundeswehr, zum Beispiel wenn ein Soldat von einem Vorgesetzten mies behandelt wird. © Tim Eckert

Gesprächsrunde

Ran ans Parlament: Die Teilnehmer des Jugendmedienworkshops des Deutschen Bundestages befragen den Wehrbeauftragten. Zu dessen Aufgaben zählen übrigens auch Überraschungsbesuche in Trainingslagern. © Tim Eckert

"Fettes Bauernstück", hatte der Hauptfeldwebel zu ihm gesagt, als der Stabsunteroffizier seine Waffe nicht richtig zusammensetzte. Es kam noch schlimmer: Er nannte ihn "Scheiß-Sanitäter" und trat ihm ins Gesäß.

Wenn Soldaten Derartiges widerfährt und sie vor Ort nicht weiterkommen, können sie sich an ihn wenden: den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages – und zwar ohne, dass die Betroffenen ihre Vorgesetzten um Erlaubnis fragen müssen. Auf Wunsch bleibt das Ganze anonym. "Anwalt der Soldaten" wird der Wehrbeauftragte daher auch genannt. Seine Mission: Aufklären und Abhilfe schaffen.

Besuch von Nachwuchs-Reportern

Einige Teilnehmer des diesjährigen Jugendmedienworkshops des Bundestages haben den Mann mit diesem besonderen Amt während ihrer Recherche-Tour in der Hauptstadt besucht. Das Thema des Workshops lautet "Krieg und Frieden". Was genau also hat es mit dem Wehrbeauftragten auf sich, der sich um deutsche Soldaten kümmert, die für Frieden sorgen sollen und doch auch in Kriegsgebieten Dienst schieben?

Auf dem Laufenden bleiben

Ob aus dem Einsatz in Mali, dem Nato-Hauptquartier in Litauen oder einer Dienststelle in Deutschland: 2.528 Bitten und Beschwerden von Soldaten gingen 2017 beim Wehrbeauftragten ein. Daneben gibt es auch sogenannte "meldepflichtige Ereignisse", von denen er und sein Team beim Parlament ohnehin erfahren müssen.

Doch der Wehrbeauftragte wartet nicht nur, bis ein Missstand auf seinem Schreibtisch landet. Er besucht auch häufig unangekündigt die rund 182.000 Mann starke deutsche Truppe im In- und Ausland, um auf dem Laufenden zu sein. Kriegt er mit, dass irgendwo etwas schief läuft, schreibt er mit. Insgesamt 4.173 solcher "Vorgänge" durchleuchtete der Wehrbeauftragte mit seinem Team 2017.

Schwarz auf weiß

Einmal im Jahr legt der "Anwalt der Soldaten" dem Deutschen Bundestag einen Bericht vor. Der sorgt immer für Schlagzeilen in den Medien. Denn in dem über 100 Seiten dicken Schriftstück steht schwarz auf weiß, wo bei der Bundeswehr der Schuh drückt. Was alles gut läuft – so viel sei an dieser Stelle noch gesagt – bleibt außen vor.

Mieses Verhalten von Vorgesetzte gegenüber nachgeordnetem Personal, unterirdische Umgangsformen zwischen den Soldaten, Probleme bei Waffen, Panzern oder Hubschraubern, weil zum Beispiel Ersatzteile fehlen, mangelhafte Unterkünfte oder etwa Papierkrieg und unsinnige Bürokratie – all das kommt schonungslos ans Licht. Dabei stechen manche Vorfälle besonders ins Auge, etwa wenn es um sexuelle Übergriffe, Fremdenfeindlichkeit oder anderen Extremismus geht.

Die Parlamentsarmee

Doch warum sitzt die Person, die sich um Missstände in der Bundeswehr kümmert, beim Parlament und nicht etwa im Bundesministerium für Verteidigung?

Während etwa in den USA der Präsident der Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, ist es in Deutschland nicht die Kanzlerin oder der Kanzler, sondern das Parlament. Die Bundeswehr ist eine sogenannte Parlamentsarmee.

Das betrifft auch die Einsätze der Soldaten. Der Deutsche Bundestag entscheidet, ob deutsche Truppen im Ausland Dienst tun sollen. Zwei Drittel der Parlamentarier müssen das befürworten, so steht es im Grundgesetz Artikel 115a. Nur in Ausnahmefällen darf die Bundesregierung die Truppen losschicken, zum Beispiel bei besonders schweren Unglücksfällen, Naturkatastrophen oder bei Terrorgefahren.

Hüter der Grundrechte

Um sicherzustellen, dass das Band zwischen den Streitkräften und dem Parlament hält, wurde 1956 ein eigenes Amt geschaffen – das Amt des Wehrbeauftragten. Er ist das Bindeglied zwischen den beiden Welten, und er hat eine ganze Reihe von Aufgaben.

Seine Kernaufgabe: Über die Grundrechte von Soldaten wachen und kontrollieren, ob die sogenannten Grundsätze der Inneren Führung eingehalten werden.

Der Kodex

Doch was genau heißt das? Die "Innere Führung" ist eine Art Kodex, nach dem Soldaten handeln und denken sollen. Dazu gehören: Menschenwürde, Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität und Demokratie. Soldatisches Handeln ist diesen Werten verpflichtet.

Soldaten nennt man in Deutschland auch Staatsbürger in Uniform. Das bedeutet, dass sie – wie alle anderen Bürger des Landes auch – den Werten und Normen des Grundgesetzes verpflichtet sind und dass sie im Gegenzug durch Werte und Grundrechte geschützt werden.

Extra Stuhl

Der Wehrbeauftragte ist weder Beamter noch Abgeordneter, seine besondere Stellung sieht man auch daran, dass er einen eigenen Sitz im Plenarsaal des Bundestages hat. Ernannt wird er vom Bundestagspräsidenten, trotzdem ist er ein unabhängiger Parlamentsbeauftragter. Aktuell hat das Amt übrigens Hans-Peter Bartels (SPD) inne.

Mit Fingerspitzengefühl

Dabei kann es passieren, dass der Wehrbeauftragte mit Beschlüssen des Parlaments über Kreuz liegt. Etwa, wenn der Bundestag einen Einsatz der Bundeswehr beschließt, der aber von den Truppen kritisiert wird – zum Beispiel wenn aus Sicht der Soldaten gar nicht genügend Personal oder Material für den vorgesehenen Einsatz zur Verfügung stehen. In solchen Fällen ist es auch die Aufgabe des Wehrbeauftragten zwischen dem Parlament und den Streitkräften zu vermitteln.

Vermittlung mit Fingerspitzengefühl ist auch oft gefragt, wenn es um einzelne Vorfälle zwischen den Soldaten geht. Doch wo guter Wille nicht hilft oder gar ein Dienstvergehen vorliegt, gibt es auch andere Konsequenzen. Der Hauptfeldwebel mit dem unflätigen, gewalttätigen Verhalten wurde übrigens durch das Truppendienstgericht zu einer empfindlichen Disziplinarmaßnahme verurteilt.

Lukas Stern

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