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Schülervertreter „Wir sind eine starke Generation“

Laura Heyer

Alle reden über Schulschließungen, Tests und Maskenpflicht. Aber was sagen die betroffenen Schüler? Dario Schramm (20), Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, über seine Note für Bildungspolitiker, freiwillige Lernangebote und seine Botschaft an den Bundestag.

Portraitfoto

„Für manche ist es geradezu eine Katastrophe“, sagt Dario Schramm. Der 20-Jährige vertritt acht Millionen Schülerinnen und Schüler. © Torben Krauß

Dario, welche Note gibst du den verantwortlichen Bildungspolitikern in Deutschland für ihre Leistungen in der Corona-Krise?

Ich würde eine 4- vergeben, denn die Politiker haben große Defizite gezeigt. Wenn alles so weitergeht wie bisher, werden wir in Zukunft mit vielen Problemen zu kämpfen haben. Aber es gibt immerhin Anstrengungen, etwas zu verbessern.

Du bist selbst Schüler – wie sieht dein Alltag und der Alltag deiner Mitschüler aktuell aus?

Da ich gerade Abitur mache, habe ich relativ viel Präsenzunterricht. Aber mein kleiner Bruder zum Beispiel, der in der 10. Klasse ist, hat seit Monaten keinen Klassenraum mehr gesehen. Er hatte mehr mit seinem Computer zu tun als mit Menschen. Und ich war auch von Dezember bis Mitte Februar zu Hause. Diese Situation kann das Lernen einfach nicht ersetzen. Mein Bruder und ich haben aber noch den großen Vorteil, dass wir eigene Zimmer und eigene Laptops haben – das ist nicht überall so. Und irgendwann kommt das Internet auch einfach an seine Grenzen. Trotz Föderalismus ist diese Situation in allen Bundesländern identisch: Jeder muss mit der aktuellen Lage individuell umgehen und das ist für die einen besser, für manche aber geradezu eine Katastrophe.

Als Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz vertrittst du die Interessen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland. Wie ist das Stimmungsbild dort gerade?

Die Bundesschülerkonferenz setzt sich aus Vertretern aus 13 Bundesländern zusammen, in Zahlen sind das acht Millionen Schülerinnen und Schüler, die wir repräsentieren. Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bremen sind nicht dabei. Es gibt natürlich nie die eine „Schülermeinung“. Aber alle leiden gerade unter einer gewissen Unsicherheit. Die Abschlussjahrgänge fragen sich, wie ihre Zukunft aussieht. Wer den Abschluss noch vor sich hat, fragt sich natürlich, was die kommenden Monate und Jahre noch bringen.

Die Bundesschülerkonferenz

Die Bundesschülerkonferenz (BSK) ist die ständige Konferenz der
Landesschülervertretungen der Länder. Zurzeit sind 13 der insgesamt 16 deutschen Landesschülervertretungen in der Bundesschülerkonferenz vertreten. Nicht dabei sind Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Jedes Mitgliedsland entsendet drei Delegierte für die Plenartagungen, die mindestens zweimal im Jahr stattfinden.

Werdet ihr von der Politik wahrgenommen, werdet ihr gehört?

Durch Corona werden junge Menschen stärker wahrgenommen. Aber es ist ein schmaler Grad zwischen wahrgenommen und ernstgenommen werden. Ernstgenommen würde bedeuten, dass wir Teil der Entscheidungsprozesse sind. Dem ist aber aktuell nicht so, sondern wir werden erst eingebunden, wenn Entscheidungen schon getroffen sind. Die trifft in unserem Fall die Kultusministerkonferenz, aber natürlich auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Im Bundestag werden seit Monaten Anträge diskutiert, die Verbesserungen für die Schüler bringen sollen, da geht es beispielsweise um Förderprogramme, um psychologische Hilfe, Luftfilter und Tests. Was sind deine drei Forderungen an die Politik?

Der erste große Punkt ist die Testpflicht in Schulen. Aus unserer Sicht müssten alle Schüler die Möglichkeit haben, sich dreimal die Woche zu testen. Langfristig muss das Ziel sein, dass an jedem Präsenztag getestet wird. Zweitens fordern wir freiwillige Lernangebote in den Sommerferien. Eine Möglichkeit wäre, dass Lehramtsstudenten dadurch ihre Praxisstunden ableisten und gleichzeitig Schüler unterstützen könnten. Wir haben dazu von den Lehramtsverbänden sehr positives Feedback bekommen. Und drittens müssen wir uns grundsätzlich Gedanken machen, wie Schule in den kommenden Jahren aussehen soll. Denn die Zeit der Pandemie wird noch langfristig Folgen haben, die man jetzt noch gar nicht abschätzen kann.

Hilfe für Schüler

Auf der Plattform „Corona School e. V.“ finden Schüler und Schülerinnen Hilfe beim Lernen. Dort bieten Studenten und Studentinnen Unterstützung an, um verpassten Stoff nachzuholen. Ob Mathe, Deutsch oder Englisch – eine Zuteilung zum Lernpartner oder der Lernpartnerin ist unabhängig von Schulform, Bundesland oder Leistungsniveau.

Wer einen Lernpaten sucht oder sich als Unterstützer bewerben will, findet hier weitere Informationen. Die Corona-School e.V. ist eine gemeinnützige Initiative ohne Gewinnerzielungsabsicht oder sonstiges, kommerzielles Interesse.

In Politik und Öffentlichkeit wird manchmal von einer „verlorenen Generation“ gesprochen? Was hälst du von der Formulierung?

Ich glaube, dass meine Generation alles ist, aber sicher nicht verloren. Wir überleben seit über einem Jahr eine Pandemie, die jeden von uns vor riesige Herausforderungen stellt. Gerade die jungen Menschen mussten auf viel verzichten. Genau deshalb würde ich sagen, dass wir besonders krisenfest sind und keine verlorene, sondern eine starke Generation.

Stell dir vor, du könntest morgen eine Rede im Bundestag halten, wie würdest du die Rede beenden?

Ich würde sagen: „Alle Probleme liegen auf dem Tisch. Wir wissen mittlerweile, wo die Defizite sind. Jetzt geht es darum, diese Defizite zusammenzuführen und anzupacken, um sie zu beheben. Wir müssen mehr handeln, anstatt zu reden.“

Mehr über Dario

Der 20-Jährige lebt in Bergisch-Gladbach in Nordrhein-Westfalen und geht in die 13. Klasse. Seit 2020 ist er Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, die die Interessen von acht Millionen Schülern und Schülerinnen in Deutschland vertritt.

(lh)

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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