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Schauspieler Lucas Englander „Müssen zuhören und Fragen stellen“

Schauspieler Lucas Englander vermutet, dass vielen Männern nicht bewusst ist, wie es den Frauen in seiner Branche geht. „Zuhören und Fragen stellen“ hält er für besonders wichtig, um gerechtere Bedingungen zu schaffen.

Porträt von Lucas Englander

„Es ist wichtig, dass sich alle Menschen gesehen fühlen“, sagt Schauspieler Lucas Englander. Deshalb sei es wichtig, dass verschiedene Lebensrealitäten auf der Leinwand abgebildet werden. © Jeanne Boulet

Der Begriff Gender Pay Gap bezeichnet die Tatsache, dass Frauen häufig weniger verdienen als Männer in denselben Berufen. Ist das ein besonders großes Problem im Kultursektor?

Soweit ich weiß, liegt der Gender Pay Gap im Kultursektor bei mehr als 20 Prozent. Im Film- und Fernsehsektor ist der Gap aber noch viel größer und liegt bei bis zu 75 Prozent. Diese Zahlen sind aber nur der Anfang. Das Problem wird auch deutlich, wenn man sich die unterschiedliche Präsenz von Männern und Frauen in vielen Berufen in Film und Fernsehen ansieht. Oft gibt es viel weniger Frauen, zum Beispiel im Bereich Regie und das, obwohl Frauen hier fast die Hälfte der Studienplätze belegen.

Gibt es neben der Bezahlung noch andere Bereiche, in denen Frauen in Kunst und Kultur Nachteile erleben?

Zum Beispiel werden Fördergelder öfter an Männer vergeben und in Jurys und anderen Entscheidungspositionen gibt es mehr Männer als Frauen. Natürlich wirkt sich das nicht nur auf die Gehälter, sondern auch darauf aus, wie häufig – oder selten – Männer, Frauen und andere Gruppen vor der Kamera abgebildet werden. Mit unserer Kunstform liefern wir eine Perspektive auf das Weltgeschehen. Und wer dabei wie oft vertreten ist, formt diese Perspektive.

Haben Sie persönliche Erfahrungen mit Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen gemacht?

Ich war schon oft an Sets, an denen viel mehr Männer als Frauen gearbeitet haben. Vor kurzem habe ich eine weibliche Kollegin gefragt, wie sie sich damit fühlt. Humorvoll hat sie mir geantwortet: „Ist schon sehr viel Testosteron gerade.“ Wir haben uns angesehen und das mit einem gemeinsamen Lächeln runtergeschluckt. Jetzt frage ich mich, ob ich mich nicht doch besser an den Produzenten hätte wenden sollen. Aber vielleicht kann ich das ja jetzt noch tun.

Was können Ihre Kollegen und Kolleginnen tun, um für gerechtere Verhältnisse im Kulturbereich zu sorgen?

Zuhören und Fragen stellen, und zwar an allen Etappen eines Projektes. Es ist wichtig, das Gespräch miteinander zu suchen und zu verstehen, wie die verschiedenen Realitäten, mit denen wir alle im Kulturbereich konfrontiert werden, aussehen. Ich glaube, vielen Männern ist gar nicht klar, wie unterschiedlich die Behandlung für Frauen und Männer ist. Wir Männer dürfen uns auch trauen, uns zum Thema Gender Pay Gap zu äußern und mit unseren Kolleginnen gemeinsam versuchen, gezielt einen Punkt nach dem anderen zu verbessern. Dabei sollten wir keine Angst davor haben, dass wir nicht alles wissen oder vielleicht feststellen, dass wir selbst auch einmal eine falsche Idee haben. Es geht hier um ein Miteinanderwachsen und um einen Lernprozess.

Sexismus hat viel mit Dominanz zu tun. Und Dominanz gibt ein Gefühl von Sicherheit, aber Zusammensein auch. Ich persönlich fühle mich im Zusammensein sicherer. Da geht es dann nämlich um Ideenaustausch und um Interesse an anderen. Man kann über sich hinauswachsen, Ängste teilen, über sich lachen, gemeinsam träumen. Letztlich geht es um Kultur.

Was wünschen Sie sich von der Politik, damit sich gerechtere Strukturen in den Berufen im Kultursektor etablieren lassen?

Ich wünsche mir, dass es wertvoller wird, sich kulturell vielfältig auszudrücken als schnell Profit zu machen. Ich habe das Gefühl, dass viele Konflikte daraus entstehen, dass sich jemand allein fühlt. Wenn wir alle in der Kultur vertreten werden und uns daher mit ihr identifizieren können, würden wir uns gesehen und als Teil der Gesellschaft fühlen. Dann würden sich mehr Menschen dafür einsetzen, die Gesellschaft friedlich, gesund und nachhaltig zu formen. Die Politik muss dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.

Zur Person

Lucas Englander

Lucas Englander wurde 1992 in Wien geboren. Nach der Schule studierte er zunächst Schauspiel am Stella Adler Studio of Acting in New York. Anfang der 2020er Jahre übernahm er ein Rolle in der europäischen Fernsehserie „Das Parlament“, deren dritte Staffel ab Sommer in der ARD-Mediathek laufen wird. Auch in der Netflix-Serie „Transatlantic“ ist Englander zu sehen. Aktuell lebt Englander in Paris.

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