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Catarina dos Santos-Wintz (CDU/CSU) „Wir fordern ein Ende des Digital-Chaos“

Im September hat die Bundesregierung ihre Digitalstrategie vorgelegt. Catarina dos Santos-Wintz (CDU/CSU) ist von der Strategie enttäuscht. Im Interview erklärt sie, warum.

Porträt von Catarina dos Santos-Wintz

„Mir fehlen Leuchtturmprojekte und inspirierende Idee für die Zukunft“, sagt die CDU/CSU-Abgeordnete Catarina dos Santos-Wintz über die Digitalstrategie der Bundesregierung. © Tobias Koch

Die Bundesregierung hat kürzlich ihre Digitalstrategie vorlegt. Wie stehen Sie als Oppositionspolitikerin dazu?

Grundsätzlich finde ich es gut, dass die Bundesregierung mit der Digitalstrategie versucht, digitalpolitische Projekte über die verschiedenen Ministerien hinweg zu koordinieren und zu entwickeln. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat somit ein neues Konzept ausprobiert und Projekte aus verschiedenen Ministerien gesammelt und zusammengeführt. Das Konzept wurde in der Öffentlichkeit allerdings auch stark kritisiert. Ich wäre grundsätzlich offen für diese Idee, sehe aber Probleme in der Umsetzung.

Inhaltlich bin ich von der Digitalstrategie enttäuscht, weil es mir an konkreten Vorschlägen mangelt: Mir fehlen Leuchtturmprojekte und inspirierende Ideen für die Zukunft. Beispielsweise wünsche ich mir, dass in Zukunft sämtliche Dokumente, egal, ob sie den Bund oder die Kommunen betreffen, digital von den Bürgern beantragt werden können. Ich wünsche mir mehr Nachhaltigkeit in der IT, Europa als weltweit führend im Bereich „Künstliche Intelligenz“ oder, dass Schülerinnen und Schüler verantwortungsvolles Handeln im Internet in der Schule lernen.

In einem Antrag kritisiert Ihre Fraktion, dass es bei der Umsetzung laufender Digitalprojekte hakt. Welche Probleme gibt es?

Die Digitalstrategie wurde mit sehr großer Verspätung vorgelegt. Seit der Bundestagswahl ist bereits ein Jahr vergangen. Notwendige Projekte hätten schon angestoßen werden können und müssen.

Außerdem finde ich, dass Deutschland bei Verhandlungen auf EU-Ebene zu wenig präsent ist. Bei der Größe Deutschlands sollten wir uns in Brüssel sehr aktiv an Verhandlungen, beispielsweise im Rat, zum Thema Digitalisierung beteiligen, das ist derzeit nicht der Fall. Oftmals vertritt Deutschland dort keine Position oder die Positionierung erfolgt erst nach vielen Monaten.

Und konkreter frage ich mich, wie es um das Thema Digitalbudget steht. Ein festes Budget, mit dem die Digitalisierung vorangetrieben werden soll, war geplant, aber wurde nun nicht im Haushaltsplan hinterlegt. Ich hoffe, dass die Bundesregierung noch ein Budget ausarbeiten wird und die Idee nicht gestorben ist.

In Ihrem Antrag fordern Sie unter anderem ein Digitalministerium. Warum halten Sie ein eigenes Ministerium für notwendig?

Mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gibt es eigentlich bereits ein Ministerium für Digitales. Meine Fraktion kritisiert allerdings, dass es sich hierbei um einen Etikettenschwindel handelt. Denn wirklich neue Kompetenzen hat das BMDV nicht. Wichtige Legislativprozesse, also Prozesse, bei denen es um die Gesetzgebung geht, sind weiterhin in anderen Ministerien angesiedelt. Um ein Beispiel zu nennen: Für das Thema Vorratsdatenspeicherung liegt die Zuständigkeit im Bundesministerium für Justiz (BMJ) und für das Thema Games liegt sie im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Deshalb fordern wir ein Ende des Digital-Chaos.

In der vergangenen Legislaturperiode hatte die FDP ein Digitalministerium gefordert – die regierende Union war damals dagegen. Was hat sich geändert?

Ich glaube, dass ein Digitalministerium aus heutiger Sicht Sinn ergibt, aber es muss eben auch ein wirkliches Digitalministerium sein. Digitalpolitikerinnen und -politiker denken oftmals etwas technischer als Rechts- oder Innenpolitiker. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten. Ich bin selbst Rechtsanwältin und sitze auch hin und wieder zwischen den Stühlen. Es ist aber sehr wichtig, dass wir technische und rechtliche Fragen verbinden und das wäre in einem Digitalministerium meiner Meinung nach möglich.

Wenn es um die Digitalisierung der Schulen geht, wird häufig kritisiert, dass es hier nicht schnell genug geht. Beinhaltet die Strategie genug Ideen für die Schulen?

Das Thema Bildung und Schulen liegt laut Gesetzgeber in den Kompetenzen der Länder. Deswegen ist es so, dass der Bund nur innerhalb bestimmter enger Grenzen eingreifen kann. Der Bund kann aber Projekte fördern. Das war in der Vergangenheit auch beispielsweise bei dem Projekt „Digitalpakt Schule“ so. Leider wurden die Fördermittel viel zu wenig abgerufen. Und das aus einem sehr traurigen Grund: weil die bürokratischen Hürden viel zu hoch waren. Das wissen wir jetzt.

Ich finde es wichtig, dass das Thema Digitalisierung Eingang in den Schulalltag findet und dazu gehört für mich auch eine Ausbildung der Lehrkräfte, entsprechendes Lehrmaterial, Ausstattung von Schulen und eine Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern für Chancen und Gefahren im Netz. Hier kann der Bund, in Absprache mit den Ländern, durch Projekte helfen. In diesem Bereich ist bei der Digitalstrategie der Bundesregierung noch Luft nach oben.

Welcher Themenbereich liegt Ihnen bei der Digitalisierung noch besonders am Herzen?

Ich würde mich als relativ jung bezeichnen und deshalb ist das Thema Digitalisierung für mich fast schon eine Selbstverständlichkeit. Und so geht es vielen in meiner Generation.

Einigen älteren Menschen geht das nicht so, die kennen noch eine analogere Welt. Mir ist es deshalb wichtig, dass wir vereint tätig sind und Lösungen finden, die alle mitnehmen und allen gerecht werden. Ich bin also für eine Art generationenübergreifende Digitalisierung.

Und noch zwei weitere Themen liegen mir besonders am Herzen, die auch mit dem Bereich Digitalisierung und Schule zusammenhängen. Das sind die Themen Hassrede und Desinformation. Ich bin im Digitalausschuss für meine Fraktion für diesen Bereich zuständig. Und ich sehe hier sehr viel Handlungsbedarf. Lösungen könnte man mit einer Kombination aus den richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen, aber auch durch Unterstützungsangebote für Betroffene schaffen. Genauso wichtig ist Aufklärung, die schon in Schulen anfangen muss. Kinder und Jugendliche sollten früh lernen, wie eine Quellenrecherche funktioniert. So sollten sie wissen, wie man Informationen überprüfen kann, die man auf TikTok zu sehen bekommt – und das ist manchmal gar nicht so einfach. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir junge Menschen befähigen, digitale Inhalte kritisch zu hinterfragen.

Zur Person

Catarina dos Santos-Wintz wurde 1994 in Lissabon, Portugal geboren. Sie wuchs in der Städte-Region Aachen auf und studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Von 2020 bis 2021 arbeitete sie als Rechtsanwältin. Seit 2014 ist dos Santos-Wintz Mitglied der CDU. 2021 zog sie in den Bundestag ein. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Digitales und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(Mira Knauf)

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