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Klimaschutzgesetz Umstrittener Entwurf

Laura Heyer

In einer leidenschaftlichen Debatte hat der Bundestag vor Kurzem erstmals über den Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz beraten. Von der Opposition gab es viel Widerspruch.

Schild: 'Klimaschutz', durchgestrichen: 'CO2-Emission'

Runter mit den Treibhausgasen wie etwa dem CO2, um das Klima zu schützen, das rät die Wissenschaft. © shutterstock

2045 – in diesem Jahr soll Deutschland „klimaneutral" sein, so will es die Bundesregierung. Das bedeutet, das nur noch so viele Gase wie zum Beispiel Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Luft geblasen werden sollen, wie an anderer Stelle eingespart oder gebunden werden können. Der Grund: CO2 und einige andere Gase sind vorrangig für den gegenwärtigen Klimawandel verantwortlich, so lautet der über Jahrzehnte entstandene wissenschaftliche Konsens.

Um dieses Ziel zu erreichen, will die Bundesregierung ihr Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 anpassen. Über den Gesetzentwurf hat der Bundestag am 10. Juni in einer anderthalbstündigen Debatte beraten. In der kommenden Woche soll die neue Regelung verabschiedet werden.

Anstoß für die Änderungen ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem April 2021. Darin erklärt das oberste deutsche Gericht Teile des Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig. Dabei geht es vor allem um die Reduzierung von Treibhausgasen. Geklagt hatten mehrere junge Menschen im Alter von 15 bis 32 Jahren, darunter auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer.

Warum muss das Gesetz geändert werden?

Das höchte deutsche Gericht argumentierte – salopp gesprochen – dass ältere Generationen nicht nach Belieben Treibhausgase in die Atmosphäre pusten dürfen ohne Rücksicht auf die Jüngeren. Die Richter kritisierten vor allem, dass die Vorschriften „hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030“ verschieben. Dadurch seien die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden in ihren Freiheitsrechten verletzt. Das heißt: Das Gericht findet, dass die Bundesregierung aktuell zu wenig gegen die Emissionen tut.

Was will die Bundesregierung?

Das soll sich nun ändern. Im aktuell gültigen Klimaschutzgesetz von 2019 ist vorgesehen, dass der Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent reduziert werden soll (verglichen mit 1990). Außerdem soll das sogenannte Pariser Klimaabkommen eingehalten werden. Bei der UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in der französischen Hauptstadt einigten sich 197 Staaten auf ein neues, globales Klimaschutzabkommen. Das Abkommen trat am 4. November 2016 in Kraft. Die Staaten setzen sich das globale Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter" zwei Grad Celsius zu begrenzen mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius.

Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes will die große Koalition nun die Zielvorgaben für weniger CO2-Emissionen anheben und um zehn Prozentpunkte auf mindestens 65 Prozent steigern. Das heißt, Deutschland soll bis zum Ende des Jahrzehnts seinen Treibhausgas-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringern.

Für das Jahr 2040 soll laut Bundesregierung ein Minderungsziel von mindestens 88 Prozent gelten. Auf dem Weg dorthin sieht das Gesetz vor, in den 2030er Jahren jedes Jahr konkrete Ziele zu erreichen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland dann die sogenannte Treibhausgasneutralität erreichen: dann solle ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgas-Emissionen und deren Abbau herrschen.

SPD: „Die Mehrheit will das“

Aus Sicht von Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, sei es „gut so“, dass das Bundesverfassungsgericht mehr Gerechtigkeit für die Generationen fordere. Ihre Partei habe das schon immer gewollt, so Schulze. Nun habe man ein Gesetz vorgelegt, „das den sozialen Ausgleich organisiert, ohne den wir Klimaschutz nicht erfolgreich werden durchführen können“. Gleichzeitig übte sie Kritik am Koalitionspartner Union, der aus ihrer Sicht eine "gerechte Kostenaufteilung" blockiere.

CDU: Ambitionierte Klimapolitik

Die Kritik der SPD wies Dr. Anja Weisgerber zurück. Die CDU sei für „eine ambitionierte Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes“. Es gehe um „Politik mit Augenmaß“, bei der die Bürger mit einbezogen würden, so die Abgeordnete.

AfD sieht Widersprüche

Dr. Rainer Kraft (AfD) kritisierte, dass die Bundesregierung zum Beispiel das Abholzen von Wäldern in Kauf nehme, um Windkrafträder zu errichten. Damit konterkariere die Politik der Bundesregierung die Nachhaltigkeitsziele. Das Fazit des Abgeordneten: „Ihre Politik führt zu Armut, zu Deindustrialisierung, zu massivem Flächenverbrauch, zu Energieknappheit und zu Umweltzerstörung".

FDP: „Haben Sie gewürfelt?“

„Sie haben ein paar Zahlen aufgeschrieben und sonst nichts für den Klimaschutz getan“, sagte Lukas Köhler von der FDP-Fraktion. (Ein ausführliches Interview mit ihm könnt ihr hier lesen).

Mehr noch: Die CO2-Minderungsziele für die 2030er-Jahren wirkten, „als hätte sie jemand gewürfelt, weil sie sehr willkürlich gewählt" seien. Die Politik könne heute nicht wissen, welche Technologien in 15 Jahren eingesetzt würden und wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen entwickele, so Köhlers Kritik.

Linke: „Vielfach unsozial“

Union und SPD hätten viel zu lange die Augen vor dem Klimawandel verschlossen, kritisierte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Jetzt sei die Klimapolitik zum Schnellschuss geworden und in ihren Folgen „vielfach unsozial“. Nun betriebe die Koalition Klimapolitik auf Kosten der Familien, der Pendler und der ganz normalen Leute, während sie die großen Klimasünder nicht in die Pflicht nehme.

Bündnis 90/Die Grünen: „Keine Wunschliste“

„Klimaneutralität ist das wichtigste Zukunftsprojekt unserer Zeit“, sagte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Grundsätzlich brauche es sowohl eine CO2-Bepreisung als auch kluges Ordnungsrecht. Um den sozialen Ausgleich sicherzustellen, schlage seine Fraktion ein Energiegeld vor. „Das alles sind Instrumente und Maßnahmen, die ineinandergreifen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, können wir keine Wunschliste machen, aus der man sich raussucht, was einem gerade ideologisch oder wahlkampftaktisch in den Kram passt“, so der Abgeordnete.

Neben dem Gesetzentwurf wurde auch die Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die Stellungnahme des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung zur Nachhaltigkeitsstrategie und der Arbeitsbericht der 19. Wahlperiode des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung zur weiteren Beratung an den Umweltausschuss übergeben. Im Anschluss der Debatte wurden zudem zwölf Anträge der Oppositionsfraktionen zu umweltpolitischen Themen abgelehnt.

Die gesamte Debatte und alle weiteren Anträge findet ihr auf bundestag.de.

(lh)

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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