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Tech-Experte Thomas Ramge „Hundertmal am Tag aufs Handy gucken?“

Während wir durch Apps scrollen, sammeln die Firmen dahinter unsere Daten. Damit sichern sie ihre Macht. Das ist für die Gesellschaft gefährlich, sagt der Experte Thomas Ramge und hat eine Idee, wie sich das Problem lösen lässt.

Portrait von Thomas Ramge

„Wir müssen die Informationsmonopole der großen Firmen brechen“, sagt Technikjournalist Thomas Ramge im Interview. Das sei politisch machbar. © Credit Michael Hudler

Sie sind Technik-Journalist und Buchautor. In einem Ihrer Bücher schreiben Sie über Macht-Maschinen und „digitale Superstarfirmen“. Haben die großen digitalen Unternehmen zu viel Macht?

Offenkundig ist zumindest, dass die Tech-Giganten extrem viel Macht haben. Und die haben sie vor allem auf drei Ebenen. Erstens haben sie eine große wirtschaftliche Macht. Die Unternehmen dominieren einen großen Teil des Markts. Sie sind zum Beispiel so reich, dass sie aufstrebende Wettbewerber oft einfach aufkaufen können. Sie können bestimmen, wer es auf den Markt schafft.

Die zweite Ebene: Sie haben politische und gesellschaftliche Macht. Insbesondere die Tech-Unternehmen, die soziale Medien betreiben, bestimmen relativ stark den Meinungsbildungsprozess in den Demokratien mit. Das ist ein zweischneidiges Schwert.

Soziale Medien ermöglichen zwar, dass jeder seine Meinung viel einfacher mitteilen und somit an demokratischen Diskussionen teilnehmen kann. Aber wir haben vielfach gesehen, dass die sozialen Medien von Populisten ausgenutzt werden können. Man denke zum Beispiel an den Ex-Präsidenten der USA Donald Trump und seinen Twitter-Account.

Haben Sie ein Beispiel für eine Situation, in der soziale Medien die Politik konkret beeinflusst haben?

Ein gutes Beispiel ist der Brexit, also der Austritt Großbritanniens aus der EU. Die Meinungen der Engländer wurden damals stark durch soziale Medien beeinflusst. Und schließlich stimmten sie mehrheitlich für den Austritt. Natürlich können wir nicht wissen, ob es ohne soziale Medien auch einen Brexit gegeben hätte. Aber klar ist: die großen Tech-Unternehmen lenken die Informationsflüsse und haben damit Meinungsbildungsmacht.

Ein anderes Beispiel dafür, wie große Tech-Unternehmen politische Macht ausüben: Sie können entscheiden, welche Apps in ihren Stores angeboten werden. Als es darum ging, wie die Corona-Warn-App gestaltet werden soll, hat nicht die Bundesregierung allein entschieden, was die App können soll und was nicht. Apple und Google haben vorgegeben, welche Art von App sie unterstützen. Es gibt Bereiche, in denen nicht Regierungschefs über technische Optionen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme entscheiden, sondern die Chefs von Apple und Google.

Zurück zu den Ebenen der Macht. Welches ist die dritte Ebene?

Das ist die individuelle Ebene, die Ebene des einzelnen Nutzers. Die Digitalkonzerne schaffen es, uns Systeme anzubieten, die wir auf eine Art nutzen, die wir eigentlich gar nicht gut finden – wenn wir mal länger darüber nachdenken. Wenn wir hundertmal am Tag aufs Handy gucken, ist das etwas, das wir wirklich wollen? Oder wurden wir durch die Art, wie die Systeme aufgebaut sind, dazu verleitet?

In dem Zusammenhang mit Tech-Unternehmen hört man auch immer von „Datenmonopolen“. Was ist das?

Ein Monopol zeichnet sich dadurch aus, dass ein Unternehmen einen bestimmten Markt sehr stark oder komplett beherrscht. Nehmen wir Google als Beispiel: Google ist die Suchmaschine, die fast alle Menschen benutzen, somit beherrscht Google fast den ganzen Markt.

Von Datenmonopolen sprechen wir dann, wenn ein einzelnes Unternehmen so viele Informationen sammelt, dass es die sogenannte Informationshoheit auf diesem speziellen Gebiet hat. Damit ist gemeint, dass nur dieses Unternehmen die Daten besitzt und entscheiden kann, was es damit macht.

Wie können Monopole gefährlich werden?

Indem Unternehmen eine Informationsmacht aufbauen, die sie missbrauchen könnten, wenn sie das möchten. Wenn ich die Kanäle, über die die Bevölkerung an Informationen kommt, steuern kann, kann ich als Unternehmen entscheiden, wer welche Informationen erhält.

Unternehmen bauen aber natürlich auch damit ihre Macht aus, indem sie Nutzer lange in ihrer App halten. Je länger wir in der App bleiben, desto mehr Werbung kriegen wir zugespielt, desto mehr Geld verdient das Unternehmen mit dieser Werbung. Und desto besser lernt das Unternehmen uns kennen.

Ist es grundsätzlich ein Problem, dass Daten gesammelt werden?

Nein, denn wir profitieren auch davon. Die Digitalisierung bedeutet im Kern: für Computer lesbare Informationen über die Welt zu sammeln, auszuwerten und dadurch als Menschen klüger zu werden. Das ermöglicht Fortschritt. Ich glaube nicht, dass wir aufhören sollten, Daten zu sammeln. Die Macht, die aus den Daten entsteht, muss aber begrenzt werden, und der Nutzen gerechter verteilt.

Die Tech-Giganten sollten also nicht zerschlagen werden, aber sie müssen die Herrschaft über die Informationen aufgeben und die Daten allen zugänglich machen, die damit die Welt voranbringen könnten.

Was muss auf politischer Ebene passieren, damit wir im Umgang mit Tech-Giganten besser dastehen?

Wir wissen jetzt, wie groß die Macht der Unternehmen ist. Die wirksamste Maßnahme dagegen ist, die Informationsmonopole zu brechen. Es wäre politisch ein vergleichbar kleiner Eingriff, die Unternehmen zu zwingen, ihre Daten anderen zur Verfügung zu stellen. Man würde den Unternehmen nichts wegnehmen, die Informationen würden nur auch von anderen genutzt werden können. Mit einer Einschränkung allerdings: Personenbezogene Daten dürfen natürlich nicht geteilt werden.

Ganz wichtig ist aber auch, dass der Staat seinen digitalen IQ erhöht. Der Staat muss viel besser im Umgang mit digitalen Systemen werden – und das ganz unabhängig von den Tech-Giganten. Wenn man sich ansieht, dass es in Deutschland noch Fax-Geräte in den Gesundheitsämtern gibt, bekommt man eine Vorstellung davon, wie viel hier zu tun ist.

Die Frage, wie wir die Unternehmen regulieren, ist wichtig. Die wichtigere Aufgabe von Staat, Gesellschaft und Bildung ist es aber, dass wir selbst digital kompetent werden.

Über Thomas Ramge

Thomas Ramge wurde 1971 in Gießen geboren. Er studierte Politik, Geschichte und Germanistik und arbeitet als Journalist und Buchautor. In seinem Buch „Macht-Maschinen“ beschreibt er mit seinem Kollegen Viktor Mayer-Schönber, warum die Datenmonopole der großen Tech-Firmen gefährlich sein können. Als Journalist schreibt er etwa für das Magazin Brand Eins und ist Host eines Podcasts der Bundesagentur für Sprunginnovationen.

(Mira Knauf)

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