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Aufstand des 17. Juni Chronik: So liefen die Proteste ab

Am 17. Juni 1953 kam es zu Protesten in der DDR. Die Demonstranten forderten den Rücktritt der SED-Regierung und freie Wahlen. Dagegen gingen Soldaten gewaltsam vor. Den Ablauf der Ereignisse, findet ihr hier.

Ein Panzer fährt von rechts in das Bild, im Vordergrund sind drei Männer zu sehen, einer rennt auf den Panzer zu. Im Hintergrund sieht man das Reichstagsgebäude.

Als mehr und mehr Menschen am 17. Juni 1953 in Ostberlin auf die Straße gehen, fahren am Potsdamer Platz gegen Mittag sowjetische Panzer auf, um die Menge unter Kontrolle zu bringen. © picture alliance/akg-images

Juli 1952

Walter Ulbricht, Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), verkündet auf der II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 den „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“. In den kommenden Monaten wird die Neuordnung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nach sowjetischem Vorbild beschleunigt. So wird zum Beispiel die Schwerindustrie verstärkt ausgebaut und Handwerker und Landwirte werden zwangsweise zu sogenannten Produktionsgemeinschaften zusammengeschlossen. Diese Veränderungen führen zu einem sinkenden Lebensstandard in der DDR. Die industrielle Produktion geht zurück. Und es gibt eine Ernährungskrise.

März bis Mai 1953

Nach dem Tod Josef Stalins, dem Diktator der Sowjetunion, hoffen die Menschen in der DDR auf eine Verbesserung der Lebensumstände. Aber die SED-Führung reagiert im Mai 1953 mit einer Erhöhung der Arbeitsnormen um 10,3 Prozent – die Löhne bleiben gleich. Die sogenannten Arbeitsnormen bestimmten in der DDR, welche Arbeit in einem bestimmten Zeitraum zu leisten war.

13. Juni 1953

Auf dem Berliner Müggelsee findet eine gewerkschaftlich organisierte Dampferfahrt für die Bauarbeiter der Großbaustelle Krankenhaus Friedrichshain statt. Ein Arbeiter steigt während des Ausflugs auf einen Gartentisch in einem Lokal: Er ruft die Bauarbeiter zum Streik auf.

15. Juni 1953

Am Morgen des 15. Junis ist es auf den Baustellen in der Ostberliner Stalinallee unruhig. Die Arbeiter der Baustelle des Krankenhauses Friedrichshain bleiben in ihren Baubuden. Sie fordern, dass die Normerhöhung zurückgenommen wird. Denn diese bedeutet eine für sie zehnprozentige Lohnsenkung. Dem Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, wird am Abend eine Resolution überbracht, in der diese Forderung formuliert ist.

16. Juni 1953

Auch am 16. Juni nehmen die Bauarbeiter ihre Arbeit nicht wieder auf. Sie warten auf eine Antwort des Ministerpräsidenten. Aber Funktionäre des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes erklären, die Normerhöhung könne nicht zurückgenommen werden.

In der Stalinallee formiert sich um 10:25 Uhr ein Demonstrationszug von etwa 700 Bauarbeitern. Sie marschieren von dort in die Leipziger Straße.

Der Demonstrationszug kommt vor dem Haus der Ministerien, dem Sitz der DDR-Regierung, zum Stehen. DDR-Industrieminister Fritz Selbmann gibt vor dem Gebäude bekannt, dass die Normerhöhung zurückgenommen sei. Er wird aber weitestgehend überhört.

Die Demonstration geht anschließend zurück zur Stalinallee. Viele Berliner, auch viele Jugendliche, schließen sich den Demonstranten an. 20.000 Menschen demonstrieren an diesem Abend in Berlin.

Die SED schickt Lautsprecherwagen durch die Stadt, die die Rücknahme der Normenerhöhungen bekanntgeben. Aber die Demonstranten bremst das nicht mehr. Sie erobern einen der Wagen und verkünden über die Lautsprecher, dass am 17. Juni Generalstreik sei. Alle Berliner sollen sich um 7:00 Uhr am Strausberger Platz einfinden, heißt es.

Der Chef der Staatssicherheit (Stasi), Wilhelm Zaisser, befiehlt: „Nicht einschreiten, totlaufen lassen“.

Über Rundfunkberichterstattung der Westsender, vor allem dem RIAS, und über Pendler, Dienstreisende und Betriebstelefone erfährt die ganze DDR von den Ostberliner Ereignissen. Der RIAS berichtet ausführlich und verbreitet die Forderungen der Demonstranten. Im DDR-Rundfunk bleibt es zu diesem Thema still.

17. Juni 1953

Am nächsten Tag streiken mehrere zehntausend Menschen in Ostberlin. Die Streikbewegung weitet sich auf viele Betriebe aus. Neben den Baustellen beteiligen sich nun auch Großbetriebe, Handwerksbetriebe und Einzelhandelsunternehmen. Aus allen Stadtbezirken sind Demonstrationszüge in Richtung Stalinallee zum vereinbarten Treffpunkt unterwegs.

Die neuen Forderungen lauten unter anderem:

  • Rücktritt der Regierung

  • Freie und geheime Wahlen

  • Einheit Deutschlands

Die Demonstrationen greifen auf die gesamte DDR über. In mehr als 700 Städten, Ortschaften und Betrieben gehen die Menschen auf die Straßen.

Um 7:45 Uhr versucht die Volkspolizei in Berlin, den Strausberger Platz zu räumen, aber es gelingt nicht.

Die Demonstranten ziehen wieder zum Haus der Ministerien in die Leipziger Straße, viele weitere Demonstrationszüge stoßen hinzu.

Im Ostberliner Stadtzentrum kommt es nun zu Ausschreitungen und zu Auseinandersetzungen mit der Volkspolizei. Es gibt auch Schlägereien mit SED-Funktionären. Funkwagen und Fahrzeuge von Volkspolizei und Staatssicherheit werden umgekippt, Gebäude gestürmt, Zoll-Häuschen an der Sektorengrenze werden angesteckt.

Ab 11:00 Uhr wird der öffentliche Verkehr stillgelegt. Damit soll die schnelle Ankunft weiterer Demonstrationszüge aus den Außenbezirken unterbunden werden.

Um 11:10 Uhr meldet die Westberliner Polizei, dass Jugendliche die rote Fahne vom Brandenburger Tor entfernt haben. Um 11:20 Uhr meldet das auch die Ostberliner Volkspolizei. Die Fahne wird verbrannt und es wird versucht, sie durch schwarz-rot-goldene Flaggen zu ersetzen.

Gegen 11:30 Uhr kommen sowjetische Panzer in die Ostberliner Innenstadt. Ab 12:00 Uhr fallen die ersten Schüsse aus sowjetischen Maschinenpistolen. Es gibt Tote und Verletzte.

Um 13:00 Uhr wird der Ausnahmezustand über den sowjetischen Sektor Berlins verhängt. Insgesamt verhängt die Sowjetunion in 167 von 217 Landkreisen den Ausnahmezustand. Sie übernimmt offiziell die Regierungsgewalt in weiten Teilen der DDR.

Gegen 13:00 Uhr räumen sowjetische Einheiten das Haus der Ministerien. Mehrere hundert Demonstranten waren hier zuvor eingedrungen.

Gegen 14:40 Uhr gehen die sowjetischen Truppen gegen die Demonstranten am Haus der Ministerien und am Brandenburger Tor vor. Die Soldaten eröffnen das Feuer erneut.

Gegen 17:00 Uhr setzen Demonstranten das Columbushaus am Potsdamer Platz in Flammen. Es fallen erneut Schüsse, circa eine Stunde lang.

Ab 20:00 Uhr werden die Grenzübergänge zwischen den Ost- und Westsektoren gesperrt.

21:00 Uhr: Die Ausgangssperre tritt im Ostsektor in Kraft.Sowjetische Besatzungstruppen haben die Kontrolle übernommen.

21:00 Uhr: Die Westberliner Polizei zieht erstmals Bilanz: sieben Menschen wurden getötet, 66 schwerverletzt. Mit der Zeit werden genauere Zahlen bekannt.

Verletzte, Verhaftete, Tote

Den Rechercheergebnissen einer Forschergruppe aus dem Jahr 2004 zufolge sind 55 Todesopfer durch Quellen belegt. Darunter:

  • 34 Demonstranten, Passanten und Zuschauer: Sie wurden am 17. Juni und den folgenden Tagen von Volkspolizisten und sowjetischen Soldaten erschossen oder starben an Folgen von Schussverletzungen.

  • fünf Männer wurden von Instanzen der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland zum Tode verurteilt und hingerichtet.

  • zwei Menschen wurden von DDR-Gerichten zum Tode verurteil und hingerichtet.

  • vier Personen starben in Folge menschenunwürdiger Haftbedingungen

  • fünf Angehörige der DDR-Sicherheitsorgane wurden getötet.

  • 15.000 Personen wurden insgesamt im Zusammenhang mit dem Aufstand festgenommen

  • 1.526 Angeklagte wurden bis Ende Januar 1954 verurteilt.

Juli 1953

Am 3. Juli 1953 erklärt der Deutsche Bundestag den 17. Juni zum „Tag der deutschen Einheit“. Bis 1990 bleibt er in der Bundesrepublik gesetzlicher Feiertag.

November 1989

Erst im November 1989 kommt es zum Mauerfall und ein knappes Jahr später zur deutschen Wiedervereinigung. Die Demonstranten bringen das SED-Regime gewaltlos und friedlich zum Einsturz. Deshalb nennt man diesen Umsturz auch die „Friedliche Revolution“.

Weitere Informationen, Interviews und Bilder findet ihr hier.

(Quellen: Bundeszentrale für Politische Bildung, Lebendiges Museum Online, Das Bundesarchiv)

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