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CSU-Abgeordneter Brexit doch noch stoppen

Christiane Kreder

Er hat die deutsch-britischen Beziehungen des Bundestages im Blick: Andreas Lenz (CSU) ist Vorsitzender der deutsch-britischen Parlamentariergruppe. Im Interview erzählt er, was ihn am Brexit besorgt und wie es jetzt weitergeht.

Portraitfoto

Andreas Lenz (CDU) © Henning Schacht

Der Brexit findet nun wahrscheinlich doch nicht wie geplant am 29. März statt. Was bedeutet der Aufschub des Austritts Großbritanniens aus der Europäische Union (EU) für Deutschland?

Die unmittelbaren Auswirkungen des Aufschubs sind bisher nicht so groß. Wichtig aus deutscher und aus EU-Sicht ist aber, dass ein Aufschub nur bis zum 22. Mai, also vor der Europawahl, erfolgen kann. Wie sich das Verfahren des Brexits weitergestaltet, liegt jetzt aber maßgeblich an Großbritannien.

Hat das die Brexit-Krise "entschärft", wie einige Überschriften nach der Bekanntgabe dieser Nachricht lauteten?

Ein EU-Austritt ohne Abkommen steht immer noch im Raum. Gerade die Abstimmung des britischen Parlaments Mitte März, wo sich eine Mehrheit für einen Brexit mit Abkommen ausgesprochen hat, zeigt aber, dass dieser Fall eigentlich von den meisten nicht gewollt ist. Das schützt aber nicht unbedingt davor, dass nicht doch ein 'harter Brexit' erfolgen könnte, als Folge politischen Unvermögens. Es liegt also jetzt in der Verantwortung der Politik, einen Weg für einen Austritt mit Abkommen zu finden – und im Moment ist da Großbritannien gefragt.

Warum ist dieser Austrittsvertrag so wichtig für Großbritannien?

Der ausgehandelte Austrittsvertrag mit der EU regelt, wie die künftige Zusammenarbeit aussehen wird. Einige wesentliche Punkte, die die Beziehungen der EU und Großbritannien betreffen müssen jedoch noch konkretisiert werden. Hierfür ist ein Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 vorgesehen. Sollte man sich bis zu diesem Zeitraum nicht auf die zukünftigen Beziehungen einigen können, etwa ein Freihandelsabkommen schließen, tritt der so genannte "Backstop" in Kraft.

Was bedeutet das?

Dieser würde beinhalten, dass Nordirland Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und somit Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Irland weiterhin verhindern. In Großbritannien gibt es jedoch Befürchtungen, dass das dann ein endgültiger Zustand bleiben könnte, der Nordirland vom Vereinigten Königreich sozusagen abtrennt. Die EU hat nun aber auch schriftlich zugesagt, dass der Backstop wirklich nur eine Notfalllösung ist.

Und wie wichtig ist der Vertrag für Deutschland?

Für Deutschland regelt der Austrittsvertrag auch das zukünftige Verhältnis zu Großbritannien, sei es in Wirtschaftsbeziehungen oder im Sicherheitsbereich. Großbritannien ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. In beiden Ländern hängen hunderttausende Arbeitsplätze vom reibungslosen Handel ab. Und auch im Sicherheitsbereich ist man aufeinander angewiesen. Beispielsweise beim Austausch von Informationen hinsichtlich Terrorabwehr und organisierter Kriminalität. Aber der Vertrag legt eben auch ganz konkret die Angelegenheiten fest, welche Rechte EU-Bürger künftig in Großbritannien haben und was für Briten gilt, die in der EU leben, also zum Beispiel auch in Deutschland.

Wie hat sich die Entscheidung zum Brexit Ihrer Meinung nach auf das deutsch-britische Verhältnis ausgewirkt?

Die deutsch-britische Partnerschaft ist nach wie vor stark. Der Brexit sorgt aber für eine gewisse Unsicherheit, keine Frage. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir diskutieren: Wie sollte das deutsch-britische Verhältnis nach dem Brexit aussehen? Aber es gibt viele Bereiche wie zum Beispiel Bildung, Forschung und den kulturellen Austausch, wo es viele Anknüpfungspunkte für ein künftiges Verhältnis gibt.

Sie sind Vorsitzender der deutsch-britischen Parlamentariergruppe. Welche Sorgen haben Sie mit Blick auf den Brexit?

Momentan gibt es die Sorge, dass wir uns entfremden, weil der enge Kontakt über die EU fehlen würde. Allerdings habe ich in der deutsch-britischen Parlamentariergruppe die Erfahrung gemacht, dass gerade in turbulenten Zeiten der bilaterale Kontakt immer stärker gesucht wird. Ich denke deshalb, dass unsere Arbeit auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag für das deutsch-britische Verhältnis darstellen wird. Es geht jetzt eigentlich schon um die Zukunft.

Worin besteht eigentlich genau die Arbeit der Parlamentariergruppe?

Wir versuchen, den Austausch zwischen dem britischen und deutschen Parlament zu stärken und einen persönlichen Kontakt der Parlamentarier zu ermöglichen. Wir sind zum Beispiel gegenseitige Ansprechpartner, wenn britische Parlamentarier nach Berlin kommen oder wir nach London reisen.

Wie haben sich die letzten turbulenten Wochen auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Vor allem das Interesse an den Einschätzungen der Geschehnisse im britischen Unterhaus, aber auch die Bewertung der Ereignisse aus Sicht des Bundestages haben zugenommen. Für unsere Arbeit heißt das, dass der Kontakt zu Journalisten sich verstärkt hat. Da ist es dann schon gut, wenn man auch mal kurzfristig bei Kollegen im britischen Unterhaus persönliche Einschätzungen einholen kann.

Wie hat sich Deutschland bislang auf den Brexit vorbereitet?

Deutschland hat sich intensiv mit zahlreichen Gesetzesinitiativen auf den Brexit vorbereitet – sowohl auf den Austritt mit als auch ohne Abkommen. Beispielsweise wurden Fragen hinsichtlich des Aufenthaltsstatus von Briten in Deutschland geklärt oder Regelungen getroffen, die die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte betrifft. Es bleiben zwar Rest-Unsicherheiten, schlicht weil es den Austritt eines Landes aus der EU noch nicht gegeben hat. Aus meiner Sicht ist Deutschland aber gut vorbereitet.

Worauf müssen sich Deutsche, die in Großbritannien leben, einstellen?

Bis zum 30. Juni 2021 soll sich für EU-Bürger in Großbritannien erst mal gar nichts ändern. Bis dahin müssen sie langfristige Aufenthaltstitel beantragen. Auch bei Studierenden, die vor allem über Erasmus nach Großbritannien gehen, soll sich erst mal nichts ändern – auch bezüglich der Unterstützung. Deutschland hat festgelegt, dass Zahlungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) weiterlaufen, allerdings gilt das nur für die Studierenden, die sich bereits in Großbritannien aufhalten.

Was gilt umgekehrt für Briten, die in Deutschland leben?

Eigentlich sind die Rechte von Briten innerhalb Deutschlands und der EU geklärt. Bei einem ungeregelten Brexit gab es bisher eine gewisse Unsicherheit. In diesem Fall hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dass es eine Übergangszeit von drei Monaten geben würde. In dieser Zeit bleibt für die Briten in Deutschland alles beim Alten, sie müssten während dieser Zeit einen Aufenthaltstitel beantragen. Wichtig ist generell, dass die Menschen, egal ob aus Großbritannien oder der Europäischen Union, nicht die leidtragenden der politischen Querelen sind.

Was ist Ihrer Meinung nach das wünschenswerteste Szenario für Deutschland?

Das wünschenswerteste Szenario wäre für mich nach wie vor, dass der Brexit doch noch gestoppt wird. Allerdings halte ich das für nicht sehr wahrscheinlich. Aus meiner Sicht gilt es einen harten Brexit unbedingt zu vermeiden. Daher ist es umso wichtiger, dass ein Austritt mit Abkommen zustande kommt. Dieser Austritt kann dann eine Grundlage sein, auf der Deutschland und Großbritannien ihre Beziehungen im besten Fall noch intensivieren. Der Brexit kann also auch ein Anfang eines neuen Miteinanders sein, wenn auch auf einer anderen Ebene als bisher.

Über Andreas Lenz:

Dr. Andreas Lenz, geboren 1981, sitzt seit 2013 für die CSU im Bundestag, seit 2018 ist er Vorsitzender der deutsch-britischen Parlamentariergruppe. Außerdem sitzt Lenz im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und ist Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. Sein Wahlkreis ist Erding – Ebersberg in Bayern.

Christiane Kreder

mitmischen-Autorin

Christiane Kreder

studiert Politik

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