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Kinderrechte Ein Fall fürs Grundgesetz?

Sandra Eilers

Kinderrechte sind bisher nicht ausdrücklich im Grundgesetz festgeschrieben. Soll sich das ändern? Brauchen Kinder mehr Rechte? Grundsätzlich eine gute Idee, finden die meisten Fraktionen – aber Streit gibt es über die Umsetzung.

Mädchen mit einer Hantel

Sollten Kinderrechte im Grundgesetz stehen? Darüber haben die Abgeordneten im Bundestag diskutiert. © shutterstock/Chinnapong

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ So steht es in Artikel sechs des Grundgesetzes. Das heißt: Kinder haben Grundrechte – aber im Grundgesetz werden diese nicht extra aufgeführt. Sie werden nur im Zusammenhang mit Ehe und Familie genannt.

Das will die Bundesregierung nun ändern und Kinder ausdrücklich im Gesetz benennen. Dazu soll Artikel sechs erweitert werden. Und zwar mit den folgenden vier Sätzen: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“

UN-Kinderrechtskonvention

Mit dieser Entscheidung will die Bundesregierung das Grundgesetz auch an die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 anpassen. Darin wird unter anderem das Recht auf Freizeit, das Recht auf Bildung oder auch das Recht auf Schutz vor Gewalt für Kinder gefordert.

Für den neuen Gesetzentwurf muss allerdings die Verfassung geändert werden. Um eine Verfassungsänderung durchzuführen, wird eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat benötigt.

Das sagen Experten

Bei einer Anhörung im Bundestag begrüßten alle Experten und auch Vorsitzende von Jugendhilfswerken generell den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Trotzdem gibt es aus deren Sicht auch einige Probleme. Nach Ansicht von Dr. Philipp Donath von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main werden die Kernprinzipien der Kinderrechtskonvention in Deutschland nicht in allen Bereichen umgesetzt. Daher sollten die Kinderrechte im Grundgesetz sichtbar gemacht werden, die entsprechende Zielsetzung der Bundesregierung sei daher sinnvoll. Aus seiner Sicht liege ein Problem jedoch in der Formulierung, welchen Einfluss Eltern, aber auch der Staat auf die Kinderrechte haben sollten.

Ähnlich sieht das auch der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger. Die gewählte Stelle, an der die der Kinderrechte im Grundgesetz aufgenommen werden sollen, sei „misslungen und gefährlich“. An dieser Stelle gehe es nämlich um das sogenannte "staatliche Wächteramt" und die Elternrechte. Und das könnte dazu führen, dass Kinderrechte gegen die Eltern verwendet werden, so Krüger.

Bundesregierung: „Kinder sind besonders schutzbedürftig“

Die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach im Plenum darüber, dass gerade in der Coronapandemie die Rechte der Kinder besonders im Vordergrund stünden. Die Änderung sei eine „historische Chance, etwas ganz Wichtiges und Wertvolles für unsere Kinder zu tun“. Durch die Verankerung im Grundgesetz wären die entsprechenden Rechte für alle Stellen verbindlich.

Hierbei solle nicht das Recht der Eltern in Richtung Staat verschoben werden. Nur wenn das Kindeswohl gefährdet sei, dürften staatliche Stellen eingreifen.

„Kinder sind das Wichtigste, was wir in unserer Gesellschaft haben“, sagte Thorsten Frei (CDU/CSU) in seiner Rede. Die Änderung im Gesetz werde aus seiner Sicht zwar nicht dazu führen, dass alle grundlegenden Probleme von Kindern behoben würden – jedoch mache sie Kinderrechte in der Verfassung sichtbar. „Wir reden nicht nur, wir handeln, und das ist gut für Kinder und Familien“, sagte der Abgeordnete.

AfD: „Fazit: Kann weg“

Fabian Jacobi (AfD) hält es für nicht notwendig, das Grundgesetz zu ändern. In dem Gesetzentwurf handele es sich nicht um neue Rechte, sondern um eine „bloße Wiederholung“ eines Textes, der bereits in der Verfassung stehe. So sei aus seiner Sicht das Fazit für alle vier Sätze, um die das Gesetz erweitert werden soll: „Kann weg.“

Er machte deutlich, dass „es egal ist, was sie sich bei der Verabschiedung eines Gesetzes vorstellen. Entscheidend ist, was andere später daraus machen.“

FDP: „Wenn wir von Kinderrechten sprechen, müssen auch Kinderrechte drin sein.“

Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae merkte an, dass Grundgesetzänderungen eine Besonderheit wären, „denn wir packen das Grundgesetz nicht jeden Tag an“. Der FDP sei wichtig, dass „das Gefüge zwischen Eltern, Kindern und Staat nicht verändert wird“. „Wenn wir von Kinderrechten sprechen, müssen auch Kinderrechte drin sein“, so Thomae. Daher sei die FDP-Fraktion nicht ausdrücklich gegen eine Gesetzesänderung. Allerdings gebe es noch Beratungsbedarf. Die FDP sei jedenfalls bereit, an einer Lösung mitzuarbeiten, so Thomae.

Linke: Kindeswohl hat Vorrang

Norbert Müller (Die Linke) ging in seiner Rede besonders auf die UN-Kinderrechtskonvention ein. Sie teile sich in drei wesentliche Grundrechte: „ein Recht auf Beteiligung, ein Recht auf Förderung und ein Recht auf Schutz“ – außerdem sei dort „das Kindeswohl ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt.“ Er bemängelt, dass diese Aspekte im Regierungsentwurf nicht berücksichtigt würden. Der derzeitige Entwurf stehe so schon im Grundgesetz und müsse überarbeitet werden.

Grüne: Rückschritt statt Fortschritt

Auch Ekin Deligöz von der Grünen-Fraktion war der Meinung, dass die geplante Änderung nur eine Wiederholung des bestehenden Gesetzes sei. Gerade in diesen Zeiten sei die Politik ein „Desaster“, was die Rechte der Kinder anbelangt. In allen Punkten biete der Entwurf Spielraum zur Nachbesserung, sagte sie in der Debatte.

„Wir sind mit dabei, wenn es um konstruktive Verhandlungen geht. Aber konstruktive Verhandlungen müssen für Fortschritt stehen und nicht für Rückschritt“, sagte Deligöz.

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Sandra Eilers

...ist 16 Jahre alt und hat die Nordsee fast vor der Haustür. Sie besucht zurzeit die 9. Klasse einer Oberschule und ist Chefredakteurin der dortigen Schulzeitung. Gerne geht sie mit ihren Freunden am Deich spazieren und lässt sich von der heimischen Schafpracht inspireren.

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