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SPD-Abgeordneter "Ich sehe Gefahr bei der Finanzierung"

Marie Illner

Kirchen finanzieren sich in Deutschland hauptsächlich über eine Steuer, die ihre Mitglieder zahlen. Für muslimische Gemeinden gilt das nicht, hier kommt das Geld oft aus dem Ausland. Die AfD möchte dies ändern. Marie hat dazu den SPD-Abgeordneten Uli Grötsch befragt.

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Ein Glaube muss sich auch daran orientieren, wo er ausgeübt wird, findet Uli Grötsch (SPD). © Susie Knoll/SPD

In Deutschland finanzieren sich die Kirchen vornehmlich durch die Kirchensteuer. Für muslimische Gemeinden gilt das nicht. Was wissen Sie über ihre Finanzierung?

Sie ist höchst unterschiedlich. Arabische Moscheen finanzieren sich etwa anders als Moscheen, die zum deutsch-türkischen Moscheen-Verband Ditib gehören. Ditib-Moscheen bekommen ihre Imame auf Zeit aus der Türkei geschickt. Sie werden also über die türkische Religionsbehörde finanziert. Viele kleine arabische Moscheen finanzieren sich rein durch Spenden.

Wie stark finanzieren sich muslimische Verbände und Vereine zurzeit über das Ausland?

Ich kenne dazu keine Zahlen, eine Übersicht oder ein Verzeichnis gibt es meines Wissens nach nicht. Die türkische Regierung gibt den größten Teil des Geldes und zwar durch eine Behörde namens Diyanet. Sie möchte den Türkei-stämmigen Muslimen in erster Linie ermöglichen, ihren Glauben auszuüben. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), die mit Diyanet zusammenarbeitet, gibt es seit den 1980er Jahren, hat aber in Deutschland einen schwierigen Ruf.

Die AfD-Fraktion hat im Bundestag gefordert, den muslimischen Gemeinden den ausländischen Geldhahn zu zudrehen. Was halten Sie davon?

Von dem Antrag der AfD-Fraktion halte ich gar nichts. Die Partei macht sich nicht wirklich Gedanken über die Muslime in Deutschland und deren Situation. Vielmehr geht es darum, Ängste gegen den Islam und Menschen mit muslimischem Glauben zu schüren. Ich finde es wichtig, dass Muslime ihren Glauben in Deutschland ausüben können. Aber natürlich interessiert uns als Staat schon, auf welche Art und Weise die Finanzierung vonstattengeht.

Welche Konsequenzen hätte es für die islamischen Gemeinden denn, wenn die Bundesregierung die ausländische Finanzierung tatsächlich untersagen würde?

Ohne Geld und Personal aus dem Ausland könnten die muslimischen Gemeinden und Vereine vermutlich nicht überleben. Ohne staatliche Unterstützung könnten das auch die katholische und evangelische Kirche nicht. Glaubensstrukturen brauchen immer Personal – davon leben sie – und Personal kostet Geld. Ohne die ausländische Finanzierung ginge das im Falle der Muslime in Deutschland sicherlich nicht.

Sehen Sie auch Gefahren bei einer Finanzierung aus dem Ausland und folglich Argumente, die gegen sie sprechen?

Ja, ich sehe Gefahren. Teilweise gibt es Zusammenhänge zwischen dem politischen Islam, also dem gewaltbereiten Islam, und der Finanzierung aus dem Ausland. Das betrifft vor allem Moscheen, die aus Saudi-Arabien heraus finanziert werden. Dies geschieht teilweise auf ganz verworrenen Wegen, da wäre mehr Transparenz wünschenswert.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine Studie darüber gemacht, wie sich muslimische Organisationen in Deutschland finanzieren. Sie zeigt, dass sich die deutsche Salafisten-Szene, eine ultrakonservative gewaltbereite Strömung des Islam, auch mit Kapital aus Saudi-Arabien finanziert.

Die eingangs beschriebene Praxis, dass Kirchen sich über Kirchensteuern finanzieren, gilt für die Muslime in Deutschland derzeit nicht. Könnte sich das ändern?

Man könnte eine solche Moschee-Steuer auch in Deutschland einführen, aber das ist mit viel Aufwand und Schwierigkeiten verbunden. Was genau soll aus dieser Steuer finanziert werden? Wie ist die Steuer genau gestaltet? Das sollten wir auf der Islamkonferenz des Bundesinnenministeriums diskutieren. Für viele Muslime wäre das zunächst sicher ungewohnt, zum Teil auch ungewollt, weil sie eine Abhängigkeit befürchten.

Welche denn?

Der Islam ist nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. Das müsste und sollte geändert werden. In manchen Bundesländern ist Ditib zum Beispiel als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, in anderen wiederum nicht. Je nach Bundesland ergeben sich daraus völlig unterschiedliche Situationen was etwa Steuern, Finanzierung und die Ausbildung von Imamen angeht. Mehr Einheitlichkeit wäre hilfreich.

Wie beurteilen Sie in dieser Hinsicht die aktuelle Diskussion?

Der aktuellen Debatte fehlt es an Ehrlichkeit und wir brauchen mehr Mut. Dass es innerhalb des Islams sehr viele verschiedene Strömungen gibt und die Verbände untereinander nicht das beste Verhältnis haben, macht die Diskussion nicht leichter. Zu den Muslimen in Deutschland zählen nämlich Schiiten, Sunniten, Wahabiten und so weiter. Einen "europäischen Islam" gibt es genauso wenig wie "den Islam".

Dennoch die Frage: Sollte sich "der Islam" reformieren?

Ich glaube, es geht für Teile der Religionsgemeinschaft darum, über ihren eigenen Schatten zu springen. Die Muslime müssen reden. Es braucht eine interne Debatte in den Verbänden. Ein Glaube muss sich auch daran orientieren, wo er ausgeübt wird. Bei uns ist die gesamtgesellschaftliche Situation eine völlig andere als im mittleren Osten. Glaube hat immer mit der Gesellschaft zu tun und der Art, in ihr zu leben.

Über Uli Grötsch:
Uli Grötsch, geboren 1975, sitzt seit 2013 für die SPD im Bundestag. Er ist Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat sowie im Parlamentarischen Kontrollgremium. Sein Wahlkreis ist Weiden in Bayern.

Marie Illner

mitmischen-Autorin

Marie Illner

studiert Medienwissenschaften und Anglistik

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